
Appenzeller Zeitgeist in der Flasche

Gabriela Manser bringt den Zeitgeist zum Sprudeln: Mit Mineral- und Trendwässerchen löscht sie den Durst weit über ihre Stammregion hinaus.
Dafür hat die Kleinunternehmerin den Prix Veuve Clicquot 2005 erhalten. In ihrer «Zauberküche» pröbelt sie nach weiteren «Aromen-Bouquets» für ihr Wasser.
Hügelige Agrarlandschaft, stillgelegte alte Fabriken, in die Jahre gekommene Bauernhöfe, Bäderkomplexe aus besseren Zeiten: Vom sanktgallischen Gossau in Richtung Appenzell zieht die rote Schmalspurbahn ihre Kurven. Nichts in dieser auf Stillstand und Bundessubventionen deutenden Beschaulichkeit weist auf Dynamik und Zeitgeist hin.
Halt nur auf Verlangen
Und doch: In Gontenbad – Halt nur auf Verlangen – sticht einem das blaue, runde Markenzeichen «Goba», Mineralquelle Gontenbad AG, ins Auge. Zwar riecht es in der Luft nach Landwirtschaft und Stall. Doch der Lärm der modernen Mineralwasser-Abfüllstrasse kontrastiert angenehm mit der Ruhe, die einerseits die Sonntags-Wanderer anzieht, andererseits die junge Generation zum Abwandern drängt.
In Gontenbad, drei Zugminuten vom Hauptort Appenzell entfernt, werden klassische Mineralwasser abgefüllt. Aber auch die Trendgetränke für die zeitgeistige Schweizer Gastroszene, «Flauder» und «Wonder», werden dort hergestellt – «und kreiert», wie «Goba»-Geschäftsleiterin Gabriela Manser gegenüber swissinfo betont.
Die Unternehmerin erhielt kürzlich den Prix Veuve Clicquot für das Jahr 2005. Mit der bekannten französischen Geschäftsfrau, die Anfang des 19. Jahrhunderts als Witwe das Champagner-Familienunternehmen ihres Mannes ausbaute, teilt Gabriela Manser die Branche, Ursprung und Erfolg.
Wie Madame Clicquot wirtschaftet Frau Manser, 43, in der Getränkebranche. Und auch in Gontenbad handelt es sich um einen Familienbetrieb, den Gabriela Manser 1999 von ihrem Vater übernahm.
Und wie bei Madame Clicquot stellte sich auch bei der «Goba», der kleinsten Mineralquelle der Schweiz, Erfolg ein: Innerhalb von 5 Jahren eine Verdoppelung der Produktion, rund 10’000 statt wie früher 4000 abgefüllte Flaschen pro Stunde.
Produkte-Entwicklung als Chefsache
«Ich erachte es als eine meiner Stärken, dass ich die Produkte-Entwicklung selbst vorantreibe», sagt Gabriela Manser. «Wir haben hier weder ein Labor noch tausend Ingredienzen zur Verfügung. Ich kann aber in St. Gallen auf dem Markt Ingwer oder Rosenwasser kaufen und hier testen. Darüber hinaus brauche ich jedoch Hilfe.»
Diese erhält sie aus den Labors von Fruchtsaft-Lieferanten. «Da kommt es jeweils bei einem neuen Wässerchen zu Dutzenden von Durchgängen, während denen immer wieder probiert und verändert wird», so Manser. «Es braucht rund zwei Jahre, bis ein neues Getränk marktreif ist.»
Wie lässt es sich im abgelegenen Gontenbad nach dem jeweils vorherrschenden Zeitgeist forschen? Erstens, so Manser, gibt es die Trendforscher und die Medien. Und zweitens findet sie offenbar «in der modernen Kunst gute Indizien, um zu erspüren, wohin die Richtung geht».
«Ich empfinde mich dann als eine Art Instrument, um diese Indizien in Softdrinks umzusetzen.» Farbe, Name, Etikette und der geschmackliche Bezug zu den jeweils vorherrschenden Gastro-Trends seien weitere Schlüsselkriterien.
Die Produkte-Entwicklung liegt bei Mansers offenbar in der Familie. Gabrielas Grossvater, der in den 1930er-Jahren das Unternehmen gründete, betrieb schon eine «Zauberküche», wo er Alpstein-Bitter und –Liköre herstellte. Diese verkaufte er im Winter, weil damals in der kalten Jahreszeit niemand Mineralwasser wollte. Heute steuern die Spirituosen nur noch 3% zum Umsatz bei.
