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Wikipedia will Wissenszugang fördern

Zunehmend mehr Internet-Nutzer nehmen das stetig wachsende Angebot der Online-Enzyklopädie in Anspruch. Keystone

Das Wissen der Menschheit – gratis und per Mausklick. Wikimedia.ch will die Online-Enzyklopädie Wikipedia bei der Erreichung dieses Ziel unterstützen.

Wissen soll aber nicht nur konsumiert werden. Die “User” werden aufgefordert, beim Zusammentragen dieses Wissens mitzuhelfen.

“Wikipedia ist ein Projekt zur Förderung freien Wissens, eine Online-Enzyklopädie. Wir wollen eine möglichst vollständige, qualitativ hochstehende Enzyklopädie, die im Internet frei verfüg- und bearbeitbar ist”, sagt Nando Stoecklin, einer der Gründer von Wikimedia-Schweiz gegenüber swissinfo.

Der Schweizer Wikipedia-Förderverein Wikimedia wurde Mitte Mai 2006 gegründet. Er will in der Online-Enzyklopädie den Weg ebnen für schweizerische Inhalte, respektiv von Schweizerinnen oder Schweizern verfasste Artikel.

“Als Unterstützung machen wir Öffentlichkeitsarbeit”, erklärt der Ethnologe Stoecklin. “Wir möchten die Bevölkerung auf die gesamte Thematik aufmerksam machen.”

Denn einerseits kann man an Projekten mitarbeiten und mitschreiben, andererseits lassen sich die Inhalte auch gratis konsumieren und weiterverwenden.

Keine Wikipedia.ch

Wikimedia.ch ist gegründet. Und der nächste Schritt: Wikipedia.ch? Nando Stoecklin winkt ab: “Eine schweizerische Wikipedia würde keinen Sinn machen. Die Online-Enzyklopädie ist ja nach Sprachen aufgebaut, nicht nach territorialen Grenzen.”

Und da bereits je eine Wikipedia in allen vier Landessprachen existiert, ist die ganze Schweiz abgedeckt.

Google-Ranking und Tippfehler

Wikipedia tut viel dafür, dass bei Begriffsuchen, zum Beispiel in der Suchmaschine Google, die Treffer der entsprechenden Wikipedia-Seiten möglichst weit vorne rangieren.

“Auf diese Weise finden die Internet-User zu Wikipedia und entdecken, dass sie sich auch daran beteiligen, sprich mitschreiben können. So, denke ich, sind die meisten zu Wikipedia gekommen”, erklärt Stoecklin.

“Und weiter lädt bei jedem Artikel der Button ‘Bearbeiten’ geradezu ein, mitzuarbeiten – und sei es nur, um kleine Tippfehler zu korrigieren.

Wahr oder falsch?

Jedermann darf einen Wikipedia-Artikel zu einem frei wählbaren Thema verfassen oder bestehende Artikel erweitern oder verbessern. Die geschilderten Fakten entsprechen dabei nicht immer der Wahrheit.

Darf man Unwahrheiten einfach so stehen lassen? Stoecklin: “Hinter Wikipedia stehen Tausende von freiwilligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Diese behalten die Artikel im Blick.” Sie können auf verschiedene Werkzeuge zurückgreifen, um zu verhindern, dass Artikel geschönigt, vandaliert oder manipuliert werden.

Sämtliche Änderungen werden auf einer speziellen Seite aufgelistet. Hier kann kontrolliert werden, wer was geändert hat. Dies kann gegebenenfalls auch wieder rückgängig gemacht werden.

Diese Funktion ist wichtig. Andernfalls könnten zum Beispiel Holocaust-Leugner auf die Idee kommen, ihre Ideen in einem Wikipedia-Artikel unterzubringen.

Laut Stoecklin stehen rechtsextreme Themen wie Adolf Hitler oder Nationalsozialismus unter besonderer Beobachtung. “Da ist es unheimlich schwierig, etwas rein zu tun, das nicht den Tatsachen entspricht.”

Missbrauch möglich

Ganz ausschliessen lässt sich Unfug mit Wikipedia aber nicht. So wurde am Anfang dieses Jahres mit dem ETH-Professor Bertrand Meyer ein makabrer Scherz getrieben: Er wurde in einem Wikipedia-Artikel für tot erklärt, erfreute sich aber bester Gesundheit.

“Solche Sachen können passieren bei Artikeln über Personen, die nicht extrem prominent sind. Denn diese werden nicht so stark beobachtet,” räumt Stoecklin ein.

“Wir sind zwar bestrebt, solche Vorfälle zu verhindern, können sie aber mit den momentan zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ausschliessen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle…

Wer Wikipedia nutzt, darf also nicht blindlings darauf vertrauen, dass die gefundenen Informationen wahr sind.

Dies müssen auch Schülerinnen und Schüler beachten, die Wikipedia als Hilfe für Vorträge oder Hausaufgaben nutzen. Sogar Wikipedia-Gründer Jimmy Wales hat kürzlich Schülerinnen und Schülern empfohlen, nicht aus Lexika zu zitieren.

Wöchentlich protestieren bei ihm durchschnittlich 10 Schüler, die trotz Wikipedia-Zitaten schlechte Schulnoten bekommen haben.

Wikipedia für Kinder?

“Nein, eine Kinder-Wikipedia gibt es noch nicht”, sagt Stoecklin. Das Bedürfnis sei jedoch vorhanden.

Wie eine Kinder-Wiki aussehen könnte, zeigt die so genannte Simple-English-Version im englischsprachigen Raum. Die Autoren versuchen, auch komplizierte Sachverhalte oder Dinge mit einfachen Worten zu erklären.

swissinfo, Etienne Strebel

Das Wikipedia-Gesamtangebot umfasst rund 3,5 Mio. Einträge. Die deutschsprachige Fassung ist nach der englischen Version (über 1,2 Mio.) die zweitgrösste Ausgabe. Sie beherbergt über 425’000 verschiedene Artikel.

Wikipedia will allen Menschen freien Zugang zum Wissen gewähren. Anders als klassische Enzyklopädien ist Wikipedia kostenlos im Internet verfügbar.

Wikipedia ist frei verwendbar. Die Artikel dürfen kopiert, verändert, weiterverbreitet oder kommerziell genutzt werden.

Wikipedia ist eine Sammlung von Webseiten, die jedermann ohne Zusatz-Software und ohne Kenntnisse der Internet-Seitenbeschreibungs-Sprache HTML Webseiten erstellen, verändern und verknüpfen kann.

Am 14. Mai 2006 wurde Wikimedia CH – Verein zur Förderung Freien Wissens gegründet.

Die Gründungsmitglieder rekrutieren sich vor allem aus dem Umfeld der deutsch-, französisch-, italienisch- und rätoromanischen Wikipedia.

Die nationalen Wikimedia-Fördervereine sind nicht für den Betrieb und die Inhalte der Wikipedia-Seiten verantwortlich. Sie unterstützen diese jedoch ideell und materiell.

Seit 2001 befindet sich die frei nutzbare Online-Enzyklopädie Wikipedia im Aufbau. Sie ist verfügbar in mehr als 125 Sprachen, auch in rätoromanisch, alemannisch oder kurdisch.

Wikipedia-Betreiberin ist die Wikimedia-Foundation, eine in den USA ansässige Stiftung.

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