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OECD-Liste: Schweiz erhält positive Signale

Keystone

Hans-Rudolf Merz gab sich nach dem Treffen mit dem britischen Premier Gordon Brown zuversichtlich, dass die Schweiz nicht auf der schwarzen OECD-Liste lande. Dass das OECD-Sekretariat die Schweiz dabei umging, verursacht jedoch Ärger in der Schweizer Regierung.

Letzten Freitag hatte der Bundesrat gleichzeitig mit Luxemburg und Österreich das Bankgeheimnis für Steuerdelikte gelockert. Die Schweiz übernimmt die entsprechenden Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Einen automatischen Informationsaustausch lehnt die Schweiz jedoch ab.

Nach dieser Lockerung habe der britische Premier Gordon Brown an der Downing Street in London dem Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz zugesichert, er werde am G-20-Gipfeltreffen Anfang April seinen Einfluss geltend machen, damit sich die Schweiz nicht auf der Steueroasen-Liste der “nicht kooperativen Staaten” befinde. Brown habe Merz auch zugesichert, dass er in den weiteren Verhandlungen die Schweiz unterstützen werde.

Schweiz als OECD-Mitglied übergangen

Das OECD-Sekretariat jedoch verursachte nicht nur bei Merz ziemlichen Ärger: Denn provisorisch figuriert die Schweiz offenbar bereits auf dieser Schwarzen Liste. Und zwar ohne Absprache: Die Liste sei am 5. März erstellt worden, ohne dass die Schweiz als OECD-Mitglied davon Kenntnis erhalten hätte. Der Bundesrat hat laut Merz erst am vergangenen Donnerstag davon erfahren. Das sei weder politisch noch völkerrechtlich akzeptabel.

Der angebliche Eintrag der Schweiz in eine schwarze Liste sei eine leere Drohung gewesen, meinte hingegen der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück laut SonntagsBlick: “Es hat keine Liste gegeben.”

Das sei nur ein Instrument, um die “Indianer” (gemeint sind die Schweizer) in Angst und Schrecken zu versetzen, zitiert der SonntagsBlick Steinbrück. Der Druck habe gewirkt. Es gelte jetzt, die konkrete Ausgestaltung des Informationsaustausches durch die Schweiz abzuwarten.

Calmy-Rey: Auch andere Finanzplätze fordern

Der Kritik von Merz schlossen sich am Wochenende auch die Bundesrätinnen Doris Leuthard und Micheline Calmy-Rey in Interviews an. Calmy-Rey protestierte dagegen, dass das OECD-Sekretariat “im Geheimen” Aufträge einzelner Mitgliedstaaten ausführe.

Im Gegensatz zu Bundesrat Ueli Maurer, der in der Sonntagspresse von einer “gefährlichen Entwicklung” sprach, verteidigten die beiden Bundesrätinnnen die Lockerung des Bankgeheimnisses als “Befreiungsschlag” (Leuthard) und als “Entscheid, der unsere Chancen am besten wahrt” (Calmy-Rey).

Jetzt sei die Schweiz auch im Steuerbereich nicht mehr in der Defensive und “braucht sich nicht länger zu verstecken”, erklärte Calmy-Rey in der NZZ am Sonntag. Nun könne die Schweiz getrost von anderen Finanzplätzen fordern, die internationalen Standards auch einzuhalten.

Doppelbesteuerungs-Abkommen

Im Zusammenhang mit den Neuverhandlungen zu den Doppelbesteuerungsabkommen kündigte die Aussenministerin eine Informationsoffensive in Paris, Rom und Berlin an.

Bei den Verhandlungen gehe es um faire Übergangslösungen und die Begrenzung der Amtshilfe auf den konkreten Einzelfall.

Doch in Berlin könnte es innerhalb der Regierung Streit darüber geben, wie man in Deutschland künftig mit den Privatpersonen und Unternehmen umgeht, die mit den so genannt unkooperativen Staaten und intransparenten Finanzzentren (gemeint ist auch die Schweiz) Geschäfte machen. Es geht um das “Gesetz zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken und der Steuerhinterziehung”.

