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Jetzt kreuzen sich die Camions wieder

Maximal 4000 LKW können gemäss den Behörden mit dem neuen System den Tunnel pro Tag passieren. Keystone

Nach neun Monaten mit Staus und Kolonnen kreuzen sich die Lastwagen seit Montagmorgen im Gotthardtunnel wieder. Das "Tropfen-System" hat das Dosiersystem abgelöst.

Der Wechsel ist nach Polizei-Angaben gut angelaufen.

Das neue Regime für den Schwerverkehr im Gotthard-Strassentunnel gilt seit Montag früh und läuft aus verkehrspolizeilicher Sicht gut, wie Herbert Planzer von der Urner Kantonspolizei sagte.

Im “Tropfen-System” wird jeder Camion einzeln in den Tunnel geschickt. Die Anzahl der Lastwagen wird in einer Bandbreite von 60 bis 120 pro Richtung und Stunde flexibel gehandhabt. Sie steht in Abhängigkeit von der Zahl der Personenwagen, die den Gotthard durchqueren wollen. Hintereinander fahrende Lastwagen müssen einen Sicherheitsabstand von 150 Meter einhalten.

Im Schnitt seien bisher durchschnittlich 90 Lastwagen pro Stunde in Richtung Süden geschickt worden, sagte Planzer.

Rege Nutzung der Bevorzugungen

Im Rahmen der bevorzugten Behandlung des Binnenverkehrs für die Südschweizer Wirtschaft wurden bereits am Montag über 100 speziell gekennzeichnete Lastwagen Richtung Süden geschickt.

Auch im Tessin gab es keine Schwierigkeiten: Die Lage ist ruhig, der Verkehr fliesst problemlos Richtung Nord, wie der Chef der Strassenverkehrsabteilung der Tessiner Kantonspolizei, Marco Guscio, erklärte.

Der dauernde Verkehrsfluss bei den Lastwagen werde sich auch auf den Personenwagenverkehr günstig auswirken, weil dieser nicht mehr alle zwei Stunden angehalten werde, so Guscio weiter.

Vollständige Freigabe keine Alternative

“Ein höchst dynamisches System”, schwärmt Daniel Schneider, Sprecher des Bundesamtes für Strassen (Astra). Wichtiges Detail: Personenwagen erhalten Vorrang.

Deswegen werden laut Astra-Berechnungen am Tag 3000 bis maximal 4000 LKW durch den Tunnel fahren, etwas mehr als in den letzten Monaten, aber weniger als vor der Brandkatastrophe vom Oktober 2001.

Freie Fahrt für Lastwagen am Gotthard wird es auch in Zukunft nicht wieder geben. Die Dosierung sei der Preis für die höhere Sicherheit, erklärten Vertreter der Astra am Dienstag in Flüelen.

Proteste von der EU erwartet

Skeptisch äussert sich Astag-Vizedirektor Hanspeter Tanner, auch wenn er über die “Kehrtwende im UVEK” erleichtert ist. Seine Befürchtungen betreffen vor allem die neue Vorzugsregelung für den Binnenverkehr vom und ins Tessin, die praktisch für die ganze Schweiz mit Ausnahme von Bern und der Romandie gilt.

Solche Lastenwagen werden mit einem “S” versehen und dürfen im Falle von Stau an den vorgelagerten Warteräumen vorbeiziehen. 11’000 S-Aufkleber hat der schweizerische Nutzfahrzeugverband (Astag) in den letzten Tagen an Mitglieder verschickt, die diese angefordert haben. Es wird damit gerechnet, dass 800 Camions am Tag oder 15 Prozent des Gesamtverkehrs vom S-Privileg Gebrauch machen.

Tanner ist sicher, dass es deshalb und wegen des Diskriminierungsverbots mit der EU zu einer Intervention in Brüssel kommen wird. Das “S-Thema” sei schon mit den Partnerverbänden bei der nächsten Sitzung des europäischen Arbeitskreises Alpentransit in Frankfurt traktandiert.

Zusätzliche Sicherheitsmassnahmen

Fragen wirft auch der Verkehrsklub der Schweiz (VCS) auf. Er verlangt, die Höchstzahl von 150 Lastwagen pro Stunde deutlich zu senken, um eine genügende Sicherheitsmarge zu gewährleisten.

Ausserdem seien zusätzliche Sicherheitsmassnahmen wie absenkbare Fahrbahn-Trennsysteme und automatische Feuerlöschanlagen in die Wege zu leiten.

Die Alpen-Initiative befürchtet ihrerseits durch die Einführung des Tropfenzählersystems mit Gegenverkehr eine schleichende Rückkehr zu den Verhältnissen vor dem Tunnelunfall vom letzten Herbst. Deshalb müsse klar eine Obergrenze der Lastwagen-Fahrtenzahlen festgelegt werden.

Ein Jahr nach der Brandkatastrophe

Fast ein Jahr nach der tragischen Brandkatastrophe sind die Reparaturarbeiten im Gotthard-Tunnel abgeschlossen. Das Tunnellüftungssystem ist technisch angepasst und durch den Einbau grösserer Brandklappen verbessert worden.

Nach dem Unglück war der Tunnel für knapp zwei Monate gesperrt; seit der Wiedereröffnung im Dezember konnten die Lastwagen wegen der Sicherheitsmängel nur im Einbahnverkehr fahren.

Wartezeiten vor den Tunneleinfahrten nervten die Chauffeure, die Lieferzeiten im Binnenverkehr vom und ins Tessin sowie die Transitzeiten verlängerten sich erheblich.

swissinfo, Gerhard Lob und Agenturen

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