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Binnenmarktgesetz fast ohne Wirkung

Die Ausnahme, die die Regel bestätigt: Dank dem BGBM wurde der Medikamentenversand zugelassen. Keystone

Ernüchternde Bilanz nach bald vier Jahren Binnenmarktgesetz: Der Erlass habe kaum Wirkung entfaltet, beklagte die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats am Freitag (30.06.) vor den Medien. Marktschranken sind nur vereinzelt gefallen.

Das am 1. Juli 1996 in Kraft getretene Binnenmarktgesetz (BGBM) gehört zur «marktwirtschaftlichen Erneuerung» nach dem Nein des Schweizer Stimmvolkes zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

Das Gesetz soll den Abbau innerstaatlicher Regelungen fördern, die den Wettbewerb und die berufliche Mobilität behindern. Mit Hilfe der parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle (PVK) hat die GPK nun den Effekt untersucht.

Nur wenig Fortschritte

Das Resultat ist ernüchternd: In keinem der acht untersuchten (besonders problematischen) Bereichen hat das BGBM eine signifikante Öffnung des Binnenmarkts ausgelöst. In stark segmentierten Branchen wie dem Sanitär-, dem Taxi- und dem Wandergewerbe sowie den Berufen der Naturheilkunde war seine Wirkung praktisch null.

In zwei Bereichen sind dank dem BGBM Marktschranken gefallen: Das Verfahren zur Prüfung der Fähigkeitsausweise der Anwälte wurde vereinfacht, der Medikamentenversand zugelassen. Fortschritte machte die Deregulierung auch bei den medizinischen Hilfsberufen sowie im Optiker-, Gast- und Immobilientreuhandgewerbe.

Zögerliche Kantone

Diese Fortschritte seien aber weniger dem BGBM als dem allgemeinen Liberalisierungstrend zuzuschreiben, sagte Brigitta Gadient (SVP/GR) als Präsidentin der Subkommission vor den Medien. Kein einziger Kanton habe allein wegen des BGBM seine Gesetze revidiert. Dies erstaune nicht, denn die Kantone seien dem Gesetz von Anfang an eher ablehnend gegenübergestanden.

Die GPK fordert die Landesregierung auf, bei den Kantonen zu intervenieren, damit diese ihre Gesetzgebungen möglichst rasch an das Binnenmarktgesetz anpassen. Nach der Verfassung liege es an der Regierung, für die Einhaltung des Bundesrechts in den Kantonen zu sorgen.

Ein Beschwerderecht für die WEKO

Einen Grund für die mässige Wirkung des BGBM sieht die GPK im langwierigen und kostspieligen Rechtsverfahren, das die Betroffenen von Beschwerden abschreckt. Per Motion verlangt sie deshalb auch für die Wettbewerbskommission (WEKO) das Recht, gegen Einschränkungen des Marktzutritts Beschwerde zu erheben und vor Bundesgericht angehört zu werden.

Die Regierung soll auch die Zweckmässigkeit eines allgemeinen Beschwerderechts für Konsumentenorganisationen prüfen. Nichts hält die GPK hingegen von einem Verbandsbeschwerderecht. Die kantonalen Gewerbeverbände seien am Binnenmarkt nicht besonders interessiert, sagte Kommissionspräsident Rudolf Imhof (CVP/BL).

Einseitiges Bundesgericht

Kein Gefallen hat die GPK daran, dass das Bundesgericht in seinen Entscheiden sehr einseitig die kantonale Souveränität über die Wirtschaftsfreiheit stellt. Laut Gadient ist das Parlament daran allerdings mitschuldig, weil es im Gesetz keinen politischen Entscheid zugunsten des Binnenmarkts getroffen hat.

«Der Spielraum für eine bessere Umsetzung des Binnenmarktgesetzes ist ziemlich eng», sagte Gadient. Mehr Druck erwartet sie von der internationalen Entwicklung und insbesondere von den bilateralen Verträgen mit der EU.

swissinfo und Agenturen

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