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Türen auf für ausländische Verwaltungsräte

Werden künftig mehr Ausländer Einsitz in Schweizer Verwaltungsräten nehmen? Keystone

Die Schweiz ändert ihre Haltung: Immer mehr europäische Spitzenkräfte gehören Schweizer Verwaltungsräten an.

In diesen Aufsichts-Gremien muss künftig nicht mehr eine Mehrheit von Schweizer Bürgern sitzen, damit die Firma offiziell registriert werden kann.

Führende Schweizer Manager begrüssen die Änderung. Es sei ein erster Schritt zur Liberalisierung der Unternehmensführung in der Schweiz.

“Es macht wirklich keinen Sinn, Leute in der Führungsetage zu beschäftigen, nur weil sie einen Schweizer Pass haben”, sagt Howard Rosen, Präsident der Britisch-Schweizerischen Handelskammer (BSCC), gegenüber swissinfo.

“Zudem ist es für ein Unternehmen sehr gefährlich, wenn in diesen Gremien Leute sitzen, die mit der Materie zu wenig vertraut sind”, sagt Rosen weiter.

Der Wechsel hin zu einem offeneren System bedeutet aber auch, dass ausländische Firmen mehr Einfluss haben werden auf ihre in der Schweiz niedergelassenen Tochterfirmen.

Seit August kann nun der Verwaltungsrat einer Firma in der Schweiz eine Mehrheit von Bürgern aus der Europäischen Union (EU) oder der Europäischen Freihandelszone (EFTA) aufweisen. Das war bis zu diesem Datum nicht möglich.

Etwas weniger Kopfschmerzen

Wie Rosen weiter sagt, wurden bei den bilateralen Verträge mit der EU die Restriktionen für ausländische Verwaltungsräte als diskriminierend bezeichnet.

Nach monatelangen Lobbyieren, so auch durch den BSCC, hätten die Schweizer Behörden ein Rundschreiben an die Kantone verfasst. Darin seien diese explizit aufgefordert worden, den Artikel 708 grosszügiger auszulegen und Bürger der EU und der EFTA einzuschliessen.

Für ausländische Investoren bedeuteten die Schweizer Beschränkungen seit langem eher Ärger als eine unüberbrückbare Handelsbeschränkung.

Internationale Unternehmen mit Schweizer Niederlassungen wurden gezwungen, zusätzliche Verwaltungsräte zu ernennen, um Sitze für Nicht-Schweizer zu schaffen.

Ohne Wohnsitz

Hans Peter Brunner, CEO SChweizer Niederlassung der in London ansässigen Coutts Bank, begrüsst die neue Regelung auch, findet aber, sie sollte noch weiter liberalisiert werden.

“Lord Hume ist unser Vorsitzender und Gordon Pell unser Geschäftsführer. Beide wohnen nicht in der Schweiz. Ich möchte sie aber beide im Verwaltungsrat haben, weil sie das Geschäft bestens verstehen.”

Laut Rosen muss in einem nächsten Schritt das Schweizer Parlament überzeugt werden, die Restriktionen für Verwaltungräte, die nicht in der Schweiz Wohnsitz haben, aufzuheben.

“Diese veraltete Idee, dass eine Mehrheit der Verwaltungsrats-Mitglieder in der Schweiz wohnen müssen, ist im Zeitalter der Globalisierung unsinnig”, so Rosen.

Insel Schweiz

Für Brunner, der im Ausland gelebt hat, ist klar, dass in gewissen Geschäftskreisen die Angst besteht, die Schweizer Kontrolle könnte verwässert werden.

“Aber meiner Meinung nach tragen nicht-schweizerische Mitglieder zur Professionalisierung einer Firma bei. Wir können von andern Kulturen lernen, und sie von uns”, sagt Brunner.


Im Gegensatz zu Grossbritannien oder den USA herrschen in der Schweiz, was die Zusammensetzung der Verwaltungsräte betrifft, strenge Regeln.

Das hat auch dazu geführt, dass die einheimische Geschäftswelt zunehmend zu einer Insel wurde.

Obgleich sich die Zustände langsam verändern, beherrscht immer noch eine relativ schmale Elite die Verwaltungsräte der 20 wichtigsten Schweizer Firmen.

Und während andere Länder ihre Problehm haben mit “Seilschaften der alten Garde” und Vetternwirtschaft, hat zum Beispiel der Zusammenbruch der Schweizer Fluggesellschaft Swissair im Jahr 2001 die Reformen beschleunigt.

“Der neue Führungsstil in den Unternehmen nach den doch zahlreichen Firmen-Abstürzen zeigt sich darin, dass mehr und mehr Leute in Verwaltungsräten sitzen, die kosmopolitisch handeln und denken”, sagt Howard Rosen.

Jacob Greber, Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Urs Maurer)

In den Verwaltungsräten muss künftig nicht mehr eine Mehrheit von Schweizer Bürgern sitzen, um im Handelsregister eingetragen zu werden. Seit August kann der Verwaltungsrat einer Firma in der Schweiz eine Mehrheit von Bürgern aus der Europäischen Union oder der EFTA aufweisen. Das war bis zu diesem Datum nicht möglich.

Es ist zwar immer noch eine gewisse Angst vorhanden, die Schweizer Führungskräfte würden die Kontrolle über eine Firma verlieren. Doch andererseits ist die Erkenntnis da, dass nicht-schweizerische Mitglieder zur Professionalisierung einer Firma beitragen. Denn von anderen Kulturen kann man lernen.

Die schweizerischen Restriktionen haben auch dazu geführt, dass die einheimische Geschäftswelt zunehmend zu einer Insel wurde.

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