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Aufstieg und Fall der Bon appétit Gruppe

Mit der Übernahme durch die deutsche Rewe-Gruppe gerät die Bon appétit Group erstmals in ihrer fast 100-jährigen Geschichte in ausländische Hände.

Die Finanzkraft der Gruppe war in den vergangenen Jahren durch eine Reihe von Fehlakquisitionen geschwächt worden.

In der heutigen Form existiert die Bon appétit Group erst seit 1999, als die Bon appétit Holding mit der Usego Hofer Curti AG fusionierte.

Die Anfänge des Unternehmens reichen aber bis ins Jahr 1907 zurück. Damals gründete Gotthold Brandenberger in Luzern die später in Usego unbenannte Zentralschweizerische Einkaufsgesellschaft Union.

Mit vereinter Kraft

Von Brandenberger stammt auch das Sprichwort “Vereinter Kraft wohl gelingt, was einer selbst nicht fertig bringt.”

Bis zum Verkauf an die Rewe-Gruppe zieht sich dieser Satz wie ein Leitmotiv durch die Firmengeschichte. Mehrheitsaktionär Beat Curti stieg 1990 bei der inzwischen um die Waro AG vergrösserten Usego ein und brachte die Mon-Amigo- und Familia-Läden mit in die Ehe.

Curtis Einstieg beendete einen jahrelangen, erbitterten Übernahmeversuch durch Denner-Chef Karl Schweri, der nur mit juristischen Tricks abgewehrt werden konnte.

Stetiger Ausbau

Zusammen mit Schweri wollte Curti die Usego-Gruppe zur vielbeschworenen dritten Kraft im Schweizer Detailhandel ausbauen.

Vier Jahre später wurde das Vorhaben abgeblasen: Schweri erhielt die heute zu Coop gehörende Waro, Curti blieb alleiniger Grossaktionär und verleibte der neuen Usego Hofer Curti AG (UHC) wenig später auch seine Pick Pay AG ein.

1999 folgte der nächste Coup: Die UHC wurde mit der im Grosshandel tätigen Bon appétit Holding zur Bon appétit Group fusioniert.

Bon appétit entsteht

Der Umsatz stieg durch die Fusion auf mehr als 3 Mrd. Franken, Curti hatte sein Ziel der dritten Kraft ohne Schweris Hilfe erreicht.

Die Bon appétit war 1965 von Curtis Verwandtem Hans-Edi Curti zusammen mit Geschäftspartnern als Cash&Carry Prodega gegründet worden und avancierte Mitte der 80er Jahre zum Marktleader im Schweizer Gastronomie-Grosshandel. 1986 ging die Prodega an die Börse, später stiessen die Growa AG und die Howeg dazu.

Expansion ins Ausland

Mit dem Erwerb der französischen Ewoco folgte 1994 der Schritt ins Ausland. Nach der Fusion setzte Beat Curti den Expansionskurs fort. Im Zuge der Internet-Euphorie kaufte sich die Bon appétit Group in die Online-Plattformen LeShop und net-tissimo.com ein.

Im Jahr 2000 wurden das Westschweizer Unternehmen Magro geschluckt und die Schweizer Lizenz an der US-Kaffeehauskette Starbucks erworben.

Der Aktienkurs stieg auf die Rekordmarke von 275 Franken, der Jahresgewinn betrug 50 Mio. Franken.

Der Abstieg

Die Negativseiten der Expansion zeigten sich schliesslich im Jahr 2002. LeShop blieb weit hinter den Umsatzzielen zurück, der Starbucks-Aufbau überforderte die Finanzkraft des Konzerns, wie Curti später eingestehen musste.

Ende Jahr zieht der neue Konzernchef Alain Caparros die Notbremse: LeShop und die Starbucks-Lizenz werden verkauft, 300 Stellen gestrichen. Sonderbelastungen von 95 Mio. Franken schlagen sich in einem Verlust von 65 Mio. nieder.

Curti kehrt Anfang März 2003 ins Verwaltungsrats-Präsidium zurück und leitet den Verkauf ein. Die Publikumsaktionäre erhalten gemäss Rewe-Angebot noch 60,80 Franken für ihre Aktien. Das ist weniger als die Papiere der alten Prodega vor der Fusion wert waren.

swissinfo und Agenturen

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