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Benzinpreiserhöhung: Knacknuss für CO2-Reduktion

Die Schweiz soll ihren CO2-Ausstoss senken, und zwar mit Massnahmen im Inland. Keystone

Den Ausstoss an klimaschädlichem CO2 um 20% senken, und das in der Schweiz: Darüber herrscht Einigkeit im Schweizer Parlament. Erreichen will dies der Ständerat mit einer Erhöhung der Treibstoffpreise. Ob der Nationalrat folgt, ist aber fraglich.

Der Ständerat, dominiert von der bürgerlichen Mitte, gab sich am Dienstag grün: Bis zum Jahr 2020 soll in der Schweiz das Treibhausgas CO2 gegenüber 1990 um einen Fünftel reduziert werden. Die kleine Kammer hiess ein entsprechendes CO2-Gesetz mit dem deutlichen Resultat von 26 zu 16 Stimmen gut.

Gleichzeitig sprach sich der Ständerat auch für das nötige Instrument zum Erreichen dieses Ziels aus, erteilte er doch dem Bundesrat die Möglichkeit, auf Benzin und Diesel eine CO2-Abgabe einzuführen.

Damit hofft der Ständerat, der Klima-Initiative aus dem links-grünen Lager einen wirksamen Gegenvorschlag entgegenzustellen. Das Volksbegehren verlangt, dass in der Schweiz bis in acht Jahren 30% weniger CO2 ausgestossen werden darf.

Schwenkt Nationalrat ein?

Der Nationalrat hatte sich im vergangenen Sommer weniger konsequent gezeigt: Zwar hatte auch er sich für das Reduktionsziel von 20% ausgesprochen und dabei voll auf eine Reduktion im Inland gesetzt. Als es aber um konkrete Massnahmen zur Umsetzung ging, wollte die grosse Kammer nichts von einer CO2-Abgabe auf Treibstoffpreisen wissen.

Genau bei dieser CO2-Abgabe aber dürfte die Knacknuss liegen. Denn je nach Schätzung dürfte sie zwischen 12 und 30 Rappen pro Liter Benzin und Diesel betragen.

Patrick Hostettler, Präsident der Klima-Initiative, ist deshalb gespannt, wie die grosse Kammer im Sommer damit umgehen wird. “Wir denken aber, dass es folgerichtig ist, wenn der Nationalrat hier dem Ständerat zustimmt”, sagte Hostettler gegenüber swissinfo.ch.

Mittelfristig würde sowieso eine Angleichung der Treibstoffpreise an das Niveau in den Nachbarländern stattfinden, sei doch die Schweiz europaweit das Land mit den günstigsten Benzinpreisen, und die Dieselpreise seien sehr moderat. “Eine Anpassung ist längst überfällig. Autofahrer aus den Nachbarländern fahren wöchentlich in die Schweiz zum Tanken. In einem Land, das sämtliche fossilen Energien importieren muss, geht das doch nicht an”, so Hostettler.

Falls der Nationalrat, der traditionell näher beim Volk politisiert, bei der Abgabe hart bleibt und sich der Ständerat umstimmen lässt, breche für ihn aber keine Welt zusammen. Hostettler sagt dies im Wissen um eine repräsentative Umfrage vom vergangenen November. Damals hätten 64% der Stimmenden der Klima-Initiative zugestimmt.

Lombardi echauffiert

Nicht ganz so gelassen wie Hostettler reagierte der freisinnige Tessiner Ständerat Filippo Lombardi, der im Rat zu den Verlierern gehörte. “Ich bin entsetzt, weil keine Kohärenz zwischen Zielsetzung und Massnahmen besteht”, sagte der Tessiner gegenüber swissinfo.ch.

“Die Zielsetzung von 20% ist meines Erachtens zu hoch, aber wenn man sie will, muss man sich die Mittel geben, um sie zu erreichen.” Der erneuten Debatte in der grossen Kammer sieht er pessimistisch entgegen.

Signal

Der Ständeratsentscheid dürfte bei aller Zurückhaltung dennoch eine gewisse Signalwirkung für die Kollegen und Kolleginnen in der grossen Kammer haben.

