Motorradfahrer machen mobil gegen «Vision Zero»

Über 35'000 Motorrad-Fans versammelten sich am Samstag in Bern, um gegen die Verkehrsreform-Vorschläge der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) zu demonstrieren.
Ihre Maschinen hatten sie vor der Stadt abgestellt.
Kaum röhrende Motoren waren zu hören, kaum blitzendes Blech zu sehen, als der Demonstrationszug der Töff-Fahrenden am Nachmittag über die Nydeggbrücke in die Berner Altstadt einfiel: Zu Fuss, den Helm unter den Arm geklemmt, in Lederkluft und Transparente tragend zogen die Motorrad-Fahrerinnen und -Fahrer in Richtung Bundesplatz.
Ihre Töffs und Roller hatten die Demonstranten zuvor auf der Grossen Allmend vor den Toren Berns abgestellt. Am Morgen waren sie in Gruppen aus der ganzen Schweiz angereist und hatten auf den Autobahnen vor Bern für massive Verkehrs-Behinderungen gesorgt. «Vierspurig und mit nur 80 km/h waren sie auf der Autobahn unterwegs», sagte ein Polizeisprecher.
«Wollt ihr den totalen Polizeistaat?»
Auf dem Bundesplatz richtete unter anderem Ex-Auto-Partei-Nationalrat Michael Dreher als Vertreter einer «Auto-Allianz» das Wort an die Demonstranten. Der motoriserte Verkehr werde nicht nur mit Treibstoffzöllen, Tempolimiten und zu engen Strassen schikaniert, sondern nun auch noch mit der «Vision Zero».
Kein vernünftiger Mensch könne sich an das vorgeschlagene Verkehrsregime halten: «Wir sind gegen Leute mit null Visionen ausser der Idee des Verbots-Staates». Unter dem Applaus der Masse bezichtigte er Verkehrsminister Moritz Leuenberger einer «idiotischen Politik» und fragte: «Wollt ihr den totalen Polizeistaat auf den Strassen?»
Gegen «diskriminierende Massnahmen»
Mit der Kundgebung protestierten die Motorrad-Fahrenden gegen den bfu-Expertenbericht «Vision Zero». Unter dem Vorwand der Verkehrssicherheit schlage dieser «diskriminierende Massnahmen für Töff-Fahrer» vor, bemängelt die Aktion «Pro Moto», die zur Veranstaltung vom Samstag aufgerufen hatte.
Besonders die von «Vision Zero» vorgesehene technische Tempobegrenzung auf 80 Kilometer pro Stunde für Töffs aller Art ist der Vereinigung von Importeuren, Händlern, Fachzeitschriften und Fahrerverbänden ein Dorn im Auge.
Zudem will die IG Motorrad bis im Oktober die «Strasse des Schreckens» ermitteln. Damit wolle die IG das Augenmerk auf Rutschgefahren zum Beispiel durch Teerflicken und Gulli-Deckel richten, heisst es in einer Mitteilung vom Samstag.
Über 50 Vorschläge
«Vision Zero» listet über 50 Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf. Ziel der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung ist es, die Zahl der tödlichen Verkehrsunfälle bis ins Jahr 2010 auf unter 300 zu senken. Ende 2004 soll das Geschäft dem Parlament vorgelegt werden.
Die bfu hielt am Samstag in einem Communiqué an ihrer Überzeugung fest, dass die Massnahmen sinnvoll sind. Das Risiko, mit dem Töff zu verunfallen, sei siebenmal höher als beim Auto. Jährlich seien auf den Schweizer Strassen über 90 getötete und 1600 schwer verletzte Motorrad-Fahrende zu beklagen.
swissinfo und Agenturen
«Vision Zero»: 50 Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit
bfu-Ziel: Zahl der tödlichen Verkehrsunfälle bis 2010 auf unter 300 senken
Jährlich über 90 getötete und 1600 schwer verletzte Mottorrad-Fahrende auf Schweizer Strassen
Im Zentrum der Motorradfahrer-Kritik an den Verkehrsreform-Vorschlägen der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) steht die technische Tempolimitierung für Motorräder und Roller auf 80 Kilometer pro Stunde und die Erhöhung des Mindestalters für das Lenken von 50-Kubikzentimeter-Motorrädern und -Rollern von 16 auf 18 Jahre.
Abgelehnt werden zum anderen eine Sondervorschrift für Motorradfahrer beim Alkoholgrenzwert von 0,2 Promille, Tempo 70 ausserorts sowie die Sonderbehandlung bei der obligatorischen Weiterbildung.

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