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“Stimmen der Schweiz, die im Ausland erklingen”

Musik als Brückenbauerin: Micheline Calmy-Rey und Auslandschweizer in Genf. Keystone

Zum Abschluss des ASO-Kongresses in Genf hat Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey die Auslandschweizerinnen und –schweizer als "Brückenbauer zur Welt" begrüsst.

Kandidaten der Fünften Schweiz nutzten die Gelegenheit, ihre politischen Programme für die Nationalratswahlen vom Herbst zu präsentieren.

“Sie haben sich entschieden, im Ausland zu leben, sind aber dennoch Schweizerinnen und Schweizer geblieben”, richtete sich die Aussenministerin am Samstag an die Kongressteilnehmer in Genf.

Calmy-Rey unterstrich die Bedeutung der Fünften Schweiz als “Brückenbauer in sozialer, kultureller, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht”.

Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) hat Landsleute aus der ganzen Welt zu ihrem jährlichen Kongress nach Genf geladen. Die brennendsten Themen betrafen die Kürzung der Kredite für die Auslandschweizer-Schulen, die Schliessung von Konsulaten aus Spargründen und die politische Vertretung der Auslandschweizer im Parlament.

“Sprungbrett statt Sofa”

“Wir sind stolz auf unsere Diaspora”, sagte Micheline Calmy-Rey, “die Stimmen der Schweiz, die im Ausland erklingen, tragen zum konstruktiven Dialog bei.”

Die Bundespräsidentin sprach von Wurzeln, Heimat und einer weltoffenen Schweiz und mahnte: “Die Schweiz darf nicht zum heimeligen Ofenbänklein in der Welt werden. Die Heimat sollte als Sprungbrett dienen, nicht als Sofa.”

Kritik und Anregungen

Die von der ASO kritisierte Schliessung von zahlreichen Konsulaten im Ausland verteidigte Calmy-Rey mit der nötigen Reorganisation, um die Präsenz der Schweiz in Asien zu stärken.

Der in Dresden lebende Peter Kaul gab zu bedenken, dass man das grosse Knowhow der Auslandschweizer besser nutzen und mit der konsularischen Struktur vernetzen sollte.

Kritisiert wurde insbesondere die geringe Entschädigung von Honorarkonsuln, welche die Arbeit der geschlossenen Konsulate übernehmen müssten. Hier versprach Calmy-Rey ein Treffen mit der ASO, um die Probleme anzugehen.

Fünfte Schweiz will ins Parlament

645’000 Schweizer und Schweizerinnen leben im Ausland, das entspricht rund 10% der Bevölkerung. Seit Jahren fordern die Auslandschweizer deshalb eine Vertretung im Parlament.

Für die kommenden eidgenössischen Wahlen vom 21. Oktober stellt die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) am meisten Kandidaten, gefolgt von der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP), der Christlichdemokratischen Partei (CVP) und den Grünen.

Die Sozialdemokraten (SP) stellen zwar keine Kandidaten, fordern aber eine feste Vertretung der Fünften Schweiz, die wie ein 27. Kanton behandelt werden soll. In Genf präsentierten dieser Tage Kandidaten der SVP und der FDP ihre Programme.

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Fünfte Schweiz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Fünfte Schweiz bezeichnet die Gesamtheit der Schweizer Gemeinden im Ausland. Der Begriff Fünfte Schweiz nimmt Bezug auf die vier sprachregionalen Gemeinden der Schweiz (deutsch-, französisch-, italienisch- und romanischsprachige Schweiz). Über 600’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, der grösste Teil in Ländern der Europäischen Union. Ihre Interessen werden durch die Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertreten.

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Verpasste Chance

Für Erstaunen sorgte in Teilnehmerkreisen ein Faltprospekt der SVP, der den offiziellen Kongressunterlagen der ASO beilag. In der Broschüre mit dem Titel “Wie wähle ich richtig” erklärt ein SVP-Kandidat aus Südafrika den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern, wie man sich für die bevorstehenden Nationalratswahlen registriert und weshalb er persönlich die SVP unterstützt.

Auf Nachfrage von swissinfo erläuterte ein ASO-Vertreter, die SVP habe als einzige Partei von der statutarischen Möglichkeit Gebrauch gemacht, via Kongressunterlagen in Form der Broschüre bezahlte Werbung zu platzieren.

Am ASO-Kongress wurde allgemein bedauert, dass die übrigen Bundesratsparteien diese Chance nicht genutzt haben.

swissinfo, Susanne Schanda, Genf

Der 85. ASO-Kongress stand auch im Zeichen der humanitären Organisationen.

Die Teilnehmer besuchten den Palast der Vereinten Nationen in Genf, das IKRK-Museum, den Sitz des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) und den Sitz der Organisation Ärzte ohne Grenzen.

Am Kongress referierte der IKRK-Präsident Jakob Kellenberger und die Gründerin des privaten Hilfswerks “Maison Chance” in Vietnam, Tim Aline Rebaud.

An einem Podiumsgespräch unter der Leitung Roland Jeanneret von der Glückskette debattierten Walter Fust (DEZA), Isabelle Ségui-Bitz (Ärzte ohne Grenzen), Peter Brey (Terre des Hommes) und Hans Lunshof (UNHCR).

Kandidaten der Fünften Schweiz können am 21. Oktober zum vierten Mal an den eidgenössischen Wahlen teilnehmen.

Sie haben aber nur geringe Wahlchancen: Sie müssen in ihrem Heimatkanton kandidieren, sind den dortigen Stimmbürgern aber kaum bekannt.

Die Sozialdemokraten fordern deshalb eine feste Vertretung im Schweizer Parlament, auch 27. Kanton genannt.

Damit nimmt die SP einen Vorschlag des Berner Politologie-Professors Wolf Linder auf, der Kontingente von zwei Sitzen im Ständerat und bis zu zehn Sitzen im Nationalrat anregt.

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