Kein Schengen-Beitritt ohne SIS II
Die Schengenstaaten haben am Montag die Regeln für das Schengen-Informationssystem II (SIS II) grösstenteils geschnürt. SIS II ist das technische Herzstück vom Schengener Abkommen.
Diese Polizeidatenbank ist wichtig für die Schweiz: Sie kann Schengen aber erst beitreten, wenn SIS II funktioniert. Und hier kommt es zu Verzögerungen.
Die Justiz- und Innenminister der Schengen-Staaten haben am Montag in Brüssel erneut über das zukünftige technische Herzstück von Schengen, das so genannte Schengener Informationssystem II (SIS II) debattiert.
Gemäss offiziellem Zeitplan sollte SIS II bereits im März 2007 aufgebaut sein, doch dies entpuppt sich nun als Wunschdenken. Laut dem deutschen Innenstaatssekretär Peter Altmaier liegt die EU-Kommission bei der technischen Entwicklung bereits 17 Wochen hinter dem Plan.
Verzögerungen bis nach der Fussball-EM 2008?
Und auch diese Prognose sei «nicht realistisch», kritisierte Altmaier. «Für die Schweiz hat die Verzögerung vorerst keine Konsequenzen», beruhigte Botschafter Bernhard Marfurt, der die Schweiz am Ministertreffen vertrat: «Wir haben ohnehin nie mit einem Beitritt vor Anfang 2008 gerechnet».
Zudem seien derzeit in Bern Überlegungen im Gang, ob man die Einführung nicht ohnehin bis nach der Fussball-Europameisterschaft im Juni 2008 aufschieben wolle, erklärte der Chef der Mission in Brüssel.
Auch bei einer früheren Teilnahme könnten Österreich und die Schweiz jedoch während der Spiele Grenzkontrollen durchführen und Schengen somit ausser Kraft setzen.
Verzögerungen drohen aber nicht nur aus technischen und anlassmässigen, sondern auch aus politischen Gründen: Nicht weniger als drei EU-Rechtstexte werden den Betrieb von SIS II regeln.
Die Justizminister der Schengenländer müssen sich nicht nur untereinander, sondern auch mit dem EU-Parlament rasch auf die gesetzlichen Grundlagen einigen. Für die Schweiz etwa war die Frage des europäischen Haftbefehls politisch heikel.
Schweizer Spezialproblem
Dieses vereinfachte Auslieferungsverfahren gilt zwischen den EU-Ländern. Die Schweiz aber will auch in Zukunft gesuchte Personen nur gemäss schweizerischem Recht an EU-Länder ausliefern. Laut Marfurt wurde nun garantiert, dass in dieser Frage das nationale Recht Vorrang hat.
Gewichtiger als das Schweizer Spezialproblem sind die Differenzen zwischen dem Ministerrat und dem EU-Parlament. Der Parlamentsberichterstatter, der portugiesische Konservative Carlos Coelho, fordert Garantien für einen sorgfältigen Umgang mit den biometrischen Daten, die in SIS II erfasst werden.
So sollen Fingerabdrücke in einer ersten Phase nur als Hilfsmittel bei Identitätskontrollen eingesetzt werden. Erst nach einer gründlichen Überprüfung der Technologie soll die Polizei Fingerabdrücke auch zur Suche im System benützen können.
Der Ministerrat offerierte gestern dem EU-Parlament, dass es vor der intensiven Nutzung der Fingerabdrücke angehört wird. Ob dies dem Parlament ausreicht, wird sich erst nach den Sommerferien zeigen.
Zugriff von Europol
Coelho fordert weiter restriktive Regeln für den Zugriff von Europol auf SIS II sowie für verdeckte Registrierungen zur heimlichen Überwachung von Verdächtigen. Die Zeit für einen Kompromiss ist knapp.
«Bis Anfang September muss eine Lösung vorliegen, der das Parlament zustimmen kann», sagte die Mitarbeiterin von Coelho. Sonst werde das Parlament die Vorlagen statt im Schnellverfahren auf dem langsamen ordentlichen Weg behandeln – und der Zeitplan für SIS II würde komplett aus den Fugen geraten.
swissinfo, Simon Thönen aus Brüssel
Das bestehende SIS I ist ein elektronischer Ersatz für die aufgehobenen Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums.
Im Schengen Informationssystem sind über 13 Mio. Datensätze gespeichert.
15’000 Einträge sind kriminell Verdächtige.
Rund 800’000 Personen, sind unerwünschte Ausländer mit Einreiseverbot.
Polizei- und Zollbehörden haben rund um die Uhr Zugriff.
15 europäische Staaten machen zur Zeit mit (darunter auch Norwegen und Island).
Die Europäische Kommission hat 2005 das Projekt SIS II lanciert. Dieses soll die Datenbanken so anpassen, dass die neuen EU-Staaten Schengen beitreten können.
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