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DNA-Analyse im Visier des Datenschutzes

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Seit dem 1. Juli 2000 unterhält die Schweiz zu kriminologischen Zwecken eine zentrale DNA-Datenbank. Der Bundesrat hat einen Gesetzesentwurf präsentiert, damit dieser Versuch zu einer dauernden Einrichtung wird. Die Datenschützer setzen Fragezeichen.

1994 wurde in der Schweiz erstmals eine Person auf der Basis von DNA-Analysen verurteilt. Seither bilden genetische Profile für Ermittler ein wichtiges Ermittlungs-Instrument. Dank DNA-Tests können Verbrecher besser überführt werden, lassen diese doch zumeist am Tatort irgendeine entlarvende Spur (Haare, Blut oder Sperma) zurück.

Um via DNA-Analysen zu ermitteln, benötigt die Polizei Zugriff auf ein Archiv genetischer Profile. Diese werden mit den am Tatort sichergestellten DNA-Spuren verglichen. Mehrere Länder – unter ihnen die USA, Grossbritannien und Österreich – betreiben unlängst Datenbanken mit den genetischen Codes von Kriminellen und Verdächtigen. Die Schweiz verfügt seit ziemlich genau einem Jahr über eine derartige Datenbank.

Begeistert von der Schweizer Datenbank ist Martin Keller, Mitglied des Generalsekretariats des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und Leiter des Projekts DNA-Datenbank: “Mittels DNA-Anlaysen können wird Delikte eindeutig besser aufklären. Ende Mai überführten wir auf diese Weise 79 Einbrecher.”

Provisorium

Bei der derzeitigen Datenbank handelt es sich lediglich um ein vom Bundesrat im Mai 2000 via Anordnung initiiertes Versuchs-Projekt, das bis zum Jahr 2004 limitiert ist. Das EJPD hofft, dass vor Ablauf der Versuchsphase die Gesetzes-Grundlage für eine definitive Datenbank geschaffen wird. Zu diesem Zweck lancierte der Bundesrat im vergangenen November eine entsprechende Gesetzes-Vorlage, die noch in diesem Jahr im Parlament diskutiert werden dürfte.

Das Gesetz hat jedoch die Datenschutz-Beauftragen bei Bund und Kantonen auf den Plan gerufen. Im Zentrum der Kritik steht der Umstand, dass das Gesetz nicht in die Vernehmlassung geschickt wurde. Zu den schärfsten Kritikern gehört der Berner Datenschutz-Beauftragte Markus Siegenthaler, der bereits im Mai anprangerte, dass die Frage der DNA-Datenbanken niemals öffentlich diskutiert worden sei: “In einer direkten Demokratie sollte die Diskussion dieser Frage möglich sein – auch wenn sie komplex ist.”

Für diese Empörung wenig Verständnis zeigt Martin Keller vom EJPD. Gegenüber swissinfo sagte Keller, bereits 1999 – bei der Diskussion über ein Gesetz, welches die die genetische Untersuchung des Menschen regelte – habe es eine entsprechende Vernehmlassung gegeben. Aus dieser sei hervorgegangen, unter welchen Bedingungen DNA-Analysen in Strafverfahren angewendet werden dürften.

Verletzung der Persönlichkeits-Rechte?

Am vergangenen Freitag (29.06.) schaltete sich auch der Eidgenössische Datenschützer Odilo Guntern in die Diskussion ein. Wie Siegenthaler kritisierte auch er das Fehlen des Vernehmlassungs-Verfahrens und wies überdies auf die Gefahren hin, welche von DNA-Datenbanken ausgehen könnten: “Es ist nicht ausgeschlossen”, schreibt Guntern, “dass in naher Zukunft Informationen über die genetische Prädisposition oder den Gesundheitszustand einer Person abgefragt werden können.”

Martin Keller erachtet derartige Befürchtungen als völlig unbegründet: “Rechtswidrige Analysen des Erbguts sind ausgeschlossen.” Wenig anfangen kann Keller überdies mit dem von Guntern eingebrachten Vorwurf, dass im Gesetzes-Vorschlag ein Katalog derjenigen Verbrechen fehle, bei denen überhaupt auf die Datenbank zurückgegriffen werden darf. Keller gegenüber swissinfo: “Die DNA-Profilanalyse sollte bei jeder erkennungsdienstlichen Behandlung – also bei etwa jeder zehnten Straftat – zum Einsatz kommen. Es gibt nämlich keine sogenannten ‘Kleindelikte’, bei denen sich die neue Methode nicht lohnen würde. Auch wenn ein einzelner Einbruch aufs Ganze gesehen vielleicht nicht von grossem Belang ist, bedeutet er doch für die Betroffenen allemal eine Katastrophe.”

Sind also die von Seiten des Datenschutzes eingebrachten kritischen Einwände allesamt null und nichtig? Das will Martin Keller dann auch wieder nicht gesagt haben: “Die Einwände sind sehr ernst zu nehmen. Wir sind gefordert, die Vorschriften korrekt anzuwenden.”

Andrea Tognina und Felix Münger

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