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Finanzmarktaufsicht fordert mehr Transparenz

Fordert ein Ende der "Geheimniskrämerei um das Bankgeheimnis": Patrick Raaflaub Keystone

Die Bankenaufsicht fordert von den Schweizer Banken den Verzicht auf die Verwaltung von nicht versteuerten Vermögen. Der Wind habe gedreht und die Schweiz müsse sich in Steuerfragen gegenüber andern Staaten kooperationsbereit zeigen.

“Es kann kein Geschäftsmodell sein, Steuerhinterziehung von Ausländern zu ermöglichen oder stillschweigend zu dulden”, sagte Patrick Raaflaub, Direktor der Finanzmarktaufsicht (FINMA) vor den Medien in Bern. Die FINMA unterstütze darum die Neuausrichtung des Finanzplatzes auf versteuerte Gelder.

Noch könne die Schweiz ihren internationalen Spitzenplatz bezüglich grenzüberschreitender Vermögensverwaltung verteidigen. Doch “was früher als Qualität galt, gilt heute nicht mehr oder ist zumindest stark relativiert worden”, so Raaflaub an der Jahresmedienkonferenz weiter. “Endgültig zu spät ist es jedoch nicht. Noch bleiben der Finanzbranche und der Politik Zeit, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen und sich aktiv zu positionieren”.

Dass Banken dafür ihre Sorgfaltspflicht ausbauen, sei ein Ansatz. Doch sei dies nur der erste Schritt. Der Trend gehe Richtung Informationsaustausch. Als Aufsichtsbehörde habe die FINMA ebenfalls Interesse, Informationen aus dem Ausland zu erhalten.

Ende der Geheimniskrämerei

Wie auch immer die Politik das Problem unversteuerter Gelder lösen wird, den Anpassungsprozess beim Geschäft mit der privaten Vermögensverwaltung sieht Raaflaub bereits in Gang. Es sei die grösste Veränderung in den letzten 100 Jahren, seit der Aufstieg des so genannten Wealth Managements begann.

Qualität müsse Kern einer Strategie sein, an der die Institute, die Politik, aber auch die FINMA zusammenwirken. Gerade die Aufsicht sei dabei kein Hindernis, sondern schaffe die Voraussetzung, dass Finanzdienstleister eine Qualitätsstrategie verfolgen könnten.

Auch die mit dem Schweizer Bankgeheimnis verbundene Geheimniskrämerei müsse ein Ende haben. Der langjährige restriktive Schweizer Ansatz beim behördlichen grenzüberschreitenden Austausch von Bankinformationen entspreche nicht mehr den internationalen Erwartungen, sagte Raaflaub. Der Wind habe gedreht und die Schweiz müsse sich kooperationsbereit zeigen.

Bereits aufgeweicht

Die Schweizerische Bankiervereinigung zeigt wenig Verständnis für Raaflaubs Aussagen: “Die FINMA hat kein Mandat, die Steuerpolitik mitzubestimmen. Deshalb verstehen wir die Aufforderung zu vermehrter internationaler Zusammenarbeit auf diesem Gebiet nicht”, schreibt die Vereinigung.

In den vergangen Jahren hat die Schweiz gegenüber einzelnen Staaten das Bankgeheimnis bereits aufgeweicht. So wird sie gegenüber den USA in Zukunft auch bei Gruppenanfragen Amtshilfe bei Verdacht auf Steuerhinterziehung leisten.

Die Amerikaner fordern von der Schweiz Tausende von Namen von möglichen Steuersündern. Gegen elf Banken, darunter Credit Suisse und Julius Bär, laufen in den USA Untersuchungen, die in potenziell Existenz gefährdende Strafverfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung münden könnten.

Mit England hat die Schweiz kürzlich ein Abkommen für die Einführung einer Abgeltungssteuer unterschrieben. Ein ähnliches Abkommen mit Deutschland muss aufgrund des starken Widerstandes der deutschen Sozialdemokraten nachverhandelt werden.

Singapur und Dubai

Klar scheint, dass der Druck aus dem Ausland auch dazu führt, dass die auf Schweizer Banken deponierten unversteuerten Gelder zum Teil aus der Schweiz abgezogen worden sind oder noch abgezogen werden.

“Teilweise wird sicher Geld abgezogen, teilweise ist es aber bereits weg. Ein Teil der verbliebenen Kunden wird weiterhin bleiben und den Weg über die Abgeltungssteuer wählen. Ein Teil des Geldes wird in die Herkunftsländer zurückgehen und sich offen legen. Ein Teil der englischen Kunden wird vielleicht den Weg über Liechtenstein wählen. Und wieder ein Teil der Kunden wird ihr Geld vielleicht nach Singapur, nach Dubai oder nach Mittelamerika verlegen”, sagt der Finanzmarktexperte Martin Janssen gegenüber swissinfo.ch

In Zukunft würden sich “die Schweizer Banken hüten, weiterhin aktiv und in Kenntnis der Tatsachen zur Hinterziehung von Geldern beizutragen” sagt Janssen.

Keine Schätzungen

“Aber bei einem grossen Teil des Geldes wird man auch in der Zukunft gar nicht wissen können, ob es versteuert ist oder nicht. Das wissen ja oft nicht einmal die Kunden, weil die Steuererklärung noch nicht eingereicht ist, das Steueramt noch nicht entschieden hat oder ein Gericht angerufen wurde. Das kann insgesamt Jahre dauern, bis ein Sachverhalt rechtsstaatlich geklärt ist.”

Bisher hätten sich die Schwankungen der in der Schweiz verwalteten Vermögen “in einem normalen Rahmen” bewegt, sagt Sindy Schmiegel Werner von der Bankiervereinigung gegenüber swissinfo.ch: “Über Schätzungen darüber, welcher Anteil der in der Schweiz verwalteten Vermögen allenfalls unversteuert ist, verfügt die SBV nicht.”

Das in den 1930er-Jahren in der Schweiz eingeführte Bankgeheimnis verpflichtet zur vertraulichen Behandlung von Informationen über Bankkunden und deren Finanztransaktionen.

Das Gesetz zwingt die Banken aber auch, die Identität ihrer Kunden und die Herkunft der Gelder zu erfassen.

Weil Steuerhinterziehung in der Schweiz nicht als Straftat geahndet wird, wird den Steuerbehörden aus dem In- und Ausland bei Verdacht auf Steuerhinterziehung bislang keine Auskunft erteilt. Nur bei Strafverfahren, z.B. gegen Steuerbetrug, dürfen die Behörden Auskünfte verlangen.

2009 musste die Schweizer Regierung zum ersten Mal die Daten von tausenden Kunden der UBS an die USA liefern. Die amerikanischen Behörden hatten mit massiven Sanktionen gegen die Schweizer Grossbank gedroht, die beschuldigt wurde, zehntausenden Kunden geholfen zu haben, Steuern zu hinterziehen.

Im letzten Januar gab Washington bekannt, dass 11 Schweizer Banken wegen gleicher Delikte beschuldigt würden. Die amerikanische Justiz fahndet nach 20 Schweizer Bankiers. Washington verlangt von Bern jetzt die Daten von zehntausenden Kunden von Schweizer Banken in den USA.

Infolge des internationalen Drucks hat die Schweiz in den letzten Jahren 30 Doppelbesteuerungs-Abkommen unterzeichnet, wobei die Amtshilfe gemäss OECD-Standards auch auf Fälle von Steuerhinterziehung erweitert wurde.

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