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Dem Fuchs und seinem Bandwurm auf der Spur

Stadtfüchse sind kaum mit dem Fuchsbandwurm infiziert, wie eine Studie in der Stadt Zürich ergab. Keystone

Seit rund 10 Jahren gehören Füchse zum Schweizer Stadtbild. Als Träger des Fuchsbandwurmes, mit dem sich auch Menschen infizieren können, ist Reineke aber nicht nur willkommen.

Forschungsprojekte und Behörden liefern Informationen, welche zwischen den Ansprüchen der zwei- und vierbeinigen Stadtbewohner vermitteln.

Die Schlauheit des Fuchses ist legendär. “Für mich besteht sie in seiner Anpassungsfähigkeit an neue Lebensräume und eine andere Ernährung”, sagt Hansruedi Ochs, Veterinärmediziner und Fachberater für Tiergesundheit beim Bundesamt für Veterinärwesen (BVET).

Dank dieser ausgeprägten Anpassungsfähigkeit eroberten Füchse vor rund 20 Jahren die Schweizer Städte als neuen Lebensraum. Urbane Naturfreunde freuen sich seither ob den neuen vierbeinigen Nachbarn.

Andere Städter dagegen befürchten Infektionen mit dem Fuchsbandwurm, welche via Fuchskot in die Leber von Menschen geraten können. In seltenen Fällen kann der Parasit – falls nicht frühzeitig entdeckt und behandelt – zu einer schweren Lebererkrankung führen, der alveolären Echinokokkose. In der Schweiz sind es jährlich 7 bis 12 Menschen, bei welchen Echinokokkose diagnostiziert wird.

Das Problem: Die Krankheit manifestiert sich erst 5 bis 15 Jahre später. Eine genaue Identifikation des Infektionsweges ist so kaum mehr möglich. Früher war der Befall mit Fuchsbandwurm eine tödliche Krankheit. “Heute kann er mit einer Langzeit-Behandlung bekämpft werden, welche aber die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränkt”, erklärt Ochs gegenüber swissinfo. Oft muss das infizierte Lebergewebe auch operativ entfernt werden.

Wirksame Entwurmung

Wissenschaftler vom Institut für Parasitologie der Universität Zürich (IPZ), dem Schweizer Referenzlabor für Echinokokkose, zeigten nun in einem Feldversuch, dass es möglich ist, Stadtfüchse zu entwurmen. Dazu legten sie in Zürich, wo rund 1000 Füchse leben, in genau definierten Gebieten Köder mit einem Entwurmungsmittel aus.

Die Analyse von Kotproben zeigte den Forschern anschliessend, dass Füchse in denjenigen Gebieten, wo Köder ausgelegt worden waren, drastisch weniger Parasitenbefall aufwiesen. “Dieses Ergebnis zeigt, dass es möglich ist, den Fuchsbandwurm mit einer gezielten Ausköderung in städtischen Anlagen zu bekämpfen”, sagt Hansruedi Ochs vom BVET.

Weiteres Ergebnis des Feldversuchs: Füchse in der Innenstadt waren kaum von den Parasiten befallen. Von ihren Artgenossen am Stadtrand dagegen waren rund zwei Drittel Träger des Bandwurms, was dem Schnitt im Mittelland entspricht. Dies hängt mit der Ernährung der Tiere zusammen. Am Stadtrand erbeuten Füchse oft Schermäuse, den hauptsächlichen Zwischenwirt des Fuchsbandwurms. In der Innenstadt dagegen fressen Füchse meist Abfälle, Fallobst und nicht geerntete Früchte und Beeren.

Kein Handlungsbedarf

“Eine flächendeckende nachhaltige Bekämpfung wäre nur mit einer kostenintensiven regelmässigen Entwurmung der Füchse zu erreichen”, so Ochs. Dazu bedürfte es aber eines gesellschafts-politischen Entscheides. Eine solch grossflächige und regelmässige Aktion lohnt sich laut Ochs aber kaum. “Es besteht kein Handlungsbedarf, um flächendeckend Köder auszulegen, denn im Verhältnis zum Risiko ist der Nutzen zu klein.”

Testlauf für Tollwut-Impfung

Der Versuch diente den Forschern auch als Test für eine Impf-Aktion mit Ködern im Falle einer Tollwut-Epidemie. Eine solche könne sich bei der hohen Dichte der Fuchspopulation – in Zürich leben gemäss der Studie mehr als 10 ausgewachsene Tiere pro Quadratkilometer – “rasend schnell ausbreiten”, so Ochs. Die Schweiz ist seit Ende der 90er Jahre tollwutfrei.

