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Nein am 8. Februar bringt Swiss in Turbulenzen

Anflug auf Kloten: Bei einem Volksnein geriete die Swiss in Turbulenzen, meint der Verkehrsminister.

Die Abstimmung vom 8. Februar entscheidet nicht nur über die Personenfreizügigkeit, sondern sei auch für die Swiss schicksalshaft. Laut Verkehrsminister Moritz Leuenberger hätte ein Nein gravierende Auswirkungen auf die Airline.

Über die Personenfreizügkeit, über deren Ausdehnung am 8. Februar abgestimmt wird, sind auch zahlreiche andere Abkommen mit der EU verknüpft. Bei allen geht es um die Öffnung der Märkte – des riesigen EU-Binnenmarktes seitens der Europäischen Union, des kleinen eigenen Marktes seitens der Schweiz.

Für die Schweiz als Kleinstaat sind die Luft- und Landverkehrsabkommen mit der EU lebenswichtig: Über 70% aller Flugbewegungen auf Schweizer Flughäfen ergeben sich mit oder von Destinationen in der EU.

Davon betroffen wäre in erster Linie die Schweizer Fluggesellschaft Swiss. Verkehrsminister Moritz Leuenberger befürchtet sogar das Schlimmste für den Airline, wie er in seinem Internet-Blog schreibt:

«Ohne dieses Abkommen könnte die Fluggesellschaft Swiss kaum überleben.» Da helfe auch der Umstand nicht weiter, dass die Swiss der Lufthansa gehöre, die ihren Sitz in der EU hat.

Ein weiteres Grounding?

Bundesrat Leuenberger kommt im Blog auch auf die Parallelen zur Swissair zu sprechen. Nach dem EWR-Nein von 1992 hatte die Swissair zahlreiche Verkehrsrechte, Flughafenanflug- und abflug-Slots verloren.

Und ohne Luftfahrtsabkommen war eine Zusammenarbeit mit der EU schwierig. Ein Abkommen kam erst 2002 zu Stande. Bei einem Nein am 8. Februar würde es gekündigt, und «der Swiss bliebe der Zugang zum innereuropäischen Streckennetz weitgehend verwehrt», schreibt Leuenberger im Blog.

Von Zürich nach Berlin könnte man zwar noch mit Swiss fliegen, aber nachher von Berlin aus nicht mehr weiter. Im Airliner-Jargon heisst das «Fünfte Freiheit», die Berechtigung zum Weiterflug von einem EU-Staat in den anderen.

Leuenberger kommt auch auf die 2 Milliarden Franken zu sprechen, mit denen Bund und Kantone damals nach dem Grounding der Swissair einsprangen. Mit ein Grund für diese Zahlung war, dass auch viele Zulieferbetriebe vom Schicksal der nationalen Fluggesellschaft abhängen.

Alles neu verhandeln

Ähnlich klingt es bei der Swiss. Sprecherin Andrea Kreuzer bestätigt die Befürchtungen des Verkehrsministers gegenüber swissinfo: «Man müsste im Fall eines Volks-Neins einen Teil der Verkehrsrechte neu verhandeln. Denn diese Rechte werden ja zwischen den einzelnen Ländern ausgehandelt, und nicht zwischen den Airlines.»

Also spiele es auch keine Rolle, ob die Swiss eine eigenständige Schweizer Gesellschaft oder in einen EU-basierten Konzern, die Lufthansa, eingebettet sei. Es sei die Swiss, die Schweizer Flughäfen als Basis benutze, und dies diene als Kriterium für die Vergabe von Verkehrsrechten.

Auch Paul Kurrus bestätigt, dass es nach dem EWR-Nein für die Swissair erschwerend war, ohne Luftfahrtsabkommen mit der EU wirtschaften zu müssen. Der Präsident von Aerosuisse, dem Dachverband der Schweizerischen Zivilluft- und Raumfahrt, will deshalb aber nicht der Politik die Schuld am damaligen Swissair-Debakel geben.

«Massive Erschwernis»

Nach dem EWR-Nein brauchte die Schweiz ein ganzes Jahrzehnt, um mit der EU das heute bestehende Luftfahrtsabkommen abzuschliessen. «Würde dieses Abkommen durch ein Volks-Nein nun ausser Kraft gesetzt, erschwerte dies die Bewältigung der Wirtschaftskrise für die Luftfahrt massiv «, so Kurrus.

