
Kein Neujahrsbatzen mehr

Ein alter, eigentlich verbotener Neujahrsbrauch stirbt aus: Pöstler, Bähnler und Polizisten bekommen kaum mehr Geschenke für ihre Arbeit im abgelaufenen Jahr.
Noch vor gut zehn Jahren war das «Neujahrsgeld» für PTT-Angestellte und das Beschenken von SBB-Personal und Polizeiposten mit Wein, Wurst- und Backwaren gang und gäbe. Zum Zeichen des Dankes und der Wertschätzung wurden Briefträgern, Paketpöstlern und Geldboten oft ein Batzen in die Hand gedrückt.
Nur noch auf dem Land
Heute gibt es solche Geschenke höchstens noch in ländlichen Gebieten. «Die Zeiten sind vorbei, als die Verkehrsbeamten in den Kanzeln am Central und am Bellevue fast hüfttief in guten Gaben standen, die von Automobilisten und Fussgängern dort deponiert wurden», sagt ein Zürcher Stadtpolizei-Sprecher. «Heute kommen fast nur noch Neujahrskarten – mit sicher ehrlich gemeinten guten Wünschen».
Auch die St. Galler Kantonspolizei beobachtet den Brauch kaum mehr, wie deren Sprecher Hans Peter Eugster berichtet. In ländlichen Gebieten wie dem Emmental werde dies aber noch gepflegt, betont der Berner Kantonspolizei-Sprecher Jürg Mosimann. «Wo man den ‹Landjäger› noch selber kennt, gibt es schon noch eine Flasche Wein oder Ähnliches», meint er.
Veralteter Brauch
Dieselbe Beobachtung macht auch die Post, wie deren Pressesprecher Oliver Flüeler bestätigt. Bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) sei der Brauch «nicht mehr in Mode», berichtet hingegen Bahn-Sprecher Roland Binz.
Die Abnahme der Spendierfreudigkeit der Bevölkerung ist laut mehreren Befragten seit der Rezession der 1990-er Jahre zu beobachten. Möglicherweise hätten auch die Korruptionsfälle der vergangenen Jahre einen Einfluss, hiess es. «Aber wahrscheinlich sind öffentliche Dienstleistungen einfach zur Selbstverständlichkeit geworden», vermutet Binz.
Eigentlich illegal
Die Annahme von Geschenken war und ist bei allen befragten Institutionen grundsätzlich verboten. Toleriert wird aber die Annahme von «Höflichkeitsgeschenken von geringem Wert», wie es im bernischen Personalgesetz heisst.
Grössere Geschenke müssen gemäss den Vorschriften abgeliefert werden. Geldgeschenke sind abzulehnen oder abzuliefern. Ganz konsequent ist die Aargauer Kantonspolizei: «Wir nehmen gar nichts mehr an», sagte deren Sprecher Rudolf Woodtli.
swissinfo und AP/Ernst E. Abegg

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