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Swiss-Piloten-Streik: “Die Geister der Vergangenheit”

swissinfo.ch

Nach dem Streik der Ex-Crossair Piloten vom Dienstag hat sich der Flugverkehr bei der Swiss langsam normalisiert. Die Kampfaktion stösst in der Presse auf wenig Verständnis.

Verloren hätten durch den Streik alle, so der Tenor in den Schweizer Medien. Auch am Mittwoch musste die der deutschen Lufthansa gehörende Swiss 14 weitere Flüge annullieren.

“Hört das Swiss-Theater nie auf?” fragt das Boulevardblatt Blick und spricht von einem “Grounding in Kloten”.

Obwohl sich der Pilotenstreik 2006 nicht mit dem Swissair-Grounding von 2001 vergleichen lässt, meint der Tages Anzeiger: “Fünf Jahre danach kehren die Geister der Vergangenheit zurück. Wieder einmal ist die Schweizer Fluggesellschaft teilweise lahm gelegt.” Dieses Mal aber nicht aufgrund verfehlter Unternehmensstrategie und Managementfehler, “sondern als Folge eines völlig aus dem Ruder gelaufenen Arbeitskampfes”.

Der Streik hat laut der Basler Zeitung tatsächlich einen Zusammenhang mit den Ereignissen von 2001: “Denn nach dem Grounding wurde die Swiss in einer beispiellosen Hauruck-Übung aus dem Boden gestampft. Die neue Fluggesellschaft war fast von Beginn weg eine Restrukturierungs-Kandidatin.”

Der Führung sei es nie gelungen, das leidige Pilotenproblem zu lösen, weder unter André Dosé noch unter dem jetzigen Chef Christoph Franz. “Andere Swiss-Geburtsfehler konnten behoben werden, in der Lohnfrage zeigen sich aber deutliche Führungsmängel.”

Imageschädigend

Als zuverlässige Qualitätsanbieterin dürfe sich die Schweiz keine annulierten Flüge leisten, zeigt sich der Berner Bund überzeugt: “Mit ihrem kurzfristig angesetzten Streik schaden die Regionalpiloten also der Marke Swiss und sie kratzen am Image der Gesellschaft.”

“Die Ex-Crossair-Piloten lähmen die Swiss”, titelt die Westschweizer Le Temps. Und sie fragt sich, ob die Wahl des Streiks durch die ehemaligen Mitarbeiter der regionalen Gesellschaft Crossair das richtige Mittel war, um glaubwürdig zu werden.

Trotz einem gewissen Verständnis für die Regionalpiloten hätten diese mit ihrem Streik nicht nur der Swiss einen Bärendienst erwiesen. “Vor allem haben sie sich selbst endgültig ins Abseits manövriert”, meint auch der Tages Anzeiger.

Passagiere düpiert

Auch die Neue Zürcher Zeitung teilt diese Ansicht, denn die Piloten düpierten mit ihrer “kopflosen Aktion über 8000 Passagiere”. Wenn es etwa bei Alitalia oder Air France zu einem Pilotenstreik komme, “wird dieser von den Gewerkschaften jeweils weit im Voraus angekündigt, damit der Schaden für die Passagiere wenigstens so gering wie möglich bleibt”.

Die NZZ prangert das nach ihrer Ansicht zu kleine Kundenbewusstsein der Piloten an: “Hier wissen technisch qualifizierte Mitarbeiter offensichtlich nicht mehr, wem sie als Dienstleister ihren Arbeitsplatz und Lohn verdanken: nämlich dem zahlenden Passagier.”

Demgegenüber meint La Regione Ticino: “Die Piloten, die ehemaligen Angestellten der Crossair, beschwerten sich bereits seit langem über ihre prekäre Situation. Sie baten um eine Anpassung ihrer Löhne. Denn lange Zeit hatten sie das Gefühl, das fünfte Rad am Wagen der Swiss zu sein.”

Wie weiter?

Auch die Basler Zeitung weiss nicht, wie die Scherben jetzt gekittet werden sollen: “Das Einzige was sicher ist: Diese Fluggesellschaft muss auch in der Sozialpartnerschaft wieder auf sicherem Boden ankommen. Und zwar ziemlich bald.”

So sieht es auch die NZZ: “Soll die Swiss nicht das böse Ende der Swissair nehmen, ist die umgehende Rückkehr an den Verhandlungstisch für beide Seiten Pflicht.”

swissinfo, Etienne Strebel

Am Dienstag mussten wegen des Streiks 128 Swiss-Europaflüge annulliert werden, am Mittwoch noch 14 weitere.
Von der Streikaktion am Dienstag betroffen waren 8271 Passagiere. Die meisten von ihnen wurden umgebucht oder per Zug und Bus transportiert. 129 wurden in Zürcher Hotels untergebracht.
Bestreikt wurde ausschliesslich die aus 24 Maschinen bestehende “Jumbolino”-Flotte, die von den ehemaligen Crossair-Piloten geflogen wird.

Im August 2005, ein halbes Jahr nach der Übernahme durch die Lufthansa, redimensioniert Swiss ihre Regionalflotte (ex-Crossair).

Im Oktober 2005 lagert Swiss die Regionalflotte aus und nennt sie Swiss European.

Im Dezember 2005 verständigen sich die Swiss und die Piloten der Regionalflotte, Verhandlungen über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) aufzunehmen.

Im März 2006 nehmen die Piloten den von Swiss und der Gewerkschaft Swiss Pilots ausgehandelten Vertrag an, der Einschnitte bei den Löhnen bedeutet hätte.

Anfang Mai hat die Pilotengewerkschaft bekannt gegeben, dass sie bei der Abstimmung eine Fälschung entdeckt habe.

Swiss Pilots hat die Durchführung einer neuen Abstimmung über den GAV angekündigt, doch die Direktion der Swiss lehnt dies ab.

Da es bisher keinen GAV gibt, sind seit Anfang April Einzelverträge in Kraft. Deren Bedingungen sind allerdings im Vergleich mit den übrigen Piloten der Flotte schlechter.

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