
Pfeiftöne warnen Rehe und Wildschweine

Der Kanton Zürich will mit technischen Massnahmen die Verkehrsunfälle mit Wildtieren um die Hälfte senken. Im Zentrum stehen akustische Warngeräte mit Lichtsensoren.
Das Pilotprojekt wird wissenschaftlich begleitet und soll später auch auf andere Kantone ausgedehnt werden.
Strassen durchschneiden die natürlichen Lebensräume von Wildtieren. Jede Stunde prallt in der Schweiz ein Reh mit einem Fahrzeug zusammen. Den Versicherungen werden jährlich mehr als 20’000 Kollisionen gemeldet.
Fachleute schätzen die Dunkelziffer und auch die Zahl der Unfälle mit andern Wildtieren wie Fuchs und Dachs hoch ein.
Bei den Unfällen verletzen sich über 60 Menschen pro Jahr. Der Schweizerische Versicherungsverband (SVVV) beziffert den jährlichen Sachschaden auf über 25 Mio. Franken.
Scheinwerfer lösen Pfeifton aus
Kern des Zürcher Pilotprojektes sind Wildwarner, welche in den kommenden Tagen entlang der neuralgischen Strassenabschnitte installiert werden.
Bis im Frühjahr 2008 sollen im Kanton Zürich fast 7000 Geräte an mehr als 400 Strecken mit einer Gesamtlänge von rund 400 Kilometern stehen. Die Wildwarner sind mit einem Sensor ausgestattet.
Das in der Dämmerung oder in der Nacht auf die Sensoren fallende Schweinwerferlicht löst einen Pfeifton aus, der im Umkreis von 70 Metern zu hören ist.
Der Ton hält Wildtiere vom Überqueren der Strasse ab und verstummt nach kurzer Zeit wieder. «Unser Ziel ist es nicht, das Tier in Panik zu versetzen. Es reicht, wenn es zwei, drei Sekunden stehen bleibt, bis das Auto vorübergefahren ist», sagt dazu Urs Philipp, Leiter der Zürcher Fischerei- und Jagdverwaltung.
Tests mit positiven Resultaten
Das System wurde während zwei Jahren auf vier Teststrecken erprobt. Die Kollisionen mit Rehen und Wildschweinen konnten dort um die Hälfte reduziert werden.
Aufgrund der positiven Resultate hat der Kanton Zürich nun das viel breiter angelegte Pilotprojekt entwickelt. Noch könne allerdings nicht definitiv beurteilt werden, ob das System auch nachhaltig und über Jahre funktionieren werde, betonen die Verantwortlichen.
Ziel ist eine Reduktion der Unfälle um 50%. «Ob wir dieses hoch gesteckte Ziel erreichen, ist ungewiss», räumt der Zürcher Baudirektor Markus Kägi ein. Noch nicht geklärt ist etwa die Frage, ob sich die Tiere mittel- und langfristig an den Pfeifton gewöhnen werden.
«Damit wir es ganz genau wissen, werden wir einige Wildwarner für kurze Zeit entfernen», führt dazu Urs Philipp aus.
Wenn dann die Unfälle nicht sprunghaft ansteigen, könnte das heissen, dass sich die Tiere an den Absckreckungston gewöhnt haben. Der Versuch wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.
Luzern und Schaffhausen interessiert
Versuche in Süddeutschland und Österreich haben ergeben, dass akustische Warnsignale bei Wildtieren kaum einen Gewöhnungseffekt hervorrufen. Dies im Gegensatz etwa zu aufgehängten Alufolien.
Andere Kantone haben bereits ihr Interesse angemeldet. Für Frühling 2008 ist eine Ausweitung des Projektes auf Teilgebiete der Kantone Schaffhausen und Luzern vorgesehen. Im Kanton Luzern sollen 1140, in Schaffhausen 470 Geräte eingesetzt werden
Montiert werden die Wildwarngeräte auf den bestehenden Strassenpfählen. Der Pfeifton ist auch für das menschliche Ohr hörbar. Die meisten Geräte befinden sich in unbesiedelten Gebieten.
Doch lässt sich laut den Verantwortlichen nicht vermeiden, dass auch einzelne Wohnhäuser beschallt werden. Deshalb mussten während der Testphase mehrere Geräte abmontiert werden.
Batterien statt Solarzellen
Die Geräte für den Testversuch stammen aus Deutschland. Nun hat der Kanton Zürich aufgrund der Erfahrungen einen eigenen Gerätetypus entwickelt. Anstatt durch eine Solarzelle wird das Warnsystem durch konventionelle Batterien betrieben.
«Solarzellen haben den Nachteil, dass die wegen der Verunreinigung durch den Verkehr nicht mehr genügend Energie liefern. Der Unterhalt ist zudem aufwändig», begründet Jürg Zinggeler von der Zürcher Fischerei- und Jagdverwaltung gegenüber swissinfo den Systemwechsel. «Die Batterien liefern gemäss den Angaben des Herstellers zwischen drei und fünf Jahren Strom.»
Verantwortlich für die Montage und den Unterhalt sind die privaten Jagdgesellschaften des Kantons Zürich.
swissinfo, Andreas Keiser
Die Kampagne wird getragen von der Baudirektion des Kantons Zürich, vom Schweizerischen Versicherungsverband sowie den Verbänden Schweizer Tierschutz (STS) und RevierJagd Schweiz.
Die Projektkosten (300’000 Fr. für das Jahr 2007) werden grossteils vom Versicherungsverband übernommen.
Die (privaten) lokalen Jagdgessellschaften sind zuständig für die Montage und den Unterhalt der Geräte.

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