
Flugzeug mit polnischem Präsidenten abgestürzt

Beim Absturz des polnischen Präsidentenflugzeugs in Westrussland sind nach Angaben der russischen Behörden alle 96 Insassen ums Leben gekommen. An Bord der Unglücksmaschine befand sich auch Präsident Lech Kaczynski und seine Frau Maria Mackiewicz.
Es habe keine Überlebenden gegeben, sagte der Gouverneur von Smolensk, Sergej Antufijew, am Samstag im russischen Staatsfernsehen. Unter den Flugpassagieren war nach Angaben der polnischen Zentralbank auch deren Gouverneur Slawomir Skrzypek.
Das Flugzeug vom Typ Tupolew Tu-154 war in Warschau gestartet. Die Maschine stürzte beim Landeanflug auf den Flughafen der Stadt Smolensk ab. Zum Zeitpunkt des Unglücks um 10.50 Uhr Ortszeit (8.50 MESZ) herrschte nach Angaben des Zivilschutzministeriums Nebel.
«Das Flugzeug ging nach dem Absturz in Flammen auf», sagte ein Sprecher des polnischen Aussenministeriums in Warschau.»Rettungsteams versuchten, Passagiere aus der schwer beschädigten Maschine zu ziehen.» Die Unglücksursache war unklar.
Nach dem tragischen Tod des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, dessen Leiche nach dem Absturz geborgen wurde, und weiterer Politiker hat Regierungschef Donald Tusk eine Sondersitzung seines Kabinetts einberufen. Und der polnische Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski hat eine einwöchige Staatstrauer angeordnet.
Bundespräsidentin Leuthard kondoliert
Bundespräsidentin Doris Leuthard hat mit grosser Bestürzung vom tragischen Tod des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und seiner Frau Maria Kenntnis genommen.
«Im Namen des Bundesrates und der gesamten Schweizer Bevölkerung spricht Bundespräsidentin Leuthard den betroffenen Familien, dem polnischen Volk, dem Parlament und den Behörden ihr tiefes Beileid aus», teilte das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement am Samstag weiter mit.
Mit grosser Betroffenheit habe die Schweiz zudem erfahren, dass bei diesem schweren Unglück neben vielen anderen Opfern auch Vize- Parlamentschef Jerzy Szmajdzinski, Vize-Aussenminister Andrzej Kremer, Armeechef Franciszek Gagor, der Chef der polnischen Zentralbank Slawomir Skrzypek, mehrere Parlamentarier und engste Mitarbeiter von Präsident Kaczynski ihr Leben verloren hätten.
Auch Aussenministerin Micheline Calmy-Rey erklärte, sie sei zutiefst erschüttert über den Verlust für das polnische Volk, wie sie nach Angaben des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angegenheiten ihrem polnischen Amtskollegen Radoslaw Sikorski mitteilte. Sie habe Präsident Kaczynski 2007 als Bundespräsidentin getroffen.
Geplante Katyn-Gedenkveranstaltung
Kaczynski wollte in Russland an einer Gedenkveranstaltung mit Familien der Opfer des Massakers von Katyn teilnehmen. Am Mittwoch hatten erstmals die Ministerpräsidenten beider Länder gemeinsam der Opfer von Katyn gedacht und sich als Zeichen der Versöhnung die Hand gereicht.
Die polnischen Offiziere waren nach dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen am 17. September 1939 verhaftet und im April 1940 auf Anordnung des sowjetischen Diktators Josef Stalin erschossen worden.
Nach der Entdeckung der Massengräber 1943 beschuldigte der Kreml «deutsche Faschisten», das Verbrechen begangen zu haben. Erst 1990 in der Glasnost-Ära (Offenheit) gab der neue Kremlchef Michail Gorbatschow zu, dass Sowjetdiktator Josef Stalin den Befehl zum Massenmord gegeben hatte. Angehörige der Ermordeten und polnische Politiker fordern die bis heute ausgebliebene juristische Aufarbeitung und Rehabilitierung der Opfer. Moskau lehnt dies ab.
Vom Kinderstar zum Präsidenten
Der 60-jährige Lech Kaczynski war seit Dezember 2005 Staatspräsident Polens. Landesweit bekannt wurde er bereits im Alter von zwölf Jahren. Der blonde, sommersprossige «Lechek» war zusammen mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw Kinderstar in Kino-Märchenfilmen.
Die Brüder wurden am 18. Juni 1949 in Warschau geboren. Während des Zweiten Weltkrieges kämpften ihre Eltern im Warschauer Aufstand gegen die deutsche Besatzung. Der gläubige Katholik Lech Kaczynski studierte Jura und ging in die Politik. Als polnische Arbeiter gegen die kommunistischen Machthaber die Gewerkschaft Solidarnosc durchsetzten, unterstützte er den Arbeiterführer Lech Walesa.
Mitgründer von PiS
Zusammen mit seinem Bruder Jaroslaw gründete er die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Er trat für einen starken Staat ein und betont nationale Werte. Von 2000 bis 2001 war Lech Kaczynski Justizminister.
Nachdem er zum Staatsoberhaupt gewählt wurde, galt Polen als die «Zwillingsrepublik»: Sein ihm zum Verwechseln ähnlicher Bruder Jaroslaw amtierte von 2006 bis 2007 als Ministerpräsident.
Lech Kaczynski war seit 1978 mit seiner früheren Studienfreundin Maria verheiratet. Das Paar hat eine Tochter.
swissinfo.ch und Agenturen
Die Beziehungen zwischen Bern und Warschau haben sich in den letzten 20 Jahren, seit dem Ende des kommunistischen Regimes in Polen, stark intensiviert.
Die Schweizer Exporte nach Polen, insbesondere Pharma-, Chemie-Produkte und Maschinen, sind von 334 Mio. Franken 1989 auf rund 2,5 Mrd. Franken 2009 angestiegen.
Die polnischen Importe in die Schweiz – Maschinen, Autos und andere Fahrzeuge – stiegen von 119 Mio. Franken 1989 auf 1,2 Mrd. Franken 2009.
Mit über 5 Mrd. Franken Investitionen in Polen ist die Schweiz auf Rang 13.
Die Schweiz hat den Übergang zur Demokratie in Polen aktiv unterstützt, mit über 260 Mio. Franken für technische Hilfsprogramme zwischen 1989 und 2001.
Polen profitiert am meisten von der Kohäsionsmilliarde der Schweiz im Rahmen der EU-Osterweiterung (10 neue Mitgliedstaaten) im Jahr 2004. Von 2007 bis 2012 unterstützt die Schweiz mit 489 Mio. Franken vor allem Infrastruktur-Entwicklungsprojekte in Polen.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch