Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Optimismus trotz Wolken am Wirtschaftshimmel

Die Börsenkurse machen Händlern und Anlegern momentan Kopfweh. Reuters

Angesichts der Kreditkrise und einer möglichen Rezession in den USA stufen Schweizer Firmen die Aussichten für 2008 verhaltener, aber immer noch positiv ein.

Die Börsenkurse sind am Dienstag weltweit gesunken, nachdem die US-Bank Citigroup einen Abschreiber von knapp 20 Mrd. Franken vornehmen musste.

Die Experten sind sich einig: Die US-Kreditkrise ist noch nicht ausgestanden. Die Verluste an den internationalen Märkten wecken Befürchtungen nach einem weltweiten Abflauen der Wirtschaft.

In der Schweiz musste die Grossbank UBS am meisten für die US-Hypothekenkrise bluten und bisher 16 Mrd. Franken abschreiben. Im Gegenzug konnte sie ausländische Investoren ins Boot holen. Diese sind jetzt mit 13 Mrd. Franken am Unternehmen beteiligt.

US-Leitwirtschaft

Die USA sind zwar “nur” zweitwichtigster Handelspartner der Schweiz hinter der Europäischen Union (EU), bleiben aber einflussreichste Wirtschaft. Eine US-Rezession hätte tief greifende Folgen für die Weltwirtschaft, also auch für die Schweiz.

Trotz der Warnzeichen sind die Schweizer Unternehmen nach einem sehr guten letzten Geschäftsjahr auch für 2008 optimistisch. Dies ergab eine Umfrage der UBS bei rund 4100 Firmen. Die Branchen Uhren, Pharma und Informatik erwarten die stärksten Umsatzimpulse.

“Grosse und kleine Unternehmen aus allen Regionen sagen höhere Verkäufe und Gewinne voraus. Die positive Gesamtsicht wird nur durch geringfügige Befürchtungen von Abschwächungen in einigen Sektoren getrübt”, so das Fazit der Autoren. Die Skepsis betrifft vor allem den Bausektor.

Das kurzfristige Vertrauen sei gerechtfertigt, sagt Daniel Kalt, Leiter der Abteilung “Economic and Swiss research” bei der UBS.

Wachsames Auge

“Alle Bedingungen, die in den letzten Jahren zu grossem Wachstum geführt haben, bleiben weiter bestehen”, sagt Kalt gegenüber swissinfo. Der schwache Frankenkurs begünstige die Exporte, die Beschäftigung steige, ebenso das reale Einkommen. “Das Bild sieht besser aus, als die Nachrichten von den Börsen tönen”, so der Experte.

Optimismus herrscht auch bei Swissmem, dem Verband der Maschinen- und Metallindustrie. Chef Hans-Ulrich Bigler sieht seine Branche momentan gut positioniert, blickt aber mit einem wachsamen Auge in die mittelfristige Zukunft.

“Das Tagesgeschäft macht uns keine Sorgen, die Kapazitäten sind aufgrund der Aufträge aus den USA zu 93% ausgelastet”, sagt Bigler. Einer der Gründe für das grosse Wachstum im Asien sei aber der wachsende Bedarf der US-Wirtschaft.

“Angesichts der sich abzeichnenden grösseren Probleme sind wir beunruhigt, dass eine kriselnde US-Wirtschaft die Weltwirtschaft in den nächsten zwei bis drei Jahren bremsen könnte.”

Schwacher Dollar

Martin Naville, Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, geht davon aus, dass eine wirtschaftliche Abflachung den erfolgreichen Unternehmen nicht viel anhaben könne. Anders dagegen sähe es bei einer ausgewachsenen Rezession aus.

Die grösste Gefahr drohe dabei vom schwachen Dollar, der die Exporte bremsen und die Gewinne schmälern würde, und dies trotz des Vorteils der steigenden Ölpreise.

Am letzten Mittwoch erreichte die US-Währung mit 1,0839 Franken den bisherigen Tiefststand.

“Die Exporte sind der Motor der Schweizer Wirtschaft, und die Verträge sind praktisch ausnahmslos in Dollar abgeschlossen. Ein tieferer Kurs bedeutet folglich kleinere Gewinne”, sagt Naville.

Export-Klumpenrisiko

Ein schwacher Dollar sei gut für Airlines und die Importindustrie. Weil aber die Schweiz einen grossen Handelsbilanz-Überschuss hat, macht dies laut Naville die Unternehmen anfällig.

Mit einer Verlangsamung rechnet auch das Schweizerische Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Laut der Bundesbehörde wuchs die Schweizer Wirtschaft im letzten Jahr um 2,8%. Für das laufende Jahr rechnen die Ökonomen des Seco mit einem Wachstum von 1,9%.

swissinfo, Matthew Allen in Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Die USA sind der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz.
Die Exporte betrugen 2006 über 20 Mrd. Franken.
Die Importe beliefen sich auf 11 Mrd. Franken.
Daraus resultierte ein Handelsbilanzüberschuss von knapp 10 Mrd. Franken.
Seit den 1990er-Jahren haben sich die Exporte in die USA verdreifacht.

Die Wirtschaft der USA zeigt infolge der Hypothekenkrise seit Ende 2006 Risse. Grund: Leute mit tiefen Einkommen können die Hypotheken nicht mehr zurückzahlen.

Als erstes getroffen wurde der Bankensektor, der seine Risiken nicht mehr weitergeben kann (Hedge Fonds). Als Folge brach 2007 der US-Immobilienmarkt zusammen.

Die internationalen Märkte reagierten mit breiten Verlusten auf die schlechten Nachrichten. Die nationalen Notenbanken versuchten mit Geldspritzen, eine Kreditkrise abzuwenden.

Enttäuschende Arbeitsmarkt-Zahlen akzentuierten die Probleme in den USA: Die Beschäftigung stieg nicht im erwarteten Mass.

Die US-Notenbank erwägt eine Senkung der Leitzinsen. Es bleiben aber Ängste, dass der hohe Ölpreis die Inflation weiter antreibt.

Alle blicken deshalb gebannt auf die US-Konsumenten und die Entwicklung weiterer Kreditbereiche, namentlich der Kreditkarten.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft