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«Ich komme nicht, um Stellen zu streichen»

Noch keine konkreten Massnahmen: Christoph Franz. Keystone

Der neue Swiss-Chef Christoph Franz mag den Ruf eines unerbittlichen Machers, der ihm anhaftet, nicht bestätigen.

«Wenn es erneut Stellen abzubauen gibt, was nicht sicher ist, werde ich das tun. Aber mit Respekt und Augenmass», sagt Franz im Gespräch mit swissinfo.

Der 44-jährige Christoph Franz ist offensichtlich erfreut, hier zu sein: Der zum Swiss-Konzernleiter erkorene Nachfolger für André Dosé hat während der Pressekonferenz vom Dienstag in Zürich fast immer ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen.

Es gehe vorläufig noch nicht darum, eine Strategie oder konkrete Massnahmen zu entwerfen, um die Fluggesellschaft wie geplant bis Ende Jahr in die schwarzen Zahlen zu bringen, sondern um eine erste Kontaktnahme.

Christoph Franz beginnt bei der Swiss am 1. Mai , sein Amt als CEO übernimmt er ab 1. Juli. Bis dahin wird er vielleicht auch André Dosé getroffen haben. So hofft er wenigstens.

Seit er die Deutsche Bahn (DB) rund um das Fiasko mit ihrem neuen Tarifsystem vor knapp einem Jahr verlassen hatte, war der in Frankfurt lebende Franz als unabhängiger Berater tätig. Das Angebot der Swiss prüfte er lange, bevor er akzeptierte.

Dies tat er nach «eingehender Beratung mit der Familie», weil er von der Qualität und dem Ansehen der Schweizer Airline überzeugt ist.

swissinfo: Das Amt des Swiss-Konzernchefs ist eines der am wenigsten begehrten in der ganzen Schweizer Wirtschaft. Welche Kriterien haben Sie überzeugt, Ja zu sagen?



Christoph Franz: Ich sehe die Aufgabe als grosse Herausforderung. Man erhält nicht alle Tage solche Angebote. Es ist eine einmalige Chance, und der Erfolg ist möglich. Natürlich sind da auch Risiken, aber Swiss ist ein hervorragendes Produkt mit einem hervorragenden Ruf im Ausland.

Man muss den Konzern dem Segment zuordnen, dem er angehört: demjenigen mit hoher internationaler Qualität.

swissinfo: Welches sind Ihre Prioritäten?

C.F.: Ich kann noch keine konkreten Massnahmen vorlegen. Meine absolut erste Priorität liegt nicht bei den Zahlen, sondern bei den Menschen. Ich will meine Kollegen und Mitarbeiter treffen. Ich freue mich, in einem sympathischen Umfeld zu arbeiten.

Dazu gibt es noch zu sagen, dass ich als Ausländer nicht dem einen oder anderen Clan zuzuordnen bin. Ich habe nicht das Gewicht der Vergangenheit auf meinen Schultern. (Anspielung auf die Probleme nach dem Zusammenschluss der Crossair- und der Swissair-Leute, Anmerkung der Redaktion)

swissinfo: Die Kritik, das Unternehmen sei zu gross, ist nicht verstummt. Müssen Sie weitere Stellen streichen?

C.F.: Ich verstehe die Sorgen, doch ich komme nicht, um Stellen zu streichen. Die Restrukturierung ist bereits eingeleitet. Und wenn ich es richtig verstanden habe, hat der grösste Teil des Stellenabbaus bereits stattgefunden. Auf den ersten Blick erscheint mir die gewählte Strategie richtig. Doch eine Restrukturierung ist kein Sonntagsspaziergang. Das braucht Zeit.

Die Schweizer sind sich vielleicht nicht bewusst, welches Ausmass die Redimensionierung der letzten 6 Monate hatte. Die Veränderungen sind enorm. Das Streckennetz der Swiss bleibt sehr beeindruckend, und wir müssen nun schauen, wie weit die Kunden es akzeptieren.

swissinfo: Man konnte verschiedentlich lesen, Sie seien ein erbarmungsloser Sanierer. Bestätigen Sie das?

C.F.: Ich überlasse es lieber anderen, mich zu beurteilen. Was ich sagen kann, ist, dass ich sehr streng bin, wenn ein Weg einmal eingeschlagen wurde. Ich werde tun, was ich zu tun habe, doch immer mit Respekt und Augenmass gegenüber den Mitarbeitern.

swissinfo: Welche Garantien haben Sie, dass Sie Ihren Job in 6 Monaten oder einem Jahr noch haben?

C.F.: (lacht) Es sind die Passagiere, die meine Arbeitsstelle garantieren – indem sie unsere Flugzeuge füllen.

swissinfo: Wenn Sie über die Eisenbahn sprechen, für die sie neun Jahre gearbeitet haben, ist ihre Begeisterung spürbar. Finden Sie mit der Fliegerei, die Sie von früher her auch kennen, zurück zu einer frühen Liebe?

C.F.: Ich bin immer begeistert bei meiner Arbeit. Ich habe die Flugzeuge und die Züge geliebt. Doch mit der Zeit ist es schwieriger geworden, Adieu zu sagen und etwas anderes zu finden. Ich würde also nicht sagen, dass ich zu meiner ersten Liebe zurückgefunden habe, nein.

swissinfo: Wissen Sie bereits, wo Sie und Ihre Familie künftig wohnen werden?

C.F.: Nein, irgendwo zwischen Basel und Zürich. Denn die Romandie ist trotz allem etwas weit entfernt. Meine Kinder werden sich an ein neues Leben gewöhnen müssen, mit neuen Freunden und einer neuen Schule. Ich jedenfalls freue mich darauf, in der Schweiz zu leben.

swissinfo-Interview: Ariane Gigon Bormann und Robert Brookes, Zürich

Der Verwaltungsrat bestimmte am Montag Christoph Franz zum Nachfolger des am 10. März zurückgetretenen André Dosé.

Mit einem Basislgehalt von 800’000 Franken verdient er ein Vielfaches seines Vorgängers.

Den Ausschlag für Franz gaben seine Erfahrung in der Unternehmensführung, seine Qualitäten als Teamleiter, seine Persönlichkeit sowie seine Erfahrung in Transport-Betrieben.

Der gebürtige Frankfurter doktorierte als Wirtschaftsingenieur, seine Studien abslovierte er in Deutschland, Frankreich (Lyon) und den USA (Berkely).

1990-1994 war er bei der Lufthansa tätig, die letzten beiden Jahre gehörte er zum Sanierungsteam, das die nach dem ersten Golfkrieg in Schräglage geratene Lufthansa wieder auf Steigflug brachte.

Danach war er bis 2003 bei der Deutschen Bahn. Dort stieg er bis in die Konzernleitung auf. Er war Chef des Personenverkehrs, zudem sanierte er die Schlafwagen-Gesellschaft City-Nightline.

Franz war einer von zwei Deutsche-Bahn-Vorständen, die im vergangenen Mai nach dem Chaos mit dem neuen Preissystem und hohen Verlusten im ersten Quartal entlassen wurden.

Seither war er als unabhängiger Berater tätig, bis die Swiss auf ihn zu kam.

Christoph Franz ist mit einer Französin verheiratet, das Paar hat 5 Kinder.

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