
Die Älplerin von Mägisalp

Im Berner Oberland zeigt eine Älplerfamilie wie Innovation zu einer gesunden Berglandwirtschaft führt.
Dank Offenheit, Tourismus, Alpkäserei, Älplerznüni und Direktverkauf der Produkte sind von Bergens moderne Schweizer Bergbauern.
«Unser Alpbetrieb befindet sich am schönen Hasliberg auf der Mägisalp – 1700 Meter über Meer – eingebettet in eine prächtige Berglandschaft.» So beginnt der von Älplerin Lotti von Bergen-Michel selber entworfene Prospekt. Die rührige Bergbauernfrau rührt so die Werbetrommel für ihre Alpkäserei auf der Mägisalp ob Meiringen. «Auch Übernachtungs-Möglichkeiten nach Anfrage» steht weiter unten.
Die Bergbauernfamilie von Bergen setzt genau das um, was der Schweizer Volkswirtschafts-Minister Pascal Couchepin immer wieder fordert: Wichtigstes Ziel der Schweizer Agrarpolitik, so Couchepin, sei eine nachhaltig und wettbewerbsfähig produzierende Landwirtschaft. Und Couchepin macht immer wieder klar: «Die Nahrungsmittelproduktion wird grundsätzlich durch den Markt geregelt.» Das heisst, der Bauer ist aufgerufen, selber Märkte zu erschliessen.
Alpwirtschaft und Tourismus
Die Alpen am Hasliberg (und damit auch die Mägisalp) sind Eigentum der Bäuertgemeinden. Die Bäuertkommission übt die Oberaufsicht aus über die Alpen. Vorstand und Alpvogt setzen die Richtlinien der Kommission um. Und die Bergler lassen sich kaum dreinreden. Schweizer Urdemokratie! «Und bei uns herrscht auch Marktwirtschaft», meint Rudolf von Bergen, erhebt sich vom Tisch und geht an die Arbeit.
Seine Frau Lotti wendet im grossen Raum, der Käserei und Küche zugleich ist, die sechs Laibe Alpkäse, die sie am Morgen «gekäst» hat. Früh aufstehen ist Pflicht. Die Älplerin macht das, was man gemeinhin von einem Mann erwartet: den Käse nämlich. Die Käserin fertigt nicht nur täglich ihre Laibe, sie lässt sich dabei auch über die Schulter schauen und beantwortet Fragen. Eine zusätzliche Einnahmequelle.
«Älplerzniini»
Immer am Dienstag können die Feriengäste im Tourismusbüro das Älplerznüni (Zwischenmahlzeit am Morgen) buchen. Zwischen 10 und 20 Personen finden sich jeweils in der Alpkäserei bei Lotti von Bergen ein und essen Käse, Brot und Butter. Zu trinken gibt es Milch. «Kaffee lieber nicht», sagt Lotti von Bergen.
Gleichzeitig können die Gäste den grossen Metallkessel bewundern, unter dem das Feuer brennt. Die Milch im Kessel wird soweit erhitzt, bis sie, wenn das Lab beigefügt ist, gerinnt. Schlussendlich wird der frische «Hüttenkäse» in die runde Käseform gebracht und unter die Presse gestellt, wo die frischen Käselaibe abtropfen und warten, bis sie am frühen Nachmittag gewendet und weiterbehandelt werden.
So entstehen jeden Tag sechs bis acht Laibe von um die 10 Kilogramm Gewicht. Da Lotti von Bergen die Milch von etlichen Bauern käst, welche die Kühe auf der Alp haben, erhalten die am Ende des Sommer – beim Alpabtrieb – «ihre» Käselaibe. «Unsern Käse, den verkaufe ich», sagt Lotti von Bergen. «Ich muss sogar von andern Bauern Alpkäse zukaufen, denn ich verkaufe mehr als unsern Anteil.»
Auch ein weiteres Ziel verfolgt die Älplerin mit den Besuchen aus dem Unterland: Die Leute sollen ein Gefühl kriegen, was Alpwirtschaft ist und vor allem, dass sie erhalten werden muss.
Zusatzverdienst
So verdienen die von Bergens am Älplerznüni doppelt: Der Besuch der Touristen wird mit dem Reisebüro abgerechnet. Kein Besucher geht weg, ohne Käse gekauft zu haben. «Alpkäse ist der beste Käse, schauen sie doch nur, was die Kühe hier oben zu fressen kriegen: Gras und Kräuter wie sie auf den Bergweisen wachsen. Das ist «Bio», sagt die geschäftstüchtige Älplerin.
Ihr ist bewusst, dass Alpwirtschaft und Tourismus eine enge Beziehung pflegen müssen. Sich gegen das Fremde und gegen die «Fremden» zu stellen, ist nicht Sache von Lotti von Bergen. Allerdings, müssen beide aufeinander Rücksicht nehmen. Die von Bergens wollen nicht zur Vorzeige-Älplerfamilie werden, die in einem «Disneyland» den Stadtmenschen Idylle vorlebt. «Was es hier zu sehen und zu kaufen gibt, ist echt. Wir leben so und sind zufrieden.»
Berglandwirtschaft erhalten
Versuche, die Nachhaltigkeit zu stören, gibt es immer wieder. Noch ist kein Investor gekommen und wollte eine Chaletsiedlung auf die Mägisalp stellen. Das ist gar nicht so abwegig. Im Winter ist die Alp Teil des beliebten Skigebietes Meiringen-Brünig-Hasliberg. Herr und Frau von Bergen arbeiten dann – im Winter -bei den Bergbahnen oder im Bergrestaurant. Für den Bau dieses Beghauses und der Gondelbahn musste das beste Alpweideland geopfert werden.
Eben hat die Bäuertkommission das Ansinnen abgelehnt, eine Piste für Monsterbikes zu bauen. «Praktisch abgelehnt», sagt Lotti von Bergen! Die Berglandwirtschaft soll erhalten bleiben. Gleichzeitig wissen die Bergbauern aber, dass ohne die Zusatzeinkommen, welche der Tourismus ermöglicht, die Existenz der meisten Bauernbetreibe nicht mehr gesichert wäre.
Man will standhaft bleiben auf dem schmalen Grat des Pascal Couchepin, der eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Landwirtschaft in der Schweiz will.
Urs Maurer
510 Hektar Weidefläche
245 Kuhrechte, (6 Ziegen gelten als 1 Kuh)
124 Kühe zum Melken
35 dreijährige trächtige Rinder
46 zweijährige Rinder
59 Kälber
13 Ziegen
39 Schweine
3 Zuchtstiere
40 Mutterkühe plus 1 Rind
41 Kälber zu Mutterkühe

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