Den wirtschaftlichen Nutzen von Inlandkompensationen stellte in der langen Debatte nicht nur Verena Diener von den Grünliberalen in den Vordergrund. Sie sprach von bis zu 10’000 Arbeitsplätzen, die durch die Reduktion in Schweizer Unternehmen entstünden.

Auch die bürgerliche Mitte und sogar Vertreter der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) hatten das Wohl der hiesigen Wirtschaft vor Augen. “Wenn wir schon Massnahmen mit Kosten beschliessen, will ich wenn schon diese Arbeitsplätze in der Schweiz schaffen, da bin ich viel zu viel Patriot und Wirtschaftsvertreter”, sagte This Jenny, SVP-Vertreter aus dem Kanton Glarus.

Das CO2-Gesetz ist aber noch nicht am Trockenen. Können sich die beiden Kammern nicht einigen und sollte ein Differenzbereinigungsverfahren scheitern, droht der Vorlage in der Schlussabstimmung die Versenkung.

Gehörter Appell von Leuthard

Vergeblich hatte die Umweltministerin den Vorschlag der Regierung eingebracht, wonach die ehrgeizige Zielsetzung nur erzielt werden könne, wenn ein Teil der 20%-Reduktion im Ausland möglich wäre. Sie würde gerne schon heute eine Reduktion von 20% oder 30% in der Schweiz erreichen, aber die Fakten würden dagegen sprechen, sagte Leuthard.

Nachdem sie in der Abstimmung über das Reduktionsziel unterlegen war, appellierte sie an die kleine Kammer, dass wer A sage, auch B sagen müsse. “Wenn das Reduktionsziel nur im Inland erreicht werden muss, ist es klar, dass die die aktuellen Abgaben nicht ausreichen, eine Erhöhung ist unumgänglich”, rechnete sie dem Rat vor.

Es sei zudem sehr populär, in der Klimapolitik ambitiöse Zielsetzungen zu verkünden. Unpopuläre Massnahmen würden dann aber dem Bundesrat zugeschoben, der dem Volk dann eine Erhöhung der Benzinpreise zu verkünden habe. “Ich bin dann die Dumme, obwohl ich nicht für dieses Konzept war. So geht das Spiel nicht, meine Damen und Herren!” Wenigstens mit diesem Appell drang Doris Leuthard bei den Ständeräten durch.

Die Schweiz hat 1997 das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ihre Emissionen der klimawirksamen Gase zu reduzieren. Das Gesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen verlangt, dass der CO2-Ausstoss bis zum Jahr 2010 gegenüber 1990 um 10% reduziert wird.

Es gibt dem Bundesrat die Kompetenz, eine CO2-Abgabe einzuführen, wenn dieses Ziel mit den ohnehin geplanten und den freiwilligen Massnahmen nicht erreicht werden kann.

Das Protokoll legt erstmals völkerrechtlich verbindliche Reduktionsziele für Treibhausgas-Emissionen für alle Industriestaaten fest. Im Zeitraum 2008-2012 soll erreicht werden, dass der CO2-Ausstoss der Industriestaaten gegenüber 1990 um 5,2% tiefer liegt. Die Schweiz und die EU haben sich zu einer Reduktion um 8% verpflichtet.

Das Kyoto-Protokoll ist ein am 11. Dezember 1997 beschlossenes Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) mit dem Ziel des Klimaschutzes.

Laut einer WWF-Umfrage möchten 69% der Schweizer Bevölkerung, dass die Regierung mehr gegen die Erderwärmung tun würde.

Eine Mehrheit der Befragten sagte, die Schweiz solle das Land mit dem besten Klimaschutz in Europa werden.

Wichtiger Schritt in diese Richtung sei die Volksinitiative für ein gesundes Klima, welche bis 2020 eine Senkung der CO2-Emissionen um 30% fordert. 2012 soll darüber abgestimmt werden. Würde heute darüber befunden, würde die Initiative von 64% der Stimmbevölkerung gutgeheissen.

73% der vom WWF Befragten meinten, die Politiker sollten sich aktiver an der Klimafront beteiligen.

18% der Befragten zeigten sich vom Klimawandel nicht beunruhigt.

74% waren der Ansicht, die Schweiz solle bereits heute strengere Umweltschutz-Regulierungen einführen, unabhängig davon, ob ein globales Klimaschutzabkommen erreicht wird.

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