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Der Kunde muss König werden

Die Schweizer Hotellerie muss vermehrt die Kundenwünsche berücksichtigen. Keystone

Die Schweizer Hotelbranche wird umdenken müssen, will sie nicht tiefer in die Krise rutschen.

Die Hotels haben besser auf die Kundenwünsche einzugehen. Auch eine vertiefte Zusammenarbeit untereinander und mit Partnern ist nötig.

Der Schweizer Tourismus sorgt sich um die leidende Hotellerie, das Rückgrat des Fremdenverkehrs. Die Beherbergungs-Branche wird umdenken müssen, wenn sie nicht noch tiefer in die Krise rutschen will.

Hotels werden nach Ansicht von Fachleuten in Zukunft besser auf die Ansprüche der Kundschaft eingehen und sich neue Wege der Zusammenarbeit überlegen müssen.

Schlecht angepasste Angebote, eisiger Empfang der Gäste, Überkapazität: So lauten die am meisten gehörten Vorwürfe an die Adresse der Hotellerie in der Schweiz.

Experten gehen davon aus, dass die Zahl der gegenwärtig 5700 Hotelbetriebe in der Schweiz in den nächsten Jahren um etwa 1000 sinken wird.

Der Schweizer Tourismus-Verband schreibt in seinem neuesten Jahresbericht von Ende Juli, dass die Anzahl der gastgewerblichen Hotels im letzten Jahr bereits um 100, die Anzahl der Restaurants um 1000 zurückgegangen sei. Der Strukturwandel läuft also schon.

Hotelbetriebe und Hotelbetten

Die Schweiz, die rund 260’000 Hotelbetten anbietet und im letzten Jahr 66 Mio. Hotel-Übernachtungen (Logiernächte) registrierte, kämpft vorab mit strukturellen Problemen.

“Es gibt zuviele kleingewerblich organisierte Einzelkämpfer, wie sie damals, beim Hotelboom vor 150 Jahren, gefragt waren”, sagte Jürg Schmid, Direktor von Schweiz Tourismus, jüngst in einem Interview mit dem Zürcher “Tages Anzeiger”.

Schmid hielt gleichzeitig fest, dass das absehbare Verschwinden von etwa 1000 Hotelbetrieben nicht heissen wolle, dass parallel dazu die Zahl der Hotelbetten proportional sinken werde. Es werde zwar weniger Hotels geben, aber mit mehr Betten pro Betrieb.

Zuwenig Zimmer, zuwenig Kapital

Etwa zwei Drittel der Schweizer Hotels verfügen nur über 20 oder weniger Zimmer. Nach Ansicht von Laurence Gabriel, Sprecherin von Schweiz Tourismus, ist diese Zahl zu klein, um rentabel arbeiten zu können. Das “Bettenmanagement” werde dadurch zu teuer, der Hotelier fülle die Betten wie es gerade anfalle, anstatt sie aktiv zu vermarkten.

“Diese Hotels werden zuwenig effizient geführt und verfügen über zu wenig Kapital, um notwendige Erneuerungen sowie Marketingausgaben allein finanzieren zu können”, sagt die Schweiz-Tourismus-Sprecherin weiter.

Christian Rey, Präsident des Verbandes hotelleriesuisse, teilt diese Einschätzung nicht vollständig. Seiner Ansicht nach würde eine reduzierte Kapazität, also weniger Hotelbetriebe, die Probleme der schweizerischen Hotellerie kaum aus dem Weg räumen.

Rey sieht die Lösungsansätze eher in einer besseren Berücksichtigung der heutigen Kundenwünsche.

Nischenangebote

“Unsere Hoteliers müssen verstärkt den Kontakt suchen, müssen sich die Wünsche und Ansprüche der Gäste richtig anhören und entsprechend darauf reagieren”, sagt Rey weiter.

Möglichkeiten ortet Rey auch bei Nischenangeboten wie Wellness, Wandern, Velo und anderem mehr. “Der Gast will Spass haben und sich wohl fühlen.”

“Die Zukunft liegt in einer Spezialisierung auf Nischenangebote”, ist auch Schweiz-Tourismus-Sprecherin Gabriel überzeugt: “Ein Hotel kann nicht alles anbieten. Es muss sich deshalb auf ein ganz bestimmtes Angebot konzentrieren und dieses so gut wie möglich ausgestalten.”

Kosten senken als Kreativitätsaufgabe

Laut hotelleriesuisse müssen sich die meisten Hotels um eine verstärkte Zusammenarbeit bemühen. Diese könne in einem gemeinsamen Einkauf, in einer Kollektivwäscherei oder etwa in einem gemeinsamen Kinderhütedienst ausgestaltet werden.

Auch der Wechsel des juristischen Status, das heisst der Wechsel vom Familienunternehmen zur Aktiengesellschaft, könnte vermehrte Bewegungsfreiheit bringen. “Bei all diesen Massnahmen geht es um Kostensenkungen”, fasst Rey zusammen.

Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Schweizer Hoteliers für elektrische Energie 45% mehr bezahlen würden als ihre Kollegen in den europäischen Nachbarländern. Zudem liege das Lohnniveau um mehr als 30% über dem europäischen Durchschnitt.

Anschluss an die globalisierten Systeme

Laut Schweiz Tourismus müssen sich die mittelgrossen Schweizer Hotels an drei Vorgaben halten, wenn sie längerfristig überleben wollen: Jedes Hotel muss an ein internationales Reservierungssystem angeschlossen sein; es muss in den Katalogen ausländischer Reiseveranstalter aufgeführt sein; es muss mit einer internationalen Hotelkette zusammenarbeiten.

Wenig Chancen für die Zukunft räumt Schweiz Tourismus dagegen kleinen Familienunternehmen ein.

Der Grossteil der Hotels, die in den nächsten Jahren wegen mangelnder Rentabilität aufgeben müssen, sei in dieser Kategorie zu suchen. In der heutigen Hotellerie hätten Familienbetriebe kaum mehr Überlebenschancen, meint Schweiz Tourismus.

swissinfo und Bastien Buss, sda

Trotz Superwetter im Minus

Die Schweizer Hotellerie musste im Juni einen Rückgang der Gäste hinnehmen.
Die Übernachtungen sanken im Vergleich zum Vorjahr um 5% auf 2,71 Millionen.
Vor allem die Zahl der Gäste aus Übersee ging stark zurück.

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