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Vier Volksinitiativen abgelehnt -Graben zwischen Deutsch- und Welschschweiz

Geteilte Schweiz Swiss vote

Volk und Stände (Kantone) haben am Sonntag alle vier Volksinitiativen verworfen und das neue Bundespersonal-Gesetz angenommen. Bei vier von fünf Vorlagen tat sich der "Röstigraben" auf, gab es also grosse Unterschiede zwischen den Sprachregionen.

Auffallendstes Merkmal der Abstimmung: Die beiden AHV-Initiativen wurden in der Romandie und im Tessin mit Stimmenanteilen zwischen 50 und 70 Prozent angenommen. In der Deutschschweiz hingegen wurden die AHV-Initativen durchwegs abgelehnt. Auch die Umverteilungsinitiative der SP fand in den westschweizer Kantonen und im Tessin deutlich mehr Zustimmung. Einzig in den Kantonen Wallis und Freiburg wurde sie abgelehnt. Damit tut sich einmal mehr ein Graben auf zwischen der lateinischen und der deutschen Schweiz.

Politiker wiesen auf unterschiedliche Denkweisen vor allem im Bereich der Sozialpolitik hin. Entsprechende Vorlagen hätten es in der Westschweiz immer leichter. So hätten zum Beispiel Vorschläge, das Rentenalter heraufzusetzen, in der Westschweiz einen wahren Proteststurm ausgelöst.

Zustimmung für den Bundesrat

Bei einer Stimmbeteiligung von 41,2 Prozent folgte der Souverän der Empfehlung von Bundesrat und bürgerlichen Parteien. Die Umverteilungsinitiative der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz SP, die die Armeeausgaben innerhalb von zehn Jahren halbieren wollte, scheiterte mit 1’198’731 (62,4 Prozent) Nein gegen 722’797 (37,6 Prozent) Ja.

Das Nein war damit fast so deutlich wie im Falle der Armeeabschaffungsinitiative vor genau elf Jahren. Die vier Westschweizer Kantone Jura, Genf, Neuenburg und Waadt hiessen das Volksbegehren aber mehrheitlich gut.

Die beiden AHV-Renten-Initiativen für die vorzeitige Pensionierung ab 62 wurden ebenfalls verworfen, allerdings mit überraschend unterschiedlichen Resultaten. Die Rentenalter-Initiative des Kaufmännischen Verbands wurde mit 1’160’243 (60,6 Prozent) Nein gegen 755’697 (39,4 Prozent) Ja abgelehnt.

Knapper, nämlich 1’038’359 (54,0 Prozent) Nein gegen 885’808 (46,0 Prozent) Ja, war das Resultat zur Initiative der Grünen, die auch Teilzeitrenten ermöglichen wollte.

Einhellig war das Nein zur Spitalkosteninitiative des Discounters Denner, die mit 1’572’761 (82,0 Prozent) Nein gegen 344’513 (18,0 Prozent) Ja bachab geschickt wurde.

Das von Gewerkschaften mit Unterstützung der links-grünen Parteien bekämpfte Bundespersonalgesetz wurde mit 1’256’299(66,9 Prozent) Ja gegen 620’638 (33,1 Prozent) Nein angenommen.

Abweichendes Stimmverhalten auch beim Beamtengesetz

Ähnlich wie bei der Umverteilungsinitiative und den Rentenalter-Initiativen zeigte sich auch beim Beamtengesetz ein abweichendes Stimmverhalten der lateinischen Schweiz. Die Befürchtungen der Referendumsführer, wonach die Aufhebung des Beamtenstatus und die Einführung von Elementen des Leistungslohns zu Lohndrückerei und Sozialabbau führen könnten, wurden hier stärker geteilt als in der Deutschschweiz. Aber nur die Kantone Jura und Tessin stimmten mehrheitlich gegen das neue Personalrecht, das das Beamtengesetz von 1927 ablöst.

Am deutlichsten verworfen wurden die AHV-Initiativen in Appenzell Innerrhoden mit 73,4 bzw, 78,3 Prozent Nein. In städtischen Kantonen stiess die von Bundesrat, Parlamentsmehrheit und bürgerlichen Parteien als zu teuer bezeichnete Ruhestandsrente tendenziell auf mehr Sympathie als in den ländlichen.

Bei den zustimmenden Westschweizer Kantonen steht der Jura mit 70,6 bzw. 64,0 Prozent Ja an der Spitze vor Neuenburg, Genf und Waadt. Weniger deutlich fiel das doppelte Ja in Freiburg aus. Das Wallis lehnte die SKV-Initiative mit 57,0 Prozent ab, während es das grüne Begehren mit 51,6 Prozent guthiess.

Enttäuschte Barbara Häring

Die Präsidentin der Umverteilungs-Initiative, SP-Nationalrätin Barbara Haering, zeigte sich von der klaren Ablehnung des Volksbegehrens enttäuscht.

Viele Leute seien der Ansicht, das Militär könne nach wie vor zu ihrer Sicherheit beitragen, sagte Haering am Sonntag auf Anfrage. «Dies gilt es zu respektieren», auch wenn sie diese Haltung nicht teile.

Im Gegensatz zu früheren Armee-Abstimmungen sei zudem eine Polarisierung ausgeblieben. «Bei der Notwendigkeit einer sicherheitspolitischen Öffnung gaben uns die Gegner recht.»

Gegnerisches Komitee erfreut

Das gegnerische Komitee der Umverteilungsinitiative ist sehr erfreut über das zu erwartende klare Nein zur Halbierung der Armeeausgaben. Die Schweizerinnen und Schweizer seien den «verfänglichen Argumenten» nicht erlegen, sagte Komitee-Mitglied und FDP-Nationalrätin Maya Lalive d’Epinay (SZ) auf Anfrage. Eine klare Mehrheit stehe hinter der Landesverteidigung und einer vernünftigen Sicherheitspolitik.

Offiziere begrüssen klares Nein

Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) hat das eindeutige Nein zur Umverteilungsinitiative begrüsst. Damit sei nun klargestellt, dass die friedenspolitische und militärische Säule der Sicherheitspolitik nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften, heisst es in einer Mitteilung. Zudem sei mit dem Votum des Souveräns auch klar geworden, dass die Militärausgaben nicht einseitig beschnitten, sondern dem künftigen Leistungsprofil der
Armee und möglichen Gefahren angepasst werden sollen.

Bundesrat zufrieden

Der Bundesrat ist zufrieden mit dem Abstimmungsergebnis vom Wochenende. Das Volk habe einmal mehr Bundesrat und Parlament sein Vertrauen ausgesprochen, sagte Bundespräsident Adolf Ogi. Das Nein zur Umverteilungsinitiative nahm er mit Genugtuung zur Kenntnis.

Für Sozialministerin Dreifuss bedeutet die Ablehnung der AHV-Initiativen nicht ein Nein zu einem flexiblen Rentenalter. Erfreut zeigte sie sich zum Nein zur Spitalkosteninitiative. Und Finanzminister Villiger bekräftigte, dass der Bund auch mit dem neuen Personalgesetz ein sozialer Arbeitgeber bleiben werde.

swissinfo und Agenturen

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