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Abgewiesene Asylbewerber: Ausschaffung naht

Einige Kirchen in der Waadt wollen abgewiesene Asylbewerber vor der Ausschaffung bewahren. Keystone

Der Ausschaffungsstopp für abgewiesene Asylbewerber im Kanton Waadt ist mit dem Beginn des neuen Jahres zu Ende gegangen.

Über 400 Personen sollen demnächst aus der Schweiz ausgeschafft werden. Dagegen organisieren sich jedoch Protest und Widerstand.

Gemäss einer Vereinbarung mit dem Bund muss der Kanton Waadt mehrere hundert abgewiesene Asylsuchende ausschaffen. Ein Teil der Waadtländerinnen und Waadtländer sind gegen eine solche Massnahme. Eine Zerreissprobe bahnt sich an.

“Die abgewiesenen Asylsuchenden müssen gehen. Sie können dabei einzig wählen, ob sie mit oder ohne Rückkehrhilfe in ihre Heimatländer zurückkehren.” Dies ist der Standpunkt des zuständigen Waadtländer Staatsrates Jean-Claude Mermoud.

Mermoud, welcher der Schweizerischen Volkspartei (SVP) angehört, will auch Zwangsausschaffungen durchsetzen. Er will die “Exception Vaudoise” – die “Waadtländer Ausnahme” – in der Asylpolitik beenden.

Die Waadt hatte sich im Frühling 2004 mit Bern auf die Prüfung der seit Jahren hängigen Dossiers von Asylsuchenden geeinigt.

Seit August, als 523 von knapp 1300 Betroffenen vom Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) einen negativen Entscheid erhielten, ist das Seilziehen um die definitiv abgewiesenen Asylsuchenden im Gang.

Die Waadtländer Asylkoordination, die sich für das Bleiberecht der Leute einsetzt, konnte auf wachsende Unterstützung zählen.

Anhaltende Kritik

Der Widerstand gegen die drohenden Ausschaffungen zieht sich seit Monaten quer durch die politischen und gesellschaftlichen Lager.

So wurde im Kantonsparlament eine Resolution eingebracht, in Lausanne gab es Kundgebungen, Kirchen riefen zum zivilen Ungehorsam auf und auch Amnesty International kritisierte das Verfahren.

Stunde der Wahrheit

Trotz der demonstrativen Entschlossenheit von Staatsrat Jean-Claude Mermoud kam es bislang aber zu keinen Zwangsausschaffungen.

Mehrmals verlängerte die Kantonsregierung die Anmeldefristen für die Rückkehrhilfe-Programme. Sie beauftragte zudem eine Arbeitsgruppe mit der nochmaligen Prüfung der Dossiers.

Das BFF hatte Mitte Dezember 45 zusätzlichen Asylsuchenden aufgrund neuer Elemente oder nachgewiesenen Fehlern im Dossier das Bleiberecht gewährt.

Jetzt aber kommt für die Kantonsregierung die Stunde der Wahrheit. Hält sie die Abmachung mit Bern ein, müssen mehrere hundert Personen nötigenfalls unter Zwang ausreisen.

Hochgehaltenes Kollegialitätsprinzip

Die Regierungsmitglieder der linken Parteien (2 Sozialdemokraten und 1 Grüner) haben bisher dem Druck ihrer Basis nicht nachgegeben und das Kollegialitätsprinzip respektiert.

Ob es mit den allfälligen Zwangsausschaffungen auch zum Bruch in der Kantonsregierung kommt, bleibt vorderhand offen. Die Asylkoordination kümmert das wenig. Sie fürchtet um das Schicksal der Betroffenen und macht sich auf das Schlimmste gefasst.

“Der Staatsrat hat sich bisher in keiner Weise bewegt”, bedauert Yves Sancey von der Asylkoordination.

Auch die Waadtländer Kirchen wollen Zwangsausschaffungen verhindern und bieten sich als Zufluchtsort an. In Lausanne, Vevey, Payerne, Yverdon und Grandson stehen den Betroffenen entsprechende Refugien zur Verfügung.

swissinfo und Agenturen

Die Waadtländer Regierung hatte beim Bund ursprünglich die Dossiers von 1273 Personen eingereicht, um sie neu überprüfen zu lassen.

523 Personen haben im letzten Sommer eine abschlägige Antwort erhalten. 14 sind seither freiwillig ausgereist. 66 haben ihre Situation über einen anderen Weg als das Asylverfahren regeln können. Weitere 45 erhielten nach einer zweiten Überprüfung ihres Dossiers das Bleiberecht.

Die Waadt hat in der Asylpolitik jahrelang einen eigenen Kurs verfolgt und – als “Exception Vaudoise” – auf die Ausschaffung abgewiesener Asylsuchenden verzichtet.

Der grösste Teil der abgewiesenen Asylsuchenden stammt aus Bosnien-Herzegowina und anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens. Viele davon sind Menschen, die in den 1990er Jahren vor dem Krieg in ihrer Heimat geflüchtet sind.

Darunter befinden sich auch Überlebende des Massakers von Srebrenica im Bosnien-Krieg sowie alleinstehende Frauen aus Kosovo.

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