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Auf der Suche nach der verlorenen Kuh

Zwei Kühe kämpfen
Die Eringerkuh stammt aus dem Kanton Wallis und ist eine typisch schweizerische Kuh. Heute ist sie vor allem für ihre Teilnahme an "Kuhringkämpfen" bekannt. Keystone / Olivier Maire


Kühe sind sowohl für Touristinnen und Touristen als auch für die einheimische Bevölkerung untrennbar mit dem Bild der Schweiz verbunden. In den meisten Fällen hat das bovine Nationalsymbol jedoch ganz unterschiedliche Ursprünge. Die Suche nach einer echt schweizerischen Kuh kann sich daher als schwierig erweisen.

In der Schweiz sind Kühe allgegenwärtig: in Souvenirläden als Holzfiguren, auf den Verpackungen vieler Milchprodukte, in der Kunst und in der Folklore.

Wie diese Reportage der Tagesschau des Westschweizer Fernsehens RTS vom 24. April 2025 zeigt, ist die Kuh derzeit in Moudon Gegenstand einer Kunstausstellung:

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Und natürlich ist sie auch auf den Feldern und in den Ställen nicht zu übersehen. Laut der Website IdentitasExterner Link, die Tierstatistiken der Schweiz veröffentlicht, gab es Ende April 2025 in der Schweiz 1’505’003 registrierte Rinder, darunter 664’032 Kühe.

Die Kuh ist somit die am weitesten verbreitete domestizierte Tierfamilie in der Schweiz – zumindest, wenn man sich auf die ordnungsgemäss angemeldeten und registrierten Tiere beschränkt.

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Die Präsenz von Hausrindern in der Schweiz reicht sehr weit zurück. Die ersten Spuren ihrer Domestizierung stammen aus der Jungsteinzeit, wie das Historische Lexikon der Schweiz festhältExterner Link.

Im Lauf der Jahrhunderte erreichte die Viehzucht hierzulande einen beträchtlichen Umfang. Schliesslich wurde der Käse zu einem der wichtigsten Exportprodukte der Schweiz.

Bedrohte Vielfalt

Man könnte also erwarten, dass es in der Schweiz viele verschiedene Rassen von Kühen gibt. Doch das ist nicht der Fall – oder nicht mehr.

«Von den einst 35 dokumentierten Schweizer Rassen überlebten nur deren fünf: Das Original Braunvieh, das Eringer Rind, das Original Simmentaler Fleckvieh, das Evolèner Rind sowie das Rätische Grauvieh», heisst es bei Pro Specie RaraExterner Link. Die Stiftung setzt sich für die Erhaltung des Schweizer Tier- und Pflanzenerbes ein.

Diese Verarmung der Kuhrassen ist auf das Streben nach höherer Produktivität zurückzuführen. «Auch bei der modernen Rinderzucht herrscht das Gesetz der Spezialisierung. Die alten Rassen wurden von neuen Zuchtlinien verdrängt, die entweder viel Milch oder schnell viel Fleisch produzieren», so die Stiftung.

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Angesichts dieser Entwicklung ist es schwierig geworden, auf den Feldern rein schweizerische Kühe zu finden. Bei den meisten von ihnen stammt zumindest ein Teil des Erbguts aus dem Ausland.

Schweizer Kühe erobern die Welt

Diese Entwicklung mögen kummervolle Geister bedauern. Vielleicht trösten sie sich jedoch damit, dass Millionen von Kühen auf der ganzen Welt Schweizer Gene in sich tragen. Schweizer Kühe hatten nämlich auch ihre Sternstunden auf den internationalen Märkten.

Der auffälligste Fall ist das Simmentaler Rind. Die aus dem Simmental im Berner Oberland stammende, robuste, milchleistungsfähige und wachstumsstarke Kuh wurde einigen Quellen zufolge bereits im 15. Jahrhundert nach Italien exportiert.

Im 19. und 20. Jahrhundert nahmen auch die Exporte nach Südamerika und Russland stark zu.

Simmentaler Fleckvieh, geschmückt beim Alpabzug
Simmentaler Fleckvieh in ihrem Ursprungsgebiet, hier bei einem Alpabzug an der Lenk im Berner Oberland. Keystone / Urs Flüeler

Schätzungsweise gibt es heute 40 bis 60 Millionen Nachkommen der Simmentaler Kühe in über 30 Ländern und auf allen Kontinenten. Sie werden hauptsächlich für die Fleischproduktion genutzt.

