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FDP und Liberale vor Heirat

Zusammen wollen sie stärker sein: FDP-Präsident Fulvio Pelli (links) und LPS-Präsident Pierre Weiss. Keystone

Aus FDP und LPS wird FLP: Mit der Fusion zur neuen Freisinnig-liberalen Partei wollen die Freisinnig-Demokratische Partei und die Liberale Partei der Schweiz ihre politische Talfahrt beenden.

Das neue politische Kind in der Schweizer Parteienlandschaft soll im Oktober aus der Taufe gehoben werden. Vorausgesetzt, die Delegierten beider Parteien stimmen der Fusion vorgängig zu.

Freisinnig-liberale Partei als neuer Name ist noch nicht in Stein gemeisselt. Zum neuen Namen und den geplanten FLP-Statuten können sich die Parteisektionen bis Ende August in einer Vernehmlassung äussern.

Für FDP-Präsident Fulvio Pelli wird die FLP zu einem “grossen liberalen Haus”, wie er am Dienstag in Bern bei der Präsentation der neuen Parteistrukturen sagte. Während sich andere Parteien teilten, entstehe aus den Gründerparteien des modernen Bundesstaates die mit 17,7% Wähleranteilen drittgrösste Partei der Schweiz.

Der Tessiner Pelli wird es voraussichtlich auch sein, der die neue Partei in der ersten Phase anführen wird.

Optimismus

“Eine grosse junge Partei ersetzt eine grosse alte Partei”, sagte Pierre Weiss, Präsident der Liberalen Partei Schweiz (LPS) und Genfer Grossrat. Er lobte die Vorbereitungsarbeiten, die in einem konstruktiven Dialog durchgeführt worden seien.

Programmatisch will die Partei allen liberalen Kräften eine Heimat bieten. In einer Mitteilung zitieren die Fusionspartner die Anliegen aus dem jüngsten FDP-Parteiprogramm: Mehr und bessere Arbeitsplätze, nationaler Zusammenhalt und sichere Sozialwerke sowie ein schlanker, bürgerfreundlicher Staat. Im Schweizer Parlament hält die FDP 43 Sitze, die LPS deren vier.

Steter Niedergang

Der mit der Bündelung der Kräfte in der bürgerlichen Mitte verbundene Optimismus kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass der Zusammenschluss aus einer Position der Schwäche heraus erfolgt.

Seit zwei Jahrzehnten befindet sich der Freisinn politisch im freien Fall. Bei den letzten Parlamentswahlen im Oktober 2007 erlitt Pellis FDP mit lediglich noch 15,6% Wähleranteil eine historische Schlappe. Dabei war der Freisinn seit der Gründung des Bundesstaates bis in die 1980er-Jahre hinein die staatstragende Partei der Schweiz schlechthin gewesen.

Gleichzeitig mit dem Aufkommen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) unter der Führung von Christoph Blocher setzte aber der freisinnige Niedergang ein, den die FDP bis heute nicht hat stoppen können.

Auch mehrere Auswechslungen des Parteipräsidiums hatten in den letzten Jahren keine Remedur gebracht. Die Abwanderung der ehemaligen FDP-Wähler nach rechts zur SVP oder nach links zu Grün-Liberalen und Grünen sorgte für eine stetige Erosion an der Basis.

Geringe Erwartungen

“Der geplante Zusammenschluss hat primär symbolischen Charakter, denn dadurch werden die Probleme der FDP nicht gelöst”, schätzt der Politologe Georg Lutz gegenüber swissinfo.

Der Projektleiter am Forschungszentrum für Sozialwissenschaften (Fors) an der Universität Lausanne sieht in der Fusion in erster Linie einen Schritt Richtung Konsolidierung des politischen Systems in der Schweiz. “Ich kann bei der FDP keine politische Linie erkennen, welche Wählergewinne verspricht”, sagt Lutz.

Dem Freisinn und den übrigen Parteien im Zentrum stelle sich die Frage, ob und wie sie untereinander Allianzen bilden könnten. “Es gibt aber kaum genügend Platz für vier Parteien mit ähnlichem politischem Profil”, schränkt Lutz ein.

swissinfo und Agenturen

Der Liberalismus hat sich in der Schweizer Politik und Wirtschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt.

Im Zentrum der liberalen Positionen steht die individuelle Selbstverantwortung sowie Wirtschaft mit einem Minimum an Regulationen.

Ab 1830 hat sich in mehreren Kantonen die liberale Bewegung durchgesetzt.

Links der Liberalen positionierten sich die Radikal-Freisinnigen, denen 1848 die Gründung des Bundesstaates gelang. Bis 1918 war der Freisinn praktisch ohne Konkurrenz.

Die zwischen den beiden Weltkriegen aufkommende bäuerliche BGB, die Vorläuferin der Schweizerischen Volkspartei (SVP), entsprang ebenfalls der liberalen Bewegung.

Der Freisinn blieb bis in die 1980er-Jahre staatstragende Partei der Schweiz.

Heute steht die FDP an einem historischen Tiefpunkt. Bei den Eidg. Wahlen im letzten Oktober betrug der Wähleranteil noch gut 15%. Die SVP dagegen kam auf knapp 30%.

Der Liberalismus ist auf Bundesebene praktisch verschwunden. Letzte Bastionen sind die protestantischen Kantone der Westschweiz sowie Basel-Stadt.

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