«Mehr als ein Drittel der ausländischen Touristen, die die Schweiz besuchen, kommen mit dem Flugzeug», sagt Kurrus.

Dieses Beispiel mache deutlich, wie gut die Luftverkehrsverbindung zwischen der Schweiz und Europa funktioniere. Die gesamte volkswirtschaftliche Bedeutung der Schweizer Luftfahrt sei enorm: «Von der Zivilluftfahrt hängen rund 180’000 Arbeitsplätze ab, die eine Wertschöpfung von über 26 Mrd. Franken generieren.»

Gleichberechtigter Zugang

Das bilaterale Luftverkehrsabkommen sichert den Schweizer Fluggesellschaften laut Aerosuisse auch den gleichberechtigten Zugang zum europäischen Luftverkehrsmarkt: Dank dieses Abkommens lässt sich ab den Schweizer Flughäfen ein dichtes Netz von Europa- und Interkontinental-Flugdestinationen anbieten.

Im internationalen Flugverkehr macht ein Alleingang der Schweiz wenig Sinn. Luftverkehr ist für die Schweiz fast immer grenzüberschreitend und international wird er immer standardisierter.

Das Luftverkehrs-Abkommen geht weiter als andere bilaterale Abkommen, da die Schweiz den so genannten Acquis communautaire im Luftrecht übernehmen darf. Dieser Acquis umfasst alle Rechte, die zwischen den anderen EU-Ländern schon vorher eingeführt wurden – und welche die Schweiz im Alleingang nochmals mit diesen Ländern hätte separat aushandeln müssen (Lande- und Verkehrsrechte zum Beispiel).

swissinfo, Alexander Künzle

Das Netz an Verträgen zwischen der EU und der Schweiz umfasst inzwischen 18 Abkommen. Zweck ist immer der Zugang zu den jeweiligen Binnenmärkten.

Die Verträge sind viel wichtiger für die Schweiz als für die EU, weil die Schweiz jeden 3. Franken in der EU verdient, was umgekehrt nicht der Fall ist.

Die Abkommen:

Freihandelsabkommen 1972
Versicherungsabkommen 1989
Bilaterale I (7 Abkommen)
Bilaterale II (8 Abkommen)
Schengen/Dublin-Abkommen

Das Luftverkehrs-Abkommen gehört zu den sieben der Bilateralen I.

In der Volksabstimmung vom 8. Februar geht es formal um eine Ausdehnung der Personenfreizügigkeit (Abkommen aus den Bilateralen I).

De facto geht es aber um alle Abkommen. Die Abkommen sind zu Paketen verknüpft, so dass bei der Kündigung eines Vertrags alle anderen, die zu den Bilateralen I gehören, automatisch mitwegfallen.

Das Abkommen über den Luftverkehr ist eines der sieben Abkommen der Bilateralen I.

Die anderen 6 Abkommen beziehen sich auf Landverkehr, Personenfreizügigkeit, technische Handelshemmnisse, öffentliches Beschaffungswesen, Forschung und Landwirtschaft.

Beim Luftverkehr geht es wie bei den anderen Abkommen um die gegenseitige Öffnung der Märkte, hier um die Luftverkehrsmärkte.

Dabei geht es um Verkehrsrechte (verschiedene Freiheiten in der Routenwahl, Cabotage), Flugsicherheit, etc.

Schaden würde ein Volksnein auch den Sicherheits-Bestimmungen in der Luftfahrt.

Dabei handelt es sich um die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA).

In der EASA arbeiten die Schweiz und die EU erfolgreich zusammen. Dies würde laut Paul Kurrus leiden.

«Die EU stand seit den 90er-Jahren nicht still. Viele seither harmonisierte Bestimmungen im europäischen Luftfahrts-Sicherheitsbereich sind teilweise Voraussetzungen oder erleichtern den Schweizer Akteuren in der Luftfahrts-Branche die Arbeit.»

In den Gremien der EASA habe die Schweiz einen erheblichen Einfluss, der bei einem negativen Ausgang der Abstimmung verloren ginge.

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