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Negativzinsen machen Wohneigentum in der Schweiz unerschwinglich

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Der Traum vom Eigenheim rückt für viele Schweizerinnen und Schweizer in weite Ferne. © Keystone / Gaetan Bally

Negativzinsen machen gemäss einer Studie der Grossbank Credit Suisse Wohneigentum in der Schweiz knapp und unerschwinglich. Das Coronavirus verschärft die Situation, weil die Pandemie die Zentralbanken zu weiteren Zinssenkungen verleitet.

Die Phase der Negativzinsen dauert länger als gedacht. Die Zentralbanken lassen laut Credit Suisse keinerlei Absicht erkennen, von ihrer Geldpolitik abzurücken. Im Gegenteil: Die US-Notenbank hat wegen der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus gestern ihren Leitzins überraschend um einen halben Prozentpunkt gesenkt.

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Das erhöht den Druck auf die Schweizer Nationalbank, ebenfalls den Zins zu senken. Durch die Zinssenkungen anderer Zentralbanken wird nämlich der Franken aufgewertet, was die Schweizer Exportwirtschaft belastet. Doch die Zinsen sind bereits rekordtief, der Spielraum der Nationalbank für weitere Zinssenkungen ist daher nach Ansicht einiger Experten beschränkt.

Für den Immobilienmarkt haben die Negativzinsen einschneidende Konsequenzen. Gemäss einer Studie der Credit Suisse, die am Mittwoch publiziert wurde, werden die Immobilienpreise in der Schweiz weiter steigen.

Die Investoren stehen unter Anlagedruck: Obligationen sind nicht mehr interessant, Aktien zu riskant und auf Sparkonten muss man Negativzinsen zahlen. Also flüchten sie in Immobilien.

Verknappung bei Wohneigentum

“Für den Durchschnittshaushalt ist Wohneigentum derzeit unerschwinglich”, schreibt die Credit Suisse in einer Mitteilung. Schweizerinnen und Schweizer müssen für den Kauf einer 4,5-Zimmer-Eigentumswohnung im Schnitt mehr als fünf Jahreseinkommen hinblättern. In Zentrumslagen sind es mehr als zehn. Allerdings ist es in London noch teurer, dort müssen 14 bis 16 Jahreseinkommen angespart werden.

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Kai Reusser / swissinfo.ch

“Die Negativzinsen machen Wohneigentum wider Erwarten knapp”, schreibt die Bank in einer Mitteilung. Für Immobilienentwickler ist nämlich der Bau von Mietwohnungen zurzeit einfacher und lukrativer, da Investoren wegen der Negativzinsen für den Kauf solcher Immobilien Schlange stehen. Es werden deshalb zu wenige Eigenheime gebaut, weshalb die Eigentumspreise laut Credit Suisse 2020 erneut steigen werden.

Bei den Mietwohnungen hingegen werden die Leerstände laut Credit Suisse weiter steigen und die Angebotsmieten in der Folge sinken. Denn weder durch Zuwanderung noch von der Konjunktur sei im laufenden Jahr eine wachsende Nachfrage zu erwarten.

“Die höchsten Leerstände verzeichnen interessanterweise weder die alten noch die brandneuen Wohnungen”, schreibt die Grossbank, “sondern die nicht mehr ganz taufrischen”. Es handle sich dabei um teure Mietwohnungen im Alter von drei bis sechs Jahren, bei denen die Erstmieter ausgezogen seien.

+ Lesen Sie, warum in der Schweizer Peripherie Wohnungen leer stehen.

Überhitzter Immobilienmarkt

Das Wort “Blase” benutzt die Bank im Bericht zwar nicht, sie spricht bei der Präsentation der Ergebnisse aber von “steigenden Risiken”, einer zunehmenden Fallhöhe und Überbewertungen.

Spekulative Tendenzen kann die Credit Suisse keine feststellen. Grund für die Überhitzung seien einzig die Negativzinsen. Die Risiken lägen noch in weiter Ferne, denn es sei damit zu rechnen, dass die Zentralbanken ihre Geldpolitik einige Jahre so weiterführten. Die Spätfolgen dieser Politik seien erst dann zu spüren, wenn die Zinsen sich normalisierten.

Ein Volk von Pendlern

Weil Wohnraum in den urbanen Zentren teuer ist, liegen Wohn- und Arbeitsort von Schweizerinnen und Schweizern immer weiter auseinander. Auch die Pendelströme sind gewissermassen auf das Negativzinsumfeld zurückzuführen: Weil Investoren immer stärker auf Immobilien an guter Lage fokussieren, verstärkt sich laut Credit Suisse das Preisgefälle zum Umland.

Inzwischen gibt es in der Schweiz mehr als drei Millionen Pendlerinnen und Pendler. Pro Weg sind diese im Durchschnitt über eine halbe Stunde unterwegs. Die Schweiz bewegt sich damit im Vergleich zu anderen Ländern im Mittelfeld.

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