Das aus dem Kanton Schwyz stammende Braunvieh hat ebenfalls international eine steile Karriere hingelegt – vor allem in den USA, wo es den Namen Swiss Brown erhielt.

Die Braune gilt als eine der ältesten Milchrassen der Welt und liefert Milch, die sich sehr gut für die Käseproduktion eignet.

Auf der Website der Michigan State University heisst es: «Das Verhältnis von Fett zu Eiweiss in der Milch der Swiss Brown ist ideal für die Käseherstellung. Deshalb ist sie weltweit eine der beliebtesten Rassen für die Käseproduktion.»

Der amerikanische Verband für Swiss Brown hält festExterner Link, dass diese Kuh in den USA gut etabliert ist, vor allem in den Bundesstaaten Wisconsin, Ohio und Iowa.

Von dort aus hat die Swiss Brown die Welt erobert. Ihre weltweite Population wird auf über sechs Millionen Tiere in mehr als 80 Ländern geschätzt.

Sechs Frauen und ein Mann halten ihre Kühe an einem Wettbewerb
In Des Moines, der Hauptstadt von Iowa, wird die Swiss Brown wie ein echter Star behandelt. AP Photo / Charlie Neibergall

Vom Aussterben bedroht

Die Globalisierung hat den lokalen Rinderrassen jedoch geschadet. Von den fünf Rassen, die noch als echt schweizerisch bezeichnet werden können, sind laut Pro Specie Rara drei vom Aussterben bedroht: die Original Simmentaler, das Evolène-Rind und das Rhätische Grauvieh.

Manchmal stellt dieser internationale Austausch aber auch eine Lösung dar, wenn zur Rettung einer Rasse nationale Grenzen überschritten werden müssen. So auch bei der Rätischen Grauviehkuh.

Das einst in den Bündner Alpen weit verbreitete, gut angepasste und robuste Tier wurde zunehmend vom Braunvieh verdrängt und verschwand in den 1920er-Jahren vollständig aus der Schweizer Landschaft.

Schliesslich gelang es Pro Specie Rara in den 1980er-Jahren, die Rasse in der Schweiz wieder anzusiedeln – ausgehend von einigen Restbeständen im österreichischen Tirol.

Die «Suche nach der verlorenen Kuh» ist jedoch nicht immer von Erfolg gekrönt, wie der Fall der Freiburger Kuh zeigt. Es handelte sich dabei um eine weisse, schwarz gefleckte Kuh, die im Kanton Freiburg weit verbreitet war.

Sie wurde jedoch genetisch so stark mit der kanadischen Holsteinkuh vermischt, die ebenfalls schwarz-weiss war, aber viel mehr Milch gab, dass sie in den 1970er-Jahren völlig verschwand.

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Menschen laufen ueber die Quaibruecke bei Sonnenuntergang,

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Das war ein echtes Identitätsdrama für den Kanton Freiburg, die Heimat der meisten Kühe, des Greyerzer-Käse und des Doppelrahms sowie Träger einer schwarz-weissen Flagge!

Doch es gab noch Hoffnung: In Chile, einem Land, in das viele Freiburgerinnen und Freiburger ausgewandert waren und in den 1930er-Jahren Kühe importiert hatten, wurden Freiburger Kühe gefunden.

Die Fachleute von Pro Specie Rara reisten an, um die Sache zu untersuchen. Da sich die chilenischen Kühe aber nicht genügend von den lokalen Rassen und der Holsteinkuh unterschieden, konnten sie nicht mehr als Nachkommen der Freiburger Kuh bezeichnet werden.

Freiburg hat seine symbolträchtige Kuh verloren, behält aber den «Ranz des vaches», ein Monument der Schweizer Folklore. Hier ist die Interpretation von Bernard Romanens am Winzerfest 1977, die als die beste je aufgenommene Version gilt. Theoretisch müsste Ihnen eine Träne über die Wange rollen, wenn Sie dieses Lied nur anhören.

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Wenn schon nicht die Rasse, so konnte doch wenigstens der Schein gewahrt werden. In den grünen Tälern des Greyerzerlandes kann man heute immer noch schwarz-weisse Kühe weiden sehen. Aber sie sind … kanadisch.

Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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