Finanzminister Steinbrück, dessen Ministerium den Entwurf dieses Gesetzes verfasst hat, ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei SPD. Diese formiert zusammen mit der (bürgerlichen) Union die regierende grosse Koalition.

Steinbrücks innenpolitischer Druck

Nun drohen die Koalitionsverhandlungen über dieses Gesetz gegen Steuerhinterziehung zu scheitern.

Im südenglischen Horsham, wo sich die Finanzminister des G-20 trafen, um den Gipfel im April zu besprechen, kam Steinbrück auch auf dieses Thema zu sprechen: Er würde im Fall eines Scheiterns des Gesetzes das Thema in den deutschen Wahlkampf ziehen.

Das Gesetz soll sogenannte Steueroasen – Länder, die steuerliche Informationen nicht herausgeben wollen – auch von aussen trockenlegen.

Dazu sollen künftig Privatpersonen und Unternehmen in Deutschland, die mit den so genannt unkooperativen Staaten und intransparenten Finanzzentren Geschäfte machen, den Fiskus umfassend informieren müssen.

Finanz- gegen Wirtschafts-Ministerium

Nach Steinbrücks Entwurf soll der deutsche Fiskus etwa Steuerbefreiungen für Dividenden aus diesen Ländern ablehnen können. Gleiches soll unter anderem für die Anerkennung von Betriebsausgaben oder die Entlastung von der Kapitalertragsteuer gelten.

Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau meldete der Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg massive Einwände gegen das Vorhaben an. Zu Guttenberg gehört als CSU-Politiker der Union an.

SPD-Parteichef Franz Müntefering wiederum drohte am Samstag: “Wenn die Union da nicht mitzieht, gibt es grösseren Streit.” (Union: CDU-CSU).

swissinfo und Agenturen

Wie bringen nationale Steuerämter ihre Landsleute über die Landesgrenze hinweg zum Bezahlen ihrer Steuern?

Dazu existieren im Moment hauptsächlich zwei Methoden: Steuerrückbehalt (Withholding Tax) und automatischer Informationsaustausch.

Die Schweiz praktiziert, wie die EU-Staaten Österreich, Luxemburg und Belgien, den Steuerrückbehalt. Die anderen EU-Staaten verwenden den automatischen Informationsaustausch.

Nun plant aber eine EU-Richtlinie, dass der automatische Informationsaustausch dann zur EU-Regel werden soll, wenn Brüssel mit Nicht-EU-Staaten (Drittstaaten wie der Schweiz) einen Informationsaustausch vereinfacht.

Dieser Info-Austausch muss gar nicht automatisch sein, sondern kann auch auf der Basis von “auf Anfrage” vereinbart werden.

Falls also Brüssel mit der Schweiz einen Info-Austausch “auf Anfrage” vereinbaren kann, hängen die drei EU-Staaten Österreich, Luxemburg und Belgien auch drin – ausgerechnet jene Länder, die die Schweiz immer gegen Brüssels Forderungen unterstützt hatten.

Und grosse EU-Länder wie Deutschland möchten den Informationsaustausch lieber heute als morgen.

Laut dem European Policy Forum (EPF) sind die übermittelten Daten beim (automatischen) Informations-Austausch oft von ungenügender Brauchbarkeit.

Je grösser die Menge der zu übertragenden Daten, desto mehr komme es zu Verzügen, so behauptet dieser englische Think Tank, der unter anderem von der Schweizerischen Bankiervereinigung unterstützt wird.

Für den Fiskus des jeweils anderen Landes ergäbe sich deshalb oft ein hoher zusätzlicher Aufwand – gerade bei kleinern Staaten.

Das System des Steuerrückbehalts (Withholding Tax) sei demgegenüber in der Abwicklung wirksamer – in der Schweiz selbst wird es ja ebenfalls verwendet (mit Rückerstattung eines Teil des einbehaltenen Betrags bei Deklaration).

2007 lieferte die Schweiz erstmals fast eine halbe Milliarde Franken Withholding Tax an die EU-Länder (Zinsbesteuerungs-Abkommen).

Nur wurde seitens der EU kritisiert, diese Summe sei viel zu gering, verglichen mit den Summen an Geldern, die “steuerhinterzogen/nicht deklariert” auf Schweizer Konten lägen.

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