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Paraplegiker-Arzt erneut vor Gericht

Will sich die Weste rein waschen: Guido Zäch in Nottwil. Keystone

In Basel hat am Dienstag der Berufungsprozess gegen Guido Zäch, den Gründer des Schweizer Paraplegiker-Zentrums begonnen.

Verteidigung wie Anklage fochten das Urteil der ersten Instanz an. 2003 war der prominente Arzt wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Vom Vorwurf der Veruntreuung wurde Zäch in dem Aufsehen erregenden Prozess dagegen freigesprochen. Laut dem damaligen Urteil hatte er sich als Präsident der Schweizerischen Paraplegiker-Stiftung (SPS) ein zu hohes Gehalt ausbezahlt.

Unter anderem soll die Gönner-Vereinigung des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) im luzernischen Nottwil auch den Umbau seiner privaten Villa in Zofingen teilweise bezahlt haben. Den Schaden zum Nachteil der Stiftung bezifferte das Gericht auf 29,4 Mio. Franken.

Freispruch oder schuldig in allen Punkten

Gegen dieses Urteil hatten sowohl Zäch als auch die Staatsanwaltschaft appelliert. Die Verteidigung verlangt nun in der Appellation einen «vollen Freispruch»: Das Basler Strafgericht sei «nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Fragen auf den Grund gegangen», teilte Verteidigerin Vera Delnon auf Anfrage mit.

Die Staatsanwaltschaft will dagegen laut ihrem Sprecher Markus Melzl einen Schuldspruch in allen Anklagepunkten erreichen. Es gelte die gleiche Anklageschrift wie in der ersten Instanz: Darin wird Zäch neben ungetreuer Geschäftsbesorgung auch Veruntreuung vorgeworfen. Den Gesamtschaden für die SPS beziffert die Anklage auf 61,9 Mio. Franken.

Die Dauer der Verhandlung am Basler Appellationsgericht ist auf vier bis fünf Tage angesetzt. Vorgesehen sind laut einer Sprecherin auch Zeugenbefragungen: Diese umfassen Guido Zäch selbst sowie zwei Mitglieder der SPS-Gönnervereinigung.

Aufschub abgelehnt

Zu Beginn des Revisionsprozesses am Dienstag hat das Gericht eine Verschiebung der Verhandlung abgelehnt. Den Antrag hatten Vertreter der SPS und deren Gönnervereinigung gestellt.

Die beiden Vereinigungen betrachteten sich als potenziell Geschädigte und beantragten, als Partei zum Prozess zugelassen zu werden. Um die Prozessakten studieren zu können, wollten sie einen Aufschub des Prozesses um mindestens einen Monat. Das Gericht lehnte den Antrag aber ab.

Beide Vereinigungen hätten bisher keine zivilrechtlichen Ansprüche gestellt, sagte Gerichtspräsident Eugen Fischer. Sie hätten zudem schon öffentlich erklärt, dass sie sich nicht als Geschädigte betrachten würden.

Zäch lehnte an der Verhandlung zudem eine Befragung durch das Gericht ab. In einer persönlichen Erklärung machte er geltend, durch das langjährige Verfahren zu sehr verletzt worden zu sein. Er erwarte, einen Freispruch in sämtlichen Anklagepunkten, sagte er.

Vorwurf Eigenmächtigkeit

Das Strafgericht war 2003 zum Schluss gekommen, dass sich Zäch als SPS-Präsident eigenmächtig ein hohes Gehalt ausbezahlt und seine Villa von der Stiftung zu billig gemietet habe. Als strafbar erachtete es auch verlustreiche Investitionen in Millionenhöhe in zwei Hotelprojekte.

Zäch habe sich «massive Kompetenzüberschreitungen» zuschulden kommen lassen, hatte die Strafgerichtspräsidentin damals in ihrer Urteilsbegründung gesagt. Guido Zäch hatte das Urteil des Strafgerichts dagegen als «falsch, unverhältnismässig und erschütternd» bezeichnet.

Neue Verteidiger

Nach der Verurteilung in erster Instanz hatte Guido Zäch seine Verteidigung ausgewechselt. Das neue Verteidigerteam hat im Vorfeld der Verhandlung beantragt, verschiedene formelle Fragen – darunter auch Fragen der Verjährung – vor Prozessbeginn entscheiden zu lassen. Dies ist vom Appellationsgericht aber abgelehnt worden.

Die neue Verteidigung will laut Delnon auch «Mängel in der Anklage und weitere Einstellungsgründe» geltend machen. Bei Verjährung habe die Rechtssprechung kürzlich geändert. Deshalb stellten sich noch mehr und kompliziertere Fragen: «Es hätte die Hauptverhandlung entschlackt und beschleunigt, wenn das Gericht diese Frage vorneweg entschieden hätte.»

swissinfo und Agenturen

Der heute 70-jährige Zäch war Oberst im Armeestab und Grossrat von Basel-Stadt.

1999 bis 2003 sass er als Vertreter der Aargauer Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) im Nationalrat.

Nach seiner Verurteilung im Juli 2003 trat er als Parlamentarier zurück.

Der Mediziner Guido Zäch gilt als Erneuerer der Rehabilitation von Querschnittgelähmten und als unermüdlicher Kämpfer für seine Sache.
1975 gründete er die Schweizerische Paraplegiker-Stiftung und 1990 das Paraplegiker-Zentrum in Nottwil.
Am 1. Oktober gab Zäch die Leitung des Zentrums ab.
Er ist weiterhin Direktor der Stiftung.

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