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Schweiz nimmt private Sicherheitsfirmen aufs Korn

Allein im Irak arbeiten bis 25'000 private Militär- und Sicherheits-Angestellte. Keystone

Die Schweiz will sich des weltweiten Problems der privaten Sicherheitsfirmen annehmen und auch in diesem Bereich auf die Einhaltung der Menschenrechte achten.

Paul Seger, Leiter der Direktion für Völkerrecht im Aussenministerium, spricht mit swissinfo über die entsprechenden Motive und Methoden der Schweiz.

Für den kommenden Monat haben das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ein Experten-Treffen einberufen.

Bereits Anfang Jahr fand in der Nähe von Zürich ein erster Workshop mit Regierungs-Vertretern aus neun Ländern, inklusive den USA, Grossbritannien, Südafrika, Frankreich und Deutschland, statt.

Die Teilnehmer diskutierten dabei mögliche Massnahmen wie Richtlinien für private Militär- und Security-Unternehmen, oder die Verpflichtung, Angestellte solcher Firmen mit dem humanitären Menschen- und Völkerrecht vertraut zu machen, sowie das Aussprechen von Sanktionen.

swissinfo: Warum ist es notwendig, gesetzliche Normen für Sicherheitsfirmen zu schaffen, die in Konfliktzonen arbeiten, wie zum Beispiel im Irak?

Paul Seger: Die Zahl von militärischen Security-Firmen wuchs weltweit stark und hat inzwischen internationale Dimensionen angenommen. Auch greifen mehr und mehr Länder auf solche Unternehmen zurück.

Deshalb glauben wir, dass der Zeitpunkt gekommen ist, die Staaten an ihre internationalen Verpflichtungen zu erinnern, wenn sie solchen Unternehmen Aufträge erteilen. Ziel wäre das Erreichen einiger gemeinsamer Anwendungs-Standards in diesem Bereich.

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swissinfo: Was qualifiziert die Schweiz zu dieser Initiative?

P.S.: Die Schweiz war immer stark interessiert an internationalen humanitären Rechten, da das Land der Depositärstaat der Genfer Konventionen ist.

Aus diesem Grund arbeiten wir auch mit dem IKRK in Genf zusammen, um das humanitäre Menschen- und Völkerrecht auch im Bereich von privaten militärischen Aufträgen anzuwenden.

swissinfo: Welche Ziele setzt sich die Schweiz beim nächsten Treffen im November, an dem über 20 Experten teilnehmen werden?

P.S.: Hauptsächlich wollen wir die Staaten an ihre Pflichten erinnern. Es stimmt eben nicht, dass private Militär-Unternehmen quasi in einem legalisierten Niemands-Land operieren. Es gibt genügend Regelungen innerhalb des allgemeinen internationalen Gesetzesrahmens, im humanitären und im Menschenrechts-Bereich.

Es geht auch nicht darum, die privaten Militärfirmen zu verbieten. Wir möchten Modell-Regelungen und optimale Verfahren aufstellen, innerhalb eines legalen weltweit anwendbaren Standards.

Es muss auch nicht gleich eine internationale Konvention resultieren, da dies bekanntlich nicht einfach zu erreichen ist. Wir hoffen, dass internationale und Nicht-Regierungs-Organisationen Interesse an diesem Thema finden.

swissinfo: Wo liegen die wichtigsten Hindernisse?

P.S.: Wir müssen die anderen Staaten überzeugen, dass unsere Ziele an sich bescheiden sind und nicht darauf ausgehen, die Aktivitäten solcher Firmen zu behindern oder zu verbieten.

Es geht um einen Grundstock an Glaubwürdigkeit, die humanitäre Zielsetzung dahinter muss klar werden. Mit einer Schritt-für-Schritt-Politik dürften wir wohl am weitesten kommen.

swissinfo: Das kommende Treffen in Montreux ist ja nicht das erste. Die Experten trafen sich bereits Anfang Jahr bei Zürich. Wie waren die Reaktionen darauf?

P.S.: Die positiven Antworten haben uns ermutigt. Auch von Ländern wie den USA, die eine sehr breit gestreute Branche von Security- und Militär-Firmen aufweisen. Auch die Organisationen reagierten positiv.

Wir möchten den Kreis der Staaten nun erweitern. Müssen uns dann aber klar werden, wo der kleinste gemeinsame Nenner liegt, bei der grossen Anzahl ähnlich denkender Länder und weiterer Staaten mit ähnlichen Interessen.

swissinfo: Was muss auf nationaler Ebene in der Schweiz unternommen werden?

P.S.: Wollen wir glaubwürdig bleiben, müssen wir im Inland jene Standards anwenden, die wir international durchsetzen möchten. Der Bundesrat hat vor einem Jahr in einem Bericht die laufenden Praktiken im Bereich der privaten militärischen Anbieter beschrieben.

Das Justizministerium bemüht sich zur Zeit, für die 26 Kantone, die als Sitz für solche Militärfirmen in Frage kommen, gemeinsame Regeln aufzustellen. Noch wissen wir nicht genau, wie viele dieser Firmen in der Schweiz auf internationaler Ebene arbeiten.

swissinfo-Interview: Urs Geiser
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Private Sicherheitsfirmen sind oft in Sicherheits-Operationen einbezogen, inklusive der Logistik. Doch manche ihrer Mitarbeiter sind auch aktiv in Kämpfe involviert.

Ihr gesetzlicher Status entspricht nicht demjenigen eines Söldners, der bei einer regulären Armee oder einer Miliz angestellt ist.

Das Aufkommen dieser Militärfirmen kam nach Beendigung der Kalten Krieges, als die Staaten abzurüsten begannen und sich gleichzeitig die Auseinandersetzungen zwischen Milizen und Rebellengruppen intensivierten.

In der Folge waren vermehrt ehemalige Militärs, besonders aus der früheren Sowjet-Armee, auf dem Markt verfügbar – Leute, die auch komplexe Waffensysteme zu bedienen wussten.

Private Sicherheitsfirmen sind in mehr als 100 Staaten weltweit tätig.
Die Umsätze der Branche werden auf rund 123 Mrd. Franken geschätzt.
Allein im Irak sollen 15’000 bis 25’000 Angestellte von Security- und Militärfirmen arbeiten.
Die Schweizer Regierung hat eine ausländische Firma mit der Sicherheit ihres Verbindungs-Büros in Bagdad beauftragt.

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