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Ein besonderer Blick auf die Berge

Das Ausstellungs-Plakat: Martin Kippenbergers provozierende Posen. (kunst Meran) kunst Meran

Die Meraner Ausstellung "Bella Vista - Schöne Aussicht" vermittelt An- und Aussichten, die den Horizont der Betrachter erweitern.

Von den Schweizer Malern Segantini und Giacometti ausgehend, führt die spannende internationale Kunstreise bis in die Gegenwart.

“Es ist eine Ausstellung, bei der nicht einfach eine Schweizer Auswahl im Ausland präsentiert wird”, sagt Marco Obrist, Kurator von “Bella Vista – Schöne Aussicht” in Meran, Südtirol.

“Wir zeigen auch nicht eine österreichische oder italienische Spielart der Bergmalerei. Es findet eine Überschneidung dieser Zonen statt. Interessante Gegenüberstellungen sind hier möglich, die mit einer nationalen Sichtweise verloren gingen. Dazu kommen auch die grossen internationalen Namen, die der Ausstellung noch eine spezielle Würze geben”, führt Obrist weiter aus.

Der Zeitbogen beginnt im 19. Jahrhundert mit Giovanni Segantini sowie Giovanni und Alberto Giacometti. Die Entwicklung bis zur Jahrtausendwende ist augenfällig. Nicht nur die Motive verändern sich im Lauf der Zeit; auch die Darstellungstechniken werden variiert.

Ausstellung und Galerie als Gesamtkunstwerk

Das Ausstellungs-Plakat will provozieren. Es zeigt einen Mann im Anzug, der von einem Berggipfel die Welt unter ihm mustert. Der Österreicher Martin Kippenberger stellt sich selbst mit Gesten und Posen, die in der modernen Geschäftswelt den Erfolg symbolisieren, in die Berggipfel des Tirols.

Die Ausstellung lebt allerdings nicht von der Provokation allein. Dem Schweizer Kunsthistoriker Marco Obrist und den Südtirolerinnen Ursula Schnitzer und Herta Torggler von “kunst Meran” ist es gelungen, kulturelle und mediale Gegensätze so zu präsentieren, dass ein einmaliges, perfekt abgerundetes Kunstwerk entsteht, an welchem auch die ungewöhnlichen Räumlichkeiten von “kunst Meran” massgeblich beteiligt sind.

“kunst Meran” ist in einem originell renovierten Haus in der Meraner Altstadt daheim. Es ist schmal, lang und hat Lauben integriert, ähnlich der Berner Altstadt.

Viel Raum

Das Haus besitzt einen verglasten Lichthof, der das Licht über drei Stockwerke bis auf den Boden führt. Das 1999 erneuerte Gebäude schafft stimmungsvolle, sehr unterschiedliche Räume.

Diese Räume werden genutzt, um das Thema “Bella Vista” zu gliedern, in sinnvolle und sinnliche Portionen zu teilen. Der sich über drei Stockwerke erstreckende Lichthof beherbergt beispielsweise die Serie mit 50 Einzelbildern von Egon Moroder Rusina. Moroder arbeitete im Sommer als Schafhirte, nahm sein Malzeug mit, und malte in einem Zyklus jeweils dasselbe Motiv, aber in verschiedensten Farbvariationen.

Moroder erarbeitet jedes Blatt einzeln. Andere Künstler konstruieren derartige Werke am PC und erstellen einfach verschiedene Koloraturen. Bei Moroder merkt man, dass der Fels (oder die Steinpartie) den er malt, immer derselbe ist.

Er kopiert jedoch sein Motiv nicht einfach, es wird immer ein wenig anders, individuell eben, so wie das Objekt gerade auf ihn wirkt.

Fotografie als Kunstform etabliert

Die Reihe Fotografie, als Parallel-Achse zur Malerei, beginnt mit Vittorio Sella und Albert Steiner. Sella, ein leidenschaftlicher Berggänger hatte in den 60er und 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts begonnen, methodisch Berge zu fotografieren. Seine Bergpanoramen sind erhaben, majestätisch, Ehrfurcht gebietend.

