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Guter Jahresbeginn für Schweizer Wirtschaft

Konjunktur: Von Export gehen Impulse auf den Inlandkonsum aus. Im Bild: Stadler Rail, Bussnang. Keystone

Das Bruttoinlandprodukt der Schweiz ist im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreswert real um 3,5% gewachsen. Dies ist seit sechs Jahren die grösste Zunahme.

Im Vergleich zum Ausland schneidet das Schweizer Wachstum ausgezeichnet ab. Die Rate fällt höher aus als für die EU oder Japan.

Die Schweizer Wirtschaft ist auf der Überholspur. Sie wächst so stark wie seit dem Boomjahr 2000 nicht mehr.

Im ersten Quartal 2006 nahm das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) auf Jahresbasis um 3,5% zu. Letztmals war eine höhere Rate im dritten Quartal 2000 erreicht worden.

Die Erwartungen wurden damit klar übertroffen. Trotz Börsenturbulenzen sieht auch die Zukunft gut aus.

Gegenüber dem Vorquartal betrug das BIP-Wachstum 0,9%, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) am Donnerstag bekannt gab.

“Der Aufschwung ist breit abgestützt”, sagte seco-Chefökonom Aymo Brunetti am Donnerstag. Von Hochkonjunktur wollte er aber nicht reden. Das sei erst dann der Fall, wenn die Wirtschaft zwei bis drei Jahre lang in diesem Ausmass wachse.

Dennoch zeigte sich Brunetti “sehr zufrieden” mit dem Start ins Jahr 2006. Im Unterschied zu den vorangegangenen Quartalen nahmen nun auch die Ausrüstungsinvestitionen kräftig zu (+3,7% gegenüber Vorquartal).

Das zeige, dass die Unternehmer dem Aufschwung trauten und wieder investierten.

Weniger skeptische Unternehmer

Die bislang eher skeptische Einstellung der Unternehmer habe sich gewendet, erklärte Brunetti. Es wird aber nicht nur in zusätzliche Kapazitäten investiert, es werden auch neue Arbeitsplätze geschaffen, wie Brunetti ergänzte.

Die Entspannung auf dem Arbeitsmarkt ist mit ein Grund für den anziehenden Privatkonsum, der die Konjunktur massgeblich stützt.

Im Jahresvergleich nahmen die privaten Konsumausgaben um 2,0% zu, zum Vorquartal betrug das Wachstum 0,6%. Als Wachstumsmotoren erwiesen sich vor allem Verkehr, Kommunikation und Gesundheit. Dagegen gingen die Staatsausgaben erneut leicht zurück.

Exportwirtschaft in Schwung

Das BIP-Wachstum im ersten Quartal ist auch dem ausserordentlich starken Aussenhandel zu verdanken. Die Exporte von Gütern und Dienstleistungen wuchsen Vergleich zum schwachen ersten Quartal 2005 um 12,9%.

Dass der Wirtschaftsmotor brummt, zeigt sich auch bei den Importen: Sie nahmen gegenüber dem Vorjahr um 10,9% zu, zum Vorquartal ergab sich ein Wachstum von 2,5%.

Finanzsektor läuft rund

Ein sehr gutes erstes Quartal verbuchte auch der Finanzsektor, vor allem im Kreditgewerbe lief es rund. Zum Vorjahr steigerte sich die Branche um 8,8%.

Das kräftige Wachstum dürfte im gesamten Jahr anhalten. Darauf deuten verschiedene Indikatoren. So erreichte das Barometer der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich für die kommenden sechs Monate mit 2,30 Punkten den höchsten Wert seit zwei Jahren.

Nach Ansicht von Janwillem Acket, Chefökonom der Bank Julius Bär, könnte 2006 für die Schweiz das beste Jahr seit 2000 werden: “Die Entwicklung ist geradezu sensationell.” Die Schweiz entwickle sich weit besser als die Nachbarstaaten.

Das seco wird seine Prognose Ende Monat möglicherweise heben, wie Brunetti durchblicken liess. Bislang erwartet das seco ein Wachstum von 2,0%.

Achtung: Konjunktur ist nicht Struktur

Brunetti warnte allerdings vor überzogenem Optimismus. Die positive Entwicklung dürfte nicht dazu führen, dass der wirtschaftspolitische Reformeifer nachlasse.

Denn es handle sich hier um konjunkturelle Effekte und noch nicht um den Beweis dafür, dass die Schweiz ihre strukturelle Wachstumsschwäche überwunden habe.

Inflation kein Problem

Trotz des Booms ist die Inflation weiterhin kein Problem. Die Jahresteuerung betrug im Mai laut Bundesamt für Statistik (BFS) 1,4%. Damit sollte einer weiteren Erhöhung der Leitzinsen nichts entgegenstehen – die Nationalbank entscheidet Mitte Monat.

“Der Aufschwung ist stabil”, meint auch Serge Gaillard, Chefökonom des Schweizer Gewerkschaftsbunds. Das Land brauche ein solches Wachstum auch, um wieder zur Vollbeschäftigung zurückzukehren. Denn die Arbeitslosigkeit gehe langsam zurück.

swissinfo und Agenturen

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) wird als aufschlussreichster Indikator für den Wirtschaftsverlauf eines Landes erachtet.

Das BIP weist die im Inland über eine gewisse Periode produzierte Wertschöpfung (Mehrwert) aus.

Ausser Gütern und Dienstleistungen umfasst das BIP auch Ausrüstungs-Investitionen.

Der Indikator zeigt auch die Leistungen von ausländischen Produzenten in der Schweiz auf.

Leistungen von Schweizer Unternehmen im Ausland fallen hingegen nicht ins BIP.

Das BIP indiziert das Wachstum einer Landeswirtschaft aus dem Gesichtspunkt der Produktion. Mit dem Wachstum der Kaufkraft der Bevölkerung hat dies wenig zu tun.

Wachstumsraten 1. Quartal 2006 im Jahresvergleich:
3,5% in der Schweiz
1,4% in Deutschland
2,2% in der EU
1,9% in der Euro-Zone
3,6% in den USA
3% in Japan

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