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Furcht vor dem zweiten Taucher

Trübe Aussichten prägen das Wirtschaftsklima Keystone

Steigende Arbeitslosigkeit, schlechte Verbraucher-Stimmung und sinkende Zinsen: In der Schweiz fürchtet man sich vor einer "zweiten" Rezession.

Dazu hat die jüngste Zinssenkung der US-Notenbank den Euro und den Franken vorläufig teurer werden lassen.

Die Furcht vor einer “zweiten” Rezession nimmt zu. Die neuesten Wirtschafts-Eckdaten deuten darauf hin, im In- und Ausland. Neben dem abnehmenden Verbraucher-Vertrauen und international sinkenden Zinssätzen erreicht die schweizerische Arbeitslosenrate diesen Oktober 3%.

Gegenüber dem Vorjahreswert von 1,9% ist dies eine signifikante Zunahme. Trotzdem gilt dieser Wert im internationalen Vergleich immer noch sehr niedrig. In Zahlen ausgedrückt: Eine Arbeitslosigkeitsrate von 3% bedeutet rund 110’000 (registrierte) Arbeitslose.

Obschon im Dollarbereich die Zinssätze seit Jahrzehnten nicht mehr so tief lagen, bleibt in einem Bereich der Zinssatz hoch: Bei den kurzfristigen Konsumkrediten in der Schweiz wurde dieser Tage ein statistisches Höchst in der Verschuldung der Privathaushalte erreicht (nur Kleinkredite, ohne Hypothekarschulden).

Zinssenkung: Euro-Zentralbank macht nicht mit

Mitte der Woche senkte das FED, die US-Notenbank, zum ersten Mal in diesem Jahr die Zinsen, dafür um 50 Basispunkte auf 1.25%. Damit befindet sich der US-Leitzins auf dem tiefsten Stand seit 1961.

Die Hoffnungen der Börse auf ein Nachziehen der Europäischen Zentralbank in Frankfurt haben sich nicht erfüllt. Damit wäre auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) gefordert gewesen. Denn eine zusätzliche Verteuerung des Frankens in einer rezessiven Periode wäre das letzte, was die (Export-)Wirtschaft sich wünscht.

Franken verteuert sich

Genau das ist jetzt passiert: Der Dollar gab am Donnerstag gegenüber dem Franken nach. Auch der Euro legte zu und überschritt gegenüber dem Dollar die Parität.

Analysten bewerten den jüngsten FED-Schritt “vielmehr als eine Absicherung und weniger als Panik”, wie zum Beispiel Jan Poser von der Bank Sarasin meint.

Der Schritt der US-Notenbank müsse vor dem politischen Hintergrund einer erhöhten Kriegsgefahr und dementsprechend steigenden amerikanischen öffentlichen Ausgaben gesehen werden. Die Bank Sarasin schätzt dennoch, dass in den USA eine konjunkturelle Erholung aufgegleist sei. Obschon die Ende letzter Woche verbreiteten US-Konjunkturdaten heute vom Devisenmarkt weitgehend ignoriert wurden.

Schlechtes Konsumklima

Der Index des Konsumentenklimas, den das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) alle drei Monate in 1100 Haushalten errechnet, hat ebenfalls sein 6-Jahres-Tiefst erreicht. Dafür geben sich die Haushalte optimistischer, was ihre Budgetsituation betrifft – trotz der hohen Haushaltsverschuldung im Kleinkreditbereich und bei den Steuerschulden.

Auch die Umfrage der Konjunkturforschungsstelle der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, KOF, lässt für das laufende vierte Jahresquartal und für den Winter 2003 keine Belebung erwarten.

Detailhandel: Schwach

Gemäss KOF erwartet der Detailhandel nur einen schwachen Umsatzanstieg im 4. Quartal (Weihnachtsgeschäft), ist aber für das kommende Jahr gedämpft optimistisch. Immerhin rechnen auch die Kleinkreditinstitute fürs kommende Jahr mit einer kleinen Abnahme des Kreditvolumens und der Zinsen.

Die Gastronomie befürchtet Absatzrückgänge, die Hotellerie weniger Logiernächte.

Banken fürchten um Auslandskunden

Wie die Hoteliers fürchten auch die Banken einen Rückgang der Auslandskundschaft. Bei der Inlandklientel sehen die Banken demgegenüber eine stabile Lage.

Das Wachstum des Bruttosozialprodukts im 2. Quartal betrug noch 0,4% – was immerhin noch keiner Rezession gleichkommt. Fällt diese Rate ins negative, so das seco, sinken die Hoffnungen auf eine Erholung 2003.

Sparquote als Schlüsselgrösse

Die Schweizer weisen traditionell eine hohe Sparquote aus. Damit liessen sich früher die rezessiven Effekte zumindest im Verbraucherverhalten etwas dämpfen. Doch die gegenwärtig hohe Verschuldung der Privathaushalte relativiert diesen Wert – der “Tages Anzeiger” befürchtet in seiner Ausgabe vom Donnerstag, dass damit eine verbraucherinitiierte Stabilisierung der Konjunktur erschwert werde.

Während früher in Zeiten von Schuldenbergen Luxusgüter nicht mehr finanziert werden konnten, gebe es heute zusehends Probleme mit dem Bezahlen der Grundbedürfnisse inklusive Steuern, Krankenversicherungen und Kreditkarten.

swissinfo und Agenturen

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