Verständnis schaffen

Trotz des bestehenden, wenn auch geringen Risikos für eine Infektion mit dem Fuchsbandwurm hat die grosse Mehrheit der Stadtzürcher die neuen vierbeinigen Quartier-Nachbarn gut aufgenommen. Das ist unter anderem das Verdienst von Grün Stadt Zürich (GSZ), der Stadtzürcher Behörde, welche sich um die Belange der Grünanlagen der Stadt kümmert.

Aufgabe der GSZ ist es unter anderem, auf Stadtgebiet zwischen den Ansprüchen von Mensch und Fuchs zu vermitteln. Dabei setzt das Unternehmen der Stadtverwaltung auf Information anstatt Regulation, also den Abschuss von Füchsen. “Die meisten Leute haben eine positive Einstellung zum Fuchs,” bilanziert Christian Stauffer, der bei der GSZ für den Bereich Wildnis und Tiere verantwortlich ist.

Füchse nicht füttern

Die geringe Zahl von Rückmeldungen zeige, dass die Informationsarbeit Wirkung zeige, so Stauffer weiter. Dennoch lässt sich ein Abschuss nicht immer vermeiden. Zahme Tiere, die in Wohnungen gingen oder Leute bissen, würden vom Wildhüter erlegt. “Den Fuchs-Bestand können wir aber nicht mit Abschüssen regulieren “, sagt Stauffer. Dem stehen auch das Jagd- und das Tierschutz-Gesetzes entgegen.

Nach Auffassung der Wildbiologen ist die Populationsgrösse vielmehr abhängig vom Nahrungsangebot, das die Füchse auf den Strassen und in den Gärten der Stadt vorfinden.

Im Grenzgebiet

Ein weiteres Forschungsprojekt befasst sich mit dem Fuchsbandwurm im Kanton Graubünden. Beteiligt sind neben dem IPZ auch kantonale Behörden sowie die Bündner Jäger. Die Studie ist Teil von EchinoRisk, einem europäischen Forschungsprojekt über die Leberkrankheit Alveoläre Echinokokkose.

Von 569 erlegten Füchsen waren nur 6,3% mit dem kleinen Fuchsbandwurm befallen. “In der Studie werden auch geographische Variablen und verschiedene Umweltfaktoren wie Höhe, Vegetation und Exposition sowie das Zusammenwirken mit der Nagergemeinschaft einbezogen”, sagt Wildbiologe Daniel Hegglin vom IPZ.

Die Forscher stellten dabei grosse regionale Unterschiede im Vorkommen des Parasitenbefalls fest. Die Spanne reicht von Gebieten wie Prättigau/Davos mit einem Befall von über 10% bis zum Bergell oder dem Puschlav, wo bisher keine infizierten Füchse nachgewiesen wurden.

Grundsätzlich empfiehlt Hegglin, Gemüse, Obst und Früchte gründlich zu waschen sowie Hunde und Katzen als mögliche Zwischenwirte regelmässig zu entwurmen.

swissinfo, Renat Künzi

Der kleine Fuchsbandwurm ist ein Darmparasit des Fuchses.
Als Zwischenwirte dienen Wühlmäuse, welche die Wurmeier aufnehmen.
Fressen Füchse, Hunde oder Katzen infizierte Wühlmäuse, schliesst sich der Kreislauf des Parasiten.
Pro Jahr infizieren sich in der Schweiz 7 bis 12 Menschen mit dem Fuchsbandwurm.
Die Parasiten können beim Menschen eine schwere Lebererkrankung auslösen (alveolären Echinokokkose).
Die Krankheit kann medikamentös oder operativ behandelt werden. Früher war sie tödlich.

In einem Versuch in Zürich wurden Stadtfüchse mit behandelten Ködern entwurmt.

Der Befall mit dem Fuchsbandwurm konnte so bei den behandelten Tieren drastisch gesenkt werden.

Für eine nachhaltige Bekämpfung des Parasiten wären eine regelmässige Entwurmung der Füchse nötig.

Gemäss Experten ist ein solcher Aufwand angesichts des relativ geringen Infektionsrisikos für die Menschen nicht angebracht.

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