Finanzpoker um neue Airline
Nach dem Schnüren eines Vier-Milliarden-Pakets von Staat und Wirtschaft geht es jetzt um rund 150 Millionen Franken Liquidität für die flugnahen Betriebe der Swissair. Kommen nicht rasch klare Signale, scheitert das ganze Vorhaben.
Nach Alarmrufen der betroffenen Betriebe und der Crossair am Wochenende traten am Dienstag die wichtigen staatlichen Player im Schweizer Luftverkehrs-Konzept an die Öffentlichkeit.
Der Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Peter Siegenthaler, sagte in Bern, der Bund brauche bis Mittwochabend klare Signale, dass die Finanzierung der vitalen Bereiche der flugnahen Betriebe SR Technics, Atraxis und Swissport gesichert sei. Andernfalls werde kein Geld aus dem Milliardenkredit des Bundes für die Fortsetzung des reduzierten Flugbetriebs der Swissair in den kommenden fünf Monaten fliessen. Damit würde auch das gesamte Projekt einer neuen Airline scheitern.
Die Projektgruppe unter Leitung des Kantons Zürich, die für die flugverwandten Betriebe zuständig ist, wälzte das Finanzproblem am Nachmittag an einer weiteren Sitzung in Zürich. Eine Lösung kam vorerst nicht zu Stande, wie Regierungsrat Ruedi Jeker vor den Medien sagte. Ob die Überbrückungs-Finanzierung durch die Banken oder via kantonale Bürgschaft und die Flughafen Zürich AG erfolgen werde, sei zurzeit noch offen. Klar sei hingegen, dass der Kanton Zürich keine neuen Geldmittel für die flugnahen Betriebe zur Verfügung stellen werde.
Im Vordergrund der Probleme steht die Wartungsfirma SR Technics, die gemäss Siegenthaler bis Mitte Januar einen Liquiditätsbedarf von 100 Mio. Franken hat. Noch im November benötigt die für die Buchungs- und Reservations-Systeme zuständige Atraxis zudem 35 bis 50 Mio. Franken. Im Falle der Bodenabfertigungs-Tochter Swissport ist die Lage weniger kritisch, weil die Beteiligten von einem raschen Verkauf ausgehen.
Ringen bis zuletzt
Die Erfahrungen mit dem Zustandekommen des Milliardenpakets für die neue Airline lehren, dass auch um die Liquiditätsspritzen für SR Technics und Atraxis bis in letzter Minute zwischen den Beteiligten gerungen werden dürfte. Dass das grosse Vorhaben an fehlenden Liquiditätsspritzen für die flugnahen Betriebe scheitern wird, ist hingegen wenig wahrscheinlich.
Das Schweizer Finanzministerium (EFD) bezeichnete die Signale aus Zürich denn auch umgehend als positiv und erklärte, es wäre nicht realistisch gewesen, schon am Dienstag eine Lösung zu erwarten. Umso wichtiger sei die Feststellung des Zürcher Volkswirtschafts-Direktors, dass die Bedeutung der Frage von allen Beteiligten erkannt worden sei und dass ein Lösungswille bestehe, sagte EFD-Kommunikations-Chef Daniel Eckmann. Erfreulich sei gleichzeitig, dass die vorberatende Kommission des Zürcher Kantonsrats sowohl zur Beteiligung als auch zur Bürgschaft des Kantons Zürich einen positiven Voravis gegeben habe.
Wink an die Grossbanken
Die klaren Worte Siegenthalers, wonach der Bund keinesfalls auch noch für die Liquiditätsengpässe einspringe, dürften sich somit vor allem an die Grossbanken gerichtet haben. Der Chef der Task Force «Luftbrücke» hatte auch gesagt, dass die Voraussetzungen für einen kommerziellen Kredit der Banken im Falle der SR Technics gegeben sein sollten, nachdem Vorschläge für eine Bilanzsanierung, die Zustimmung zu einer Pfandsicherung sowie die Absicht der Crossair vorlägen, die Dienste der Wartungsfirma weiter zu beanspruchen.
Zusammen mit der bereits früher in Aussicht gestellten Bürgschaft des Kantons für 100 Mio. Franken und einer Überbrückung der Überbrückung durch die Flughafen-Betriebsgesellschaft könnte laut Siegentahler eine Lösung gefunden werden. Auch bezüglich der Deadline vom Mittwochabend liess der «Luftbrücken»-Chef eine Hintertüre offen, indem er sagte, es müssten klare Trendmeldungen, aber nicht eine Lösung der Liquiditätsprobleme in allen Einzelheiten vorliegen.
Signal von der Crossair
Ein positives Signal für das Gesamtprojekt kam ferner von der Crossair selber: Sie gab bekannt, dass sie den Sommerflugplan 2002 auf der Basis des 26/26-Modells vorbereitet. Damit wolle die Crossair «bestmöglichst die Kontinuität im schweizerischen Zivilluftverkehr sichern und ihren Kunden klare Signale für die weitere Entwicklung vermitteln», wie es in einer Mitteilung hiess.
Massiver Stellenabbau bei Balair
Die noch zur Swissair gehörende Chartergesellschaft Balair baut massiv Stellen ab. Nach Angaben von Gewerkschaften hat das voraussichtlich ab 2. November dem Reisekonzern Hotelplan gehörende Unternehmen zudem die Gesamtarbeitsverträge gekündigt.
An den Gesprächen mit der Balair-Nachfolge-Gesellschaft und Hotelplan-Tochter Belair sei den Verbänden des Kabinenpersonals, der kapers und der unia, zur Kenntnis gebracht worden, dass die bisherige Sozialpartnerschaft beendet werden soll. Dies teilten die Gewerkschaften am Dienstag mit.
Sämtlichen Flight Attendants sei gekündigt worden. Ein Teil soll neue Anstellungsverträge von Belair erhalten. An Stelle des bisherigen Gesamtarbeitsvertrages sollen neu Einzelverträge treten.
Der Reisekonzern Hotelplan, der die Balair übernehmen und sie unter dem Namen «Belair» zum Neustart führen will, nahm zu den Entlassungen nicht Stellung. Derzeit laufe erst das Bewilligungs-Verfahren beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL), erklärte Hotelplan-Sprecher Hans-Peter Nehmer auf Anfrage. Erst wenn diese Bewilligung vorliege, könne Hotelplan überhaupt Personal übernehmen. Im Moment sei immer noch die Swissair für Balair zuständig. Bei der Swissair war niemand für eine Auskunft zu sprechen.
Hotelplan verspricht «guten Vertrag»
Die vom Reisekonzern lancierte Belair sei keine Nachfolgegesellschaft der Balair, sagte Nehmer. Aus diesem Grund müsse Hotelplan den Gesamtarbeitsvertrag nicht übernehmen. «Hotelplan ist ein renommiertes Unternehmen. Die neuen Beschäftigten werden denn auch einen guten Vertrag erhalten», versicherte er. Hotelplan übernehme für die neue Belair rund 100 Personen, hielt Nehmer fest. Ende 2000 hat die Balair noch 295 Personen beschäftigt.
swissinfo und Agenturen
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