Albert Steiner war Anfang des 20. Jahrhunderts in St. Moritz tätig. Seine Arbeit war stark von Segantini geprägt. Er verbannte die Zivilisation aus seinen Bildern. Stattdessen fotografierte er unberührte Bergtäler und blendete den damals aufkommenden Tourismus mit seinen massigen Hotelbauten aus.

Die Fotoreihe führt in die Gegenwart mit Jules Spinatschs “Spannung in Davos”. Spinatsch zeigt die Spannung vor und während des WEF-Forums 2001 in Davos. Obwohl praktisch keine Menschen auf den Bildern zu sehen sind, zeigen seine drei grossformatigen Fotografien die geballte Spannung, die Gewalt, die in der Luft hängt. Das “Unheil” ist spürbar, es wartet auf Entladung.

Annamaria & Marzio Salas haben mit dem “Haus der Götter” einen Zwilling des heiligen Bergs der Japaner, Fujijama, in den Alpen gefunden. Die Kulisse ist mystisch.

Margherita Spiluttinis Fotografie der Grimsel-Pass-Strasse ist sorgfältig komponiert. Das Bild präsentiert sich wie ein Stück Architektur in einer wilden, sonst ungezähmten, abweisenden, doch mit ihren warmen Erdfarben nicht unsympathischen Umwelt. Die Bildkomposition lässt unschwer erahnen, dass die Österreicherin Spiluttini ihr Auge in der Architekturfotografie geschärft hat.

Computer-Art und Neue Medien

Eine Kunstrichtung, die erst in den letzten Jahren aufgekommen ist, ist der Inkjet-Print mit Tintenstrahl-Druckern.

Monika Studer und Christoph van den Berg sind mit Werken aus dem virtuellen Hotel “Vue des Alpes” vertreten. Sie haben die reale durch eine computergenerierte, eigene Bergwelt ersetzt. Die Bergrestaurant-Terrasse mit dem “Maggi-Fläschchen” auf dem Tisch, auch das Bergmassiv und die Gondelbahn, deren Seile in der Unendlichkeit des blauen Himmels verschwinden, sind computergeneriert.

Studer und van den Berg reicht es allerdings nicht, “bloss” Bilder im Rechner zu schaffen. Sie haben eine virtuelle Bergwelt im Internet kreiert. Interessierte haben die Möglichkeit, im Sporthotel “Vue des Alpes” ein virtuelles Zimmer zu buchen und dort auch einen Urlaub zu verbringen.

Multimediale Kunst lässt sich aber auch mit dem Einsatz von konventionellen Techniken erschaffen. Richard Long, Bildhauer aus England, dokumentiert mit Kamera und Text die Arbeiten, die er auf seinen Wanderungen in abgelegenen Gebieten schafft.

Die Materialien für seine Kunstwerke entnimmt Long der Natur, baut sie an Ort und Stelle auf, beschreibt und fotografiert sie und überlässt sie anschliessend der Natur und damit dem Zerfall.

Mutierende Natur

Lois Weinberger zeigt auf der Terrasse von “kunst Meran” eine bemooste Kanalröhre. Diese wurde während Jahren feucht gehalten und beschattet, damit sich Moos darauf bilden konnte. Es entsteht ein eigenartiger Kontrast zwischen dem Kunstwerk, bestehend aus Beton und lebendiger Natur, und den in der nahen Ferne lockenden Bergen. Weinberger meint: “Natur mutiert, bevor sie fassbar ist.”

Auch die Werke von Helmut Federle, Ernst-Ludwig Kirchner, Otto Meyer-Amden, Alfons Walde sowie weiteren Künstlerinnen und Künstlern verleihen der Ausstellung eine unverwechselbare Prägung.

“Bella Vista – Schöne Aussicht” ist noch bis am 9. März 2003 in Meran zu besichtigen.

swissinfo, Etienne Strebel

Die Ausstellung “Bella Vista” in Meran wurde zum “Jahr der Berge” lanciert.
45 Künstlerinnen und Künstler tragen zum äusserst vielfältigen und multimedialen Gesamtbild bei.

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