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Die Euro aus der Sicht von Johan Djourou

Johan Djourou (rechts) in den Farben von Arsenal gegen Hamburg im Jahr 2006. Keystone

Der Arsenal-Verteidiger, vom Schweizer National-Coach Köbi Kuhn für die Euro 2008 aufgeboten, spricht über die Europameisterschaft, die am 7. Juni beginnt, und über die künftigen Gegner der Schweiz.

Johan Djourou, der schon bei der WM 2006 in Deutschland zum Nati-Team gehörte, will möglichst viel lernen aus der zweiten Grossveranstaltung in seiner noch jungen Karriere.

swissinfo: Was bedeutet die Euro 2008 für Sie?

Johan Djourou: Es ist nicht ganz einfach, das heute zu sagen: Einerseits dauert es nicht mehr lange, dennoch liegt die Veranstaltung irgendwie noch in weiter Ferne.

Aber wie auch immer: Für einen Fussballer ist es grossartig, im eigenen Land und vor Heimpublikum an einer solchen Veranstaltung teilnehmen zu können. Das ist einmalig in einer Karriere, und ich will diese Erfahrung zu 100 Prozent ausleben. Ich bin sicher, unser Team wird auf den Tag X hin voll da sein.

swissinfo: Wie bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland?

J.D.: Die prägnanteste Erinnerung an Weltmeisterschaften aus meiner Kindheit ist ein Bild von 1994: Die Brasilianer stemmen die Trophäe in die Höhe und küssen sie.

In Deutschland hätten wir das so gerne auch tun können. Doch dann kam das bittere Ende, nach einem Penaltyschiessen, und ohne dass wir zuvor auch nur ein einziges Tor hatten einkassieren müssen. Das war schade. Aber es wird weitere WMs geben. Bei der Euro 2008 werden zwar keine Brasilianer dabei sein, einen Pokal gibt es aber auch dort zu holen.

swissinfo: In der ersten Phase der Euro 2008 wird die Schweiz gegen Tschechien, die Türkei und Portugal antreten müssen. Wie schätzen Sie diese Mannschaften ein?

J.D.: Die tschechische Mannschaft hat Erfahrungen mit Gross-Turnieren und verfügt über Spieler mit herausragenden Qualitäten. Das Team kann ebenso zu einem Höhenflug ansetzen, wie mit fliegenden Fahnen untergehen, wenn die Dinge nicht laufen wie erwartet. Wir müssen auf der Hut sein vor dieser Mannschaft, aber wir haben auch gute Chancen, diese Aufgabe zu lösen.

Zur Türkei: Ich bin grundsätzlich überzeugt, dass es eine rein sportliche Auseinandersetzung sein wird. Ich war zwar bei den beiden WM-Qualifikationsspielen in Bern und Istanbul nicht mit dabei, weiss aber, dass die Begleitumstände noch allen in lebhafter Erinnerung sind. Jetzt liegt es an uns, dies in den Hintergrund treten zu lassen. Die türkischen Internationalen spielen zwar alle in grossen europäischen Clubs, aber ich denke, auch gegen die Türkei haben wir reelle Chancen.

Portugal ist meiner Ansicht nach der schwerste Brocken. Sie standen nicht nur bei der Euro 2004 in ihrem eigenen Land im Final, sondern haben mit Cristiano Ronaldo auch den aktuell besten Spieler der Welt in ihren Reihen. Sowohl im Nationalteam wie auch bei Manchester United beeindruckt er mit seiner Technik und seiner Unberechenbarkeit. Um gegen Portugal ein gutes Resultat zu erzielen, müssen wir unsere ganze Stärke als Team nutzen.

swissinfo: Für Ihr Land zu spielen, scheint Ihnen viel zu bedeuten. Ihr erster Auftritt für die Schweizer Nationalmannschaft war am 1. März 2006. Was hatten Sie damals empfunden?

J.D.: Es war ein ganz aussergewöhnlicher Moment. Ich fühlte mich sehr merkwürdig, hingerissen zwischen Angst und reinstem Glück gleichzeitig. Noch heute fühle ich ein Schaudern, wenn ich nur daran denke. Das Nationaltrikot zu tragen und für das eigene Land zu spielen, das hat für mich wirklich eine Bedeutung.

