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Wahlkampfthema Integration

Integration funktioniert für alle Parteien zuallererst über die Sprache. Fabian Biasio/pixsil

Im Kampf um die Wählergunst haben die vier Schweizer Regierungsparteien vor den Parlamentswahlen im Herbst 2007 ein Thema entdeckt: die Integrationspolitik.

Am Donnerstag treffen sich die Parteien zur Aussprache. swissinfo sprach mit den Parteipräsidenten. Ein Kompromiss der Mitte-Links-Parteien auf eine gemeinsame Stossrichtung ist möglich.

Die Fakten sind klar: Wer schlecht integriert ist, wird häufiger arbeitslos, gerät schneller in Armut, eher mit dem Gesetz in Konflikt und ist öfter auf Sozialhilfe angewiesen.

Besser integrierte Ausländerinnen und Ausländer sind daher im Interesse von Politik und Gesellschaft.

Das Thema ist derzeit auch bei den Regierungsparteien hoch im Kurs. Es ist denn auch Schwerpunkt bei den vierteljährlichen Gesprächen der Parteispitzen am 16. November in Bern.

Alle vier Bundesratsparteien haben in diesem Jahr ein Papier zur Integrationspolitik vorgestellt, zuletzt vor einer Woche die Sozialdemokratische Partei (SP).

Ausländergesetz umsetzen

Die Partei setzt im Papier “Integrationsoffensive jetzt!” auf die “Integrations-Vereinbarung” im Ausländergesetz, dem das Schweizer Stimmvolk am 24. September zugestimmt hat. Zugewanderte sollen sich verpflichten, die Sprache zu erlernen und sich über Gesetze und Grundwerte der Schweiz zu informieren.

“Im neuen Ausländergesetz gibt es zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz Integrationsartikel, auf die man eine landesweite Integrationspolitik abstützen kann”, sagt SP-Präsident Hans-Jürg Fehr gegenüber swissinfo. “Wir sind der Auffassung, dass man dies so schnell wie möglich in die Praxis umsetzen muss.”

Auch Bevölkerung gefordert

“Integration macht die Schweiz erfolgreich”, nennt die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) ihre Vision. Die Partei setzt, ähnlich wie die SP, auf das Rezept “Fördern und Fordern”. Wer etwas will, von dem kann auch etwas verlangt werden.

Integration sei nur zusammen mit der Bevölkerung zu erreichen, sagt FDP-Präsident Fulvio Pelli. “Es braucht nicht nur die Bereitschaft von den Ausländern zur Integration, sondern auch die Ansässigen müssen etwas geben.” Denn bei der Integration gehe es um das gute Zusammenleben der gesamten Gesellschaft.

Mehr Wille gefragt

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) nennt ihr Positionspapier “Religionsfreiheit und Integration”. Sie fokussiert sich dabei auf die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz. “Wir haben unser Muslimpapier als erste verfasst. Und das hat die anderen Parteien dazu gebracht, auch ein Integrationspapier zu machen”, erklärt CVP-Präsident Christophe Darbellay.

Auch er pocht auf die Umsetzung des Ausländergesetzes. “Bei der Umsetzung fehlt es etwas am Willen. Die Leute, die immer über die Integration sprechen, sind dagegen, wenn es um die Finanzierung geht.” 14 Millionen Franken sind dafür im Bundesbudget vorgesehen. Zu wenig, finden manche.

Regeln für alle

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) spricht in ihrem Positionspapier Klartext: “Unsere Regeln gelten für alle”. Wer in der Schweiz Gast sei, habe sich selber um die Integration zu bemühen. “Kernpunkt ist sicher die Sprache, die eigentlich die Grundlage bildet, um sich auch in der Gesellschaft zu bewegen und wohl zu fühlen”, sagt SVP-Präsident Ueli Maurer.

Die SVP hatte während Jahren in der Ausländerpolitik die Themenführerschaft inne. Er habe nichts dagegen, dass die anderen Parteien im Wahlkampf aufzuholen versuchten. “Sie haben zweifellos gemerkt, dass sie hier etwas Wesentliches verpasst haben. Es ist wichtig, wenn sie jetzt auch die Probleme erkennen.”

Spitzengespräche

Bei den Gesprächen vom Donnerstag in Bern ist das Szenario eines Mitte-Links-Bündnisses wohl am realistischsten.

“Die allgemeine Zielrichtung ist sicher die Gleiche”, schätzt Maurer im Gespräch. “Die Mittel dazu werden unterschiedlich sein. Wir haben eigentlich die Instrumente; es braucht den Willen beider Seiten, diese auch zu nutzen.”

Darbellay kritisiert hingegen die SVP, sie wolle sich über die Integration nur profilieren und biete zu keinen Lösungen Hand. “Es gibt im Moment drei Bundesratsparteien, die willig sind, Lösungen zu finden.” Er sieht die Möglichkeit einer Kooperation “wahrscheinlich mit FDP und SP”.

Auch Pelli zeigt sich aufgeschlossen: “Mehrere Parteien glauben, Integration sei die Lösung von vielen Problemen der Zukunft. Mit diesen Parteien wird es einfacher.” Doch er möchte vor den Gesprächen keine Beurteilung abgeben.

Fehr geht zuversichtlich nach Bern. Es gebe ein relativ hohes Mass an Übereinstimmung zur FDP. “Das halte ich politisch für sehr positiv. Wir brauchen Mehrheiten in Bundesbern für eine Integrationspolitik. Und diese wird es nur in einem Mitte-Links-Bündnis geben.”

swissinfo, Christian Raaflaub

Am 24. September hat das Schweizer Stimmvolk mit 68% Ja das neue Ausländergesetz angenommen.

Dieses sieht unter anderem vor, die Situation der rechtmässig und dauerhaft anwesenden Ausländerinnen und Ausländer zu verbessern, indem die Anstrengungen für die Integration verstärkt werden. Auch die Ausländerinnen und Ausländer sollen ihren Teil dazu beitragen.

Im Verlauf des Jahres haben alle vier Regierungsparteien ein Konzept für die Integrationspolitik der Schweiz verabschiedet oder vorgeschlagen. Einig ist man sich soweit, dass die Sprache ein wichtiger Faktor ist.

Als Regierungs- oder Bundesratsparteien versteht man in der Schweiz jene Parteien, die mindestens mit einem Sitz in der Landesregierung (Bundesrat) vertreten sind.

Seit 1959 sind es die folgenden vier: Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), Schweizerische Volkspartei (SVP) und Sozialdemokratische Partei (SP).

Bis 2003 waren alle Parteien ausser der SVP mit zwei Personen im Bundesrat vertreten (Zauberformel). Dann wurde die Zusammensetzung aufgrund der veränderten Wählerstärke abgeändert: Die CVP verlor zu Gunsten der zur stärksten politischen Kraft gewordenen SVP einen Sitz.

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