Es sprudelt immer weniger
Auch beim normalen Mineralwasser manifestiert sich der Zeitgeist: Manser sieht einen mittelfristigen Trend zur Veränderung. Seit längerem hat sie ihr neutrales Wasser in «laut» (viel Kohlensäure), «leise» (moderat Kohlensäure) und «still» abgestuft.
Doch das stark mit Kohlensäure versetzte Sprudelwasser sprudelt immer weniger. «Wie in Frankreich und der Westschweiz seit jeher üblich, wird heute auch in der Deutschschweiz im Restaurant immer weniger kohlesäurehaltiges Wasser getrunken», sagt Manser.
Bei ihren süsslichen Trend-Wässerchen darf sie jedoch auf eine gewisse Dosis Kohlensäure nicht verzichten. «Wenn das Wasser für einen Drink gebraucht wird, geht es kaum ohne Sprudel.»
Bittere Limonen – über die Region hinaus?
Womit die mit dem Clicquot-Preis ausgezeichnete Nischenproduzentin gewisse regionale Synergien andeutet: Eines ihrer Trend-Wässerchen soll geschmacklich sehr geeignet sein, den berühmten Appenzeller Bitter zu strecken. Und ein Alpenkräuter-Getränk soll noch auf die Lancierung warten.
Der Betrieb, der jährlich über 6,7 Millionen Flaschen abfüllt, vermag jedoch allein nicht über die Region hinaus zu agieren. «Einer der Gründe, weshalb so viele Mineralquellen in den letzten Jahren in ausländischen Besitz gingen, liegt im teuren Vertriebsnetz», sagt Manser. Und wenn die Mineralquellen im Ausland Fuss fassen möchten, sei es von Vorteil, bestehende Vertriebsnetze von Grossunternehmen zu nutzen, zum Beispiel von Brauereien oder eben von Coca Cola.
In der Stammregion verfügt die «Goba» über ein eigenes derartiges Netz. Doch was darüber hinaus geht, läuft über das Vertriebsnetz des Partners Thurella, des grössten Schweizer Produzenten von Apfelwein im Thurgau. «So kann ich bis in die Westschweiz und ins Tessin liefern», so Manser.
Damit würde das Softdrink-Angebot in der Gastronomie mit heimischen «Labels» angenehm verbreitert – als Alternative zum globalen Einheitsbrei zwischen Coca Cola und Ice Tea. Doch zumindest im Tessin bleibt die einheimische Konkurrenz nicht untätig: Die dortige «Gazosa» ist auch schon bis weit in die Deutschschweiz hinein erhältlich.
swissinfo, Alexander Künzle, Appenzell
Gabriela Manser, Geschäftsführerin und Haupt-Aktionärin der Appenzeller Mineralquelle Gontenbad («Goba»), erhielt kürzlich den Prix Veuve Clicquot 2005 als «Unternehmerin des Jahres».
2005 haben insgesamt 27 Unternehmerinnnen ihre Bewerbung eingereicht.
2003 erhielt Graziella Zanoletti, Genf, den Preis des Champagner-Hauses. In der Schweiz wird der Prix alle zwei Jahre vergeben, erstmals 1985.
Seit 1972 werden weltweit engagierte Geschäftsfrauen für ihren unternehmerischen Elan, ihre Risikobereitschaft und ihre herausragenden Leistungen mit dem Prix Clicquot geehrt.
Das Wasser der Mineralquelle Gontenbad, «Goba», sickert während mindestens 25 Jahren durch verschiedene Gesteinsschichten des Alpsteinmassivs im Appenzellerland.
Es ist immer 8 Grad Celsius kalt und nitratfrei, wenn es aus der Quelle sprudelt.
In der Schweiz teilen sich insgesamt 16 Mineralquellen und immer mehr auch ausländische Mineralwasser den gleichgrossen Markt.
Die «Goba» hat ihren Produktionsumsatz in den letzten Jahren verdreifachen können.
Die Anzahl Beschäftiger stieg von 10 auf 21.
Im Nischenmarkt der «Trendwasser» möchte die «Goba» ihren Absatz weiter forcieren.

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