
Selbstbestimmt leben

Forderungen Behinderter werden ungenügend beachtet. Am Tag der Behinderten machte Pro Infirmis auf ihre Anliegen aufmerksam.
Hoffnung wird in die anstehenden politischen Entscheide gesetzt. Die Behinderten hofften, dass ihre Anliegen auf politischer Ebene Gehör fänden, hiess es am Montag an einer Medienkonferenz der Pro Infirmis in Bern.
Für die rund 500’000 Behinderten in der Schweiz seien in erster Linie zwei anstehende politische Debatten von Interesse: Die 4. Revision des Invalidenversicherungs-Gesetzes, die nächste Woche im Nationalrat auf dem Programm steht und das Behinderten-Gleichstellungsgesetz, das in der nächsten Frühjahrs-Session Thema im Nationalrat sein wird.
Untaugliche Gesetzes-Version
Die Version des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes, wie sie vom Ständerat Anfang Oktober verabschiedet worden war, sei untauglich, sagte Olga Manfredi von Pro Infirmis. Es zementiere lediglich den Status quo.
Vernachlässigt würden vor allem die Themen Arbeit und Bildung. Nicht befriedigend seien zudem die Regelungen über die Zugänglichkeit öffentlicher Bauten.
Kein Luxus verlangt
«Wir verlangen keinen Luxus, sondern nur die uns zustehenden Menschenrechte», sagte Manfredi, die seit einem Rückenbruch an den Rollstuhl gefesselt ist. Der Rückzug der Volksinitiative «Gleiche Rechte für Behinderte» sei derzeit kein Thema, vielmehr erhoffe man sich vom Volksbegehren Druck auf die politischen Instanzen.
Die Gleichstellung müsse insbesondere in der Kommunikation und der Bildung greifen, forderte die Gehörlose Jacqueline Füllemann. Sie verdeutlichte die Erschwernisse des Alltags einer Gehörlosen anhand der fehlenden Untertitel in Fernsehsendungen, der ständigen Abhängigkeit von Dolmetschern und den eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten.
Die Assistenz-Entschädigung, die mit der IV-Revision zur Sprache kommen soll, ermögliche Behinderten ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden statt in Heimen, sagte der Behinderte Konrad Stokar. Nur mit einem solchen Modell könne die Opferrolle der Behinderten überwunden und ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit getan werden.
Die Assistenz-Entschädigung soll das bisherige, komplizierte und lückenhafte System der Leistungen für betreuungs- und pflegebedürftige Behinderte ersetzen und allen Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.
Bei geringer Behinderung beträgt die Assistenz-Entschädigung dem Projekt zufolge 20% der einfachen vollen Altersrente, das heisst rund 400 Franken, Bei mittlerer Behinderung sind es 50 Prozent oder 1000 Franken, bei schwerer Behinderung 80 Prozent oder 1600 Franken. Für schwerbehinderte Minderjährige gibt es einen Zuschlag für Intensivpflege.
Hilfe zur Selbsthilfe
Das in der Verfassung garantierte Grundrecht, wonach niemand wegen einer Behinderung diskriminiert werden dürfe, sei noch nicht umgesetzt, schrieb Bundespräsident Moritz Leuenberger in seinem Aufruf zum Internationalen Tag der Behinderten. Es blieben immer noch zu viele Behinderte vom Berufsleben ausgeschlossen. Leuenberger fordert gezielte Hilfe zur Selbsthilfe.
Zum Auftakt des Behinderten-Tags wurde in einem Brückenbogen in Bern ein 468 m2 grosses Bild installiert, das den Brückenschlag zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen symbolisieren soll. Abgebildet ist Gérald Métroz, der bereits für die diesjährigen Pro-Infirmis-Plakate posierte. Der Luzerner-Installationskünstler Silvan Baer erstellte das Kunstwerk.
Der 3. Dezember wurde 1991 von der UNO zum internationalen Tag der behinderten Menschen erklärt.
swissinfo und Agenturen

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