Auf dem Wasser von Locarno bis Venedig

Zwei Dutzend Männer und Frauen auf 5 Motorbooten verwirklichen einen alten Traum: Sie schippern auf dem Wasserweg von Locarno nach Venedig.
Die Reise ist Teil einer Kampagne für die Wiederherstellung einer durchgehenden Schiffsverbindung zwischen dem Lago Maggiore und der Lagunenstadt.
Eine ganze Woche dauert die Fahrt via Lago Maggiore, Fluss Tessin, das Kanalsystem von Mailand und Po. Stationen sind Luino, Sesto Calende, Mailand, Pavia, Cremona, Ferrara und schliesslich Venedig. Die Tour findet Ende dieser Woche, am 9. Mai, mit einem Galaabend in der Lagunenstadt ihren krönenden Höhepunkt.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehören fast ausschliesslich der venezianischen Motorbootvereinigung (Associazione Motonautica Venezia) an. Leider war ihnen bei der Abfahrt in Locarno am vergangenen Freitag das Wetter wenig hold: Es regnete in Strömen.
Umso herzlicher waren hingegen Aufenthalt und Verabschiedung der Crew im Schweizer Teil des Lago Maggiore: Locarnos Gemeindepräsident Marco Balerna erklärte, durch die Reise rücke der alte Traum von der Wiederherstellung der Wasserstrasse zwischen Locarno und Venedig ein Stück näher.
Beispiel von sanftem Tourismus
Die verwendeten Boote sind mit gasbetriebenen, emissionsarmen Mercury-Motoren ausgestattet. Damit wollen die Organisatoren unterstreichen, dass die Nutzung der alten Wasserstrasse zu touristischen Zwecken auf umweltbewusste Weise erfolgen soll. Auf dem Langensee wurden sie von einem Hausboot begleitet.
Allerdings sind die eher leichten Boote auch eine schlichte Notwendigkeit. Denn die existierende Wasserstrasse ist in Italien in vielen Teilen (noch) nicht schiffbar. Stillgelegte Schleusen oder Brücken versperren die Durchfahrt. Bei Pavia gibt es praktisch kein Durchkommen. Die Boote müssen dort aus dem Wasser gezogen und auf die Anhänger der Begleitfahrzeuge verladen werden.
«Wir schätzen, dass wir insgesamt 15 Kilometer auf der Strasse zurücklegen müssen», meint Giampaolo Montavoci, Präsident des Motorbootvereins aus Venedig. Er ist für die technischen Aspekte der Expedition verantwortlich und hat alle Hindernisse auf dem Wasserweg fein säuberlich ausgelotet. Im Vergleich zur gesamten Wegstrecke von 550 Kilometer sind 15 Kilometer seiner Meinung nach nicht viel.
Zunehmende Unterstützung
Glücklich über die Tour ist Empio Malara, Vizepräsident des Vereins Amici dei Navigli (Freunde der Kanäle) in Mailand, der sich seit Jahren unermüdlich für eine Wiederherstellung des alten Kanalsystems rund um die lombardische Hauptstadt einsetzt. «Im Jahr 2005 werden wir die Tour wiederholen und dann feststellen, was sich bereits verbessert hat», sagte er gegenüber swissinfo.
Nebst vieler Sympathie-Bekundungen erhielten die Amici dei Navigli in jüngster Zeit zunehmend Unterstützung von Behördenseite. Die Region Lombardei gab dem Politechnikum von Mailand eine Studie zur Instandsetzung des gesamten Kanalsystems in der Lombardei in Auftrag, darunter die Verwirklichung der Wasserstrasse Mailand – Locarno. Zudem liess sie alle Kanäle reinigen.
Förderung via Interreg
Der Kanton Tessin und die Regionen Lombardei und Piemont einigten sich zudem darauf, für die Instandsetzung der ersten 11 Kilometer südlich des Stauwehrs Miorina bei Sesto Calende eine Förderung im Rahmen des EU-Interreg-Projekt III A (Tourismus) zu beantragen. Der Antrag wurde bewilligt.
Die Schweiz hat aus diesem Interreg-Kredit 100’000 Franken erhalten. Mit diesem Geld wurde vom Institut für Tourismus-Management in Bellinzona eine Studie erstellt, die das touristische Potential der Wasserstrasse Locarno-Mailand abklopfte.
7000 Touristen pro Saison
Gemäss den Ergebnissen dieser vor wenigen Wochen vorgestellten Studie könnte ein sanfter Tourismus zwischen Locarno und Mailand dank einer durchgehenden Schiffsverbindung rund 7000 Personen pro Saison anziehen. Der ökonomische Gewinn wird auf 600’000 Euro (knapp 1 Mio Franken) geschätzt.
Die Wasserstrasse könnte für Gruppen, aber auch für Individualreisende mit Hausbooten interessant sein, wie sie in Frankreich oder Holland schon gang und gäbe sind. Sowohl Mailand als auch Locarno und der Schweizer Teil versprechen sich somit ein zusätzliches touristisches Angebot.
swissinfo, Gerhard Lob, Locarno
Locarno-Venedig via Lago Maggiore, Sesto Calende, Mailand, Pavia: 550 km.
Bereits für Schiffe zugänglich: zirka 70 Prozent.
Im Mittelalter wurde der Marmor für den Mailänder Dom per Schiff vom Lago Maggiore in die lombardische Hauptstadt gebracht. Doch das Mailänder Kanalsystem ist inzwischen stillgelegt oder nur teilweise nutzbar.
Jetzt sollen die alten Kanäle wieder flott gemacht werden für einen sanften Tourismus. Einzelne Initiativen wie ein Solarzellen-betriebener Bootsverkehr zwischen Mailands Darsena und Gaggiano sind schon mit Erfolg umgesetzt worden.
Doch unerfüllt bleibt noch der alte Traum, von Locarno bis nach Venedig wieder auf dem Wasserweg fahren zu können. Dieses Vorhaben wird auch von Schweizer Seite unterstützt.
Diese Woche setzt eine Crew aus Venedig mit fünf Motorbooten den alten Traum bereits in die Tat um. Der Start war in Locarno. Am Freitag treffen sie in der Lagunenstadt ein.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch