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Dienstleistungen und Industrie oder nichts

Für Luzius Wasescha sind die nicht-landwirtschaftlichen Dossiers im Rückstand. Keystone

Die Verhandlungen über nicht-landwirtschaftliche Themen müssen sich in Hongkong unbedingt bewegen, sagt Luzius Wasescha im Gespräch mit swissinfo.

Der Delegierte des Bundesrats für Handelsfragen will aber keine Prognose über den Ausgang der 6. WTO-Ministerkonferenz vom 13. bis 18. Dezember abgeben.

Die Minister der 148 Mitgliedsländer der Welthandels-Organisation (WTO) treffen sich mit ihren Delegationen in der früheren britischen Kronkolonie Hongkong zu einer Konferenz auf höchster Ebene.

Sie wollen die 2001 eingeleitete, so genannte “Doha-Verhandlungsrunde”, neu lancieren. Das gröbste Sand im Getriebe: die Landwirtschaft.

Brasilien, Argentinien und Australien fordern die Abschaffung der Subventionen. Für die Europäische Union und erst recht für die von der Schweiz präsidierte G10 sind diese aber entscheidend.

swissinfo: Was steht für die Schweiz an dieser Konferenz hauptsächlich auf dem Spiel?

Luzius Wasescha: Hongkong ist ein notwendiger Übergang, der als Grundlage für die Verhandlungen dient. Die Minister haben fünf Tage Zeit, um miteinander zu reden.

Es sind fünf Verhandlungsgruppen vorgesehen: Entwicklung, Regeln, Dienstleistungen, nicht-landwirtschaftliche Zollfragen und Landwirtschaft. Für uns ist vor allem wichtig, dass Fortschritte erzielt werden, insbesondere in den nicht-landwirtschaftlichen Fragen, wo wir einen Rückstand haben.

swissinfo: Was legt die Schweiz auf den Tisch, um einen Misserfolg zu verhindern?

L.W.: Wir haben Vorschläge in allen Bereichen auf den Tisch gelegt. Und wir hoffen, zusammen mit unseren Kollegen von der G10 auch unsere Ansichten über die umstrittenen Produkte einbringen zu können.

swissinfo: Welchen Handlungsspielraum hat die Schweiz bei diesen Verhandlungen?

L.W.: Es ist ganz einfach: Wir haben drei defensive Bereiche der Landwirtschaft, namentlich die Direkthilfen, und daneben zwölf offensive Bereiche wie Dienstleistungen, nicht-landwirtschaftliche Produkte und so weiter.

Wenn wir in anderen Gebieten vorwärts kommen und eine Vergleichbarkeit mit der Landwirtschaft erreichen, ist das gut. Andernfalls haben und machen wir Probleme.

swissinfo: Was wäre für Sie ein Erfolg in Hongkong?

L.W.: Wenn wir die Grundlage schaffen können, um in den drei kommenden Monaten, bis Ende März, rasch das ursprüngliche Ziel von Hongkong zu erreichen (Einigkeit für zwei Drittel der Doha-Runde), so ist das ein Erfolg.

swissinfo: Zu Beginn stand die Entwicklung im Zentrum der Doha-Verhandlungsrunde. Was ist davon geblieben?

L.W.: Das ist die wichtigste Frage. Was für die stärkeren Entwicklungsländer gut ist, schadet den Schwachen, und umgekehrt.

Dieses Dilemma besteht in allen Punkten. Was wirtschaftlich von Vorteil sein kann, nützt nur den Stärksten, und niemand ist da, um eine Lösung für die Schwächsten zu finden.

swissinfo: Die NGO sind der Meinung, dass der Freihandel nicht unbedingt der richtige Weg für die Entwicklung ist, im Gegenteil. Was sagen Sie dazu?

L.W.: Für Länder, die Güter für den Handel haben, ist der Freihandel profitabel. Für jene, die nichts oder wenig haben, braucht es eigentliche Entwicklungsstrategien und nicht Handel.

Diese Länder können von der WTO keine Antwort erwarten. Die muss von den vielen internationalen Organisationen kommen, die sich mit der Entwicklung befassen.

swissinfo: Einige glauben gar, dass die Zukunft der multilateralen Verhandlungen in Hongkong auf dem Spiel steht.

L.W.: Kurzfristig stimmt das vielleicht. Aber man wird immer wieder auf multilaterale Verhandlungen zurückkommen. Nur diese können allen Teilnehmern einen Vorteil garantieren.

Die grossen Akteure haben Verständnis für die Probleme der anderen grossen, aber zu wenig Energie, um in den Verhandlungen die Führung zu übernehmen. Das zeigt sich an den gegenwärtigen Schwierigkeiten.

swissinfo: Immer mehr Länder, auch die Schweiz, unterzeichnen bilaterale Freihandelsabkommen. Sind wir nicht daran, einen anderen, egoistischeren Weg einzuschlagen?

L.W.: Die bilateralen oder plurilateralen Abkommen haben den Vorteil, dass sie kurzfristig etwas weiter gehen können als jene im Rahmen der WTO.

Aber sie führen zu einer Zersplitterung des Weltmarkts. Die Folge dieser bilateralen Abkommen wird eine Renaissance der WTO sein.

swissinfo-Interview: Pierre-François Besson
(Übertragen aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Innenminister Joseph Deiss wird die rund zwanzigköpfige Schweizer Delegation in Hongkong leiten.

Sie besteht aus Leuten des Staatssekretariats für Wirtschaft seco, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA und fünf Vertretern des Schweizer Konsulats.

Die Schweiz präsidiert die G10-Gruppe der Nettoimport-Länder. Dazu gehören weiter Island, Israel, Japan, Lichtenstein, Mauritius, Norwegen, Südkorea und Taiwan.

Die 6. Ministerkonferenz der Welthandels-Organisation (WTO) findet vom 13. bis 18. Dezember in Hongkong statt.
Die Konferenz soll den Weg zum Abschluss der Verhandlungen der so genannten Doha-Runde ebnen, die seit 2001 läuft.
Weil die Verhandlungen so schleppend vorangehen, wurden die Ziele bescheidener.
Delegierte der 149 Mitgliedsländer nehmen an der Konferenz teil.
Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss leitet die Schweizer Delegation.

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