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Freud und Leid eines Schweizer Erfolgskomponisten

Nach seinem grossen Erfolg zog sich Burkhard auf das Land zurück.

Das Lied "O mein Papa" machte den Schweizer Komponisten Paul Burkhard in den 1950er-Jahren über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Dreissig Jahre nach seinem Tod erlebt sein Name ein Revival: Der Regisseur Felice Zenoni zeichnet im gleichnamigen Dokumentarfilm ein feinfühliges Bild des “erfolgreichsten Schweizer Komponisten”.

“Ich wollte keinen nostalgisch verklärten Film drehen”, so der Regisseur Felice Zenoni. “Mein Anspruch war es, Burkhards Musik einem jüngeren Publikum zugänglich zu machen.”

Der Regisseur trommelte deshalb verschiedene Schweizer Sängerinnen und Sänger wie Michael von der Heide, Dodo Hug und Vera Kaa zusammen, um die Melodien Burkhards (1911-1977) wieder aufleben zu lassen. Mit von der Partie war auch Lyss Assia – die 83-jährige Grande Dame des Chansons, der 1949 mit Burkhards “O mein Papa” ein Welthit gelang.

Dabei habe ihn als Regisseur nicht nur die musikalische Vielseitigkeit Burkhards gereizt, sondern auch dessen “spannende, weitgehend unbekannte Vita”. “Diese gewisse Tragik, die Sehnsucht, die er mit der Musik stillte”, sagt Zenoni gegenüber swissinfo.

Eine Sehnsucht, die sich auch in Burkhards traurigen Texten widerspiegelt, die häufig seine scheinbar heitere Musik begleiten.

Annäherung als Archäologe

Zenoni näherte sich dem Künstler, indem er sein ehemaliges Haus in Zell besuchte. In diesem kleinen Dorf im Zürcher Oberland lebte Burkhard bis zu seinem Tod mit seiner Schwester Lisa. Lisa, die ihm mit ihrem Sekretariatslohn das erste Klavier kaufte und ihn zeitlebens in seinem Tun unterstützte.

Wie ein Archäologe arbeitete sich Zenoni vom Keller bis zum Dachboden durch Koffer, Kisten und Schachteln voller Zeitdokumente und Erinnerungen: Zum Vorschein kamen Briefe, Fotos, Tonbänder, Filme – und rund 20’000 vollgeschriebene Tagebuchseiten.

Ein Hauch von Melancholie

Im Film geben auch private Super8-Aufnahmen und Interviews mit Weggefährten von Burkhard wie dem Schweizer Schriftsteller Hugo Loetscher oder dem Schauspieler und Regisseur Ettore Cella Einblick in Burkhards Leben. Zeichnen ein Bild von einem begeisterungsfähigen und sensiblen Menschen, den immer ein Hauch von Melancholie umgibt.

Doch es sind die Tagebucheinträge, die dem Zuschauer Burkhard als Menschen am besten erschliessen. Den weissen Seiten vertraut der Künstler all seine Sorgen, all seine Ängste an.

Burkhard, der insbesondere als Hauskomponist und Bühnenkapellmeister am Schauspielhaus Zürich arbeitete, kämpft mit einer innerlichen Zerrissenheit: Einerseits ist da der Wunsch, “populäre Musik zu erfinden”, andererseits leidet er darunter, als Komponist für Unterhaltungsmusik nicht ernst genommen zu werden.

Volkstümlichkeit und Kunstarbeit

Der Mann, der mit Operetten und Lustspielen wie “Der schwarze Hecht” – mit dem Lied “O mein Papa” – und “Die kleine Niederdorf-Oper” Erfolge feierte, wollte nicht als “Operetten-Fritz” in die Geschichte eingehen.

“Ein schwerer Weg steht mir bevor, ich muss zu einem Stil kommen, der grosse Volkstümlichkeit mit bester Kunstarbeit vereint”, schreibt Burkhard in seinem Tagebuch.

Das Lied “O mein Papa”, das zum Welthit wurde und das in den amerikanischen Charts den ersten Platz belegte und sogar auf Japanisch herauskam, muss für Burkhard Fluch und Segen zugleich gewesen sein. Heute wird der Schweizer Komponist praktisch auf diesen Evergreen, der von einem Zirkusclown erzählt, reduziert.

Burkhards Repertoire besteht jedoch nicht nur aus Gassenhauern und Ohrwürmern. So hatte er 1941 etwa auch für die Uraufführung von Berthold Brechts “Mutter Courage und ihre Kinder” die Bühnenmusik geschrieben.

Und Friedrich Dürrenmatt hat mit Burkhard “Frank V.” seine einzige Oper realisiert, die von den kriminellen Machenschafen einer Bank handelt. Eine fruchtbare Zusammenarbeit. “Wir lachen und töten”, schreibt Burkhard. “Nachts kommt Fritz zweimal mit Texten ins Zimmer. Ich todmüde. Was für eine tolle Zeit.”

Nach dem Erfolg von “O mein Papa” wendet er sich zunehmend geistlichen Orchesterwerken zu. 1960 komponiert Burkhard, der im Alter zum Katholizismus konvertiert, die bekannte “Zäller Weihnacht”, ein Krippenspiel für Kinder.

Nationalhymne als Flaute

Doch Burkhards Freuden werden immer wieder von Wehmut überschattet. Seine Homosexualität – zu dieser Zeit ein Tabu-Thema – stösst auf Kritik. Burkhard möchte nicht nur als Komponist, sondern auch als Mensch wahrgenommen werden.

“Er hat es allen immer leicht gemacht, nur sich selbst nicht”, so der Burkhard-Biograph Philipp Flury.

Eine Szene im Film ist besonders bezeichnend für Burkhard. Burkhard engagiert sich für eine neue Schweizer Nationalhymne. Als er 1973 sein “Schweizerlied” vorstellt, bei dem ihn verschiedene Kollegen beraten haben, wird es von der Presse zerrissen.

Burkhard bleibt allein mit seinen Zweifeln: “Falle zusammen vor Müdigkeit. Meine Traurigkeit ist gross. Keiner meiner Freunde hat sich gemeldet. Wache lange. Rückschau auf mein Leben – schauerlich. Zum ersten Male hat mein Alterslicht durchgebrannt. Meine heile Welt ist so unsicher geworden. Geh nur schüchtern ans Klavier. Wieviel schöne Musik liegt brach.”

swissinfo, Corinne Buchser

1935 Hopsa

1939 Der schwarze Hecht, Operette (mit dem Schlager “O mein Papa”)

1950 Feuerwerk (hochdeutsche Fassung von “Der schwarze Hecht”)

1951 Die kleine Niederdorf-Oper, Musical

1958 Lys Assia belegt am Concours Eurovision de la Chanson mit “Giorgio” den zweiten Platz

1960 Frank V., Oper einer Privatbank, Komödie mit Musik, von Friedrich Dürrenmatt

1960 Zäller Weihnacht, Krippenspiel

1966 Noah, Musical

1970 Ein Stern geht auf aus Jakob, geistliche Oper

1973 Schweizerlied, Versuch einer neuen Schweizer Landeshymne

1977 Regenbogen, Musical

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