Auch wenn meine Wurzeln in der Côte d’Ivoire liegen, ich fühle mich zu 100 Prozent als Schweizer, und keine Kritik an meiner Hautfarbe kann daran etwas ändern. Ich bin mir auch bewusst, dass die Tatsache, für Arsenal zu spielen, zu meiner Integration in die Schweizer Nationalmannschaft beigetragen hat.

swissinfo: Ihr Club Arsenal hatte Sie im letzten Jahr während sechs Monaten an Birmingham ausgeliehen. War das eine gute oder eine schlechte Erfahrung?

J.D.: Ich hatte selber bei unserem Trainer Arsène Wenger darauf gedrängt. Ich brauchte regelmässige Spieleinsätze, auch um zu lernen, Verantwortung als Leader eines Teams zu übernehmen. Die grosse Spielerauswahl bei Arsenal erschwert regelmässige Einsätze.

In Birmingham hatte ich auch etwas mehr Freiheiten, mich auf dem Spielfeld ausdrücken zu können. Es war nicht einfach, aber ich brauchte dieses Abenteuer. Ich konnte wichtige Erfahrungen machen und bin jetzt nicht mehr länger nur der kleine Junge, der bei Arsenal seinen Platz finden muss.

swissinfo: Ihr Vertrag mit Arsenal läuft noch bis 2012. Wie sieht Ihr Leben aus in London?

J.D.: London ist eine aussergewöhnliche Stadt und Arsenal ein Prestige-Verein. Ich schaue nicht zu weit in die Zukunft, sondern profitiere von dem, was ich jetzt hier erleben darf. Mir gefällt das Leben hier in London sehr. Neben dem Fussball habe ich ein reichartiges Sozialleben, ich kann ausgehen, Museen, Kinos, Konzerte besuchen.

Mir ist es wichtig, immer mal wieder meinen Kopf leeren zu können, auf andere Gedanken zu kommen. Zum Beispiel, indem ich mit meiner Freundin Emilie, die seit kurzem mit mir lebt, in ein Restaurant essen gehe oder ein Theater besuche. Zur Zeit habe ich zudem viel Spass am Bowling (Kegeln), das mache ich oft mit meinen Freunden.

swissinfo, Mathias Froidevaux, London
(Übertragung aus dem Französischen : Rita Emch)

Geboren: 18. Januar 1987 in Abidjan (Côte d’Ivoire).

Position : Verteidiger (früher auch Mittelfeld).

Clubs: Etoile Carouge (1996-2003), seit 2004 bei Arsenal (dazwischen 2007 fast sechs Monate an Birmingham ausgeliehen) unter Vertrag bis 2012.

Schweizer National-Mannschaft : Erstes Spiel am 1. März 2006 gegen Schottland (3 :1 Sieg), insgesamt 16 Einsätze bisher, 1 Tor (Ende 2007).

Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gehörte Johan Djourou zum Kader der Schweizer Nationalmannschaft.

Er ist der erste Schweizer Internationale, der eines der Ausbildungs-Zentren des Schweizer Fussball-Verbandes besucht hatte (Payerne).

Arsenal ist ein englischer Fussballclub, der 1886 von den Arbeitern der Rüstungsfabrik Royal Arsenal gegründet wurde. Deshalb werden die Arsenal-Spieler «Gunners» (Kanoniere) genannt.

Arsenal holte sich bisher 13 Meistertitel und 10 Cupsiegertitel. Auf europäischer Ebene gewann Arsenal 1994 den Cup der Cupsieger und 1970 den UEFA-Cup. 2006 verloren die «Gunners» im Champions League-Final gegen Barcelona mit 1:2.

Arsenal – zur Zeit Leader in der englischen Premier League – wird seit über zehn Jahren vom Franzosen Arsène Wenger trainiert. Er hat Philippe Senderos und Johan Djourou nach London geholt. Seit 2006 spielt Arsenal nicht mehr im Highbury Stadion, sondern im neuen Emirate Stadion, das 60’000 Zuschauer fasst.

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