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Mann mit Zivilcourage

Emil Oprecht in seinen beruflichen Anfängen zu Beginn der 1920er Jahre. www-zb.unizh.ch

Am 9. Oktober vor 50 Jahren starb Emil Oprecht, wichtigster Schweizer Verleger von Exil-Literatur.

Die Zentralbibliothek in Zürich zeigt Bestände des Verleger-Ehepaares Emil und Emmie Oprecht. Eine Reise in ein Stück Schweizer Geschichte, das bewegt.

Es war der 10. Mai 1933, als das nationalsozialistische Regime in Deutschland zur Bücherverbrennung aufrief. Auf dem Opernplatz in Berlin loderten etwa 20’000 Bücher im Feuer: Heinrich Mann, Erich Kästner, Sigmund Freud, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky und viele Werke anderer Schriftsteller und Wissenschaftler wurden verbrannt. Unzählige sollten weiter folgen.

Ein Fanal

Gleich zu Beginn der Ausstellung über den Verleger Emil Oprecht (1895-1952) sticht uns unter anderem eine Fotografie von eben diesem 10. Mai ´33 in Berlin ins Auge. Und genau so, aufgetürmt zu einem Scheiterhaufen im Schaufenster seiner Buchhandlung, präsentierte Oprecht in Zürich seine Bücher, die in Deutschland auf dem Index standen.

Jener Mai war für Emil Oprecht ein Fanal. Während die Nazis Bücher zerstörten, weitete der Buchhändler und Verleger seine Buchproduktion aus. Zum Verlag Oprecht und Helbling (später Oprecht Verlag) kam 1933 der Europa-Verlag hinzu, der 1938 noch einen Ableger in New York erhielt.

Lebenslange Freundschaft

In jene Zeit fiel auch der erste Kontakt mit Thomas Mann. Geknüpft hatte ihn die Mann-Tochter Erika, und es war der Beginn einer Freundschaft, die lebenslang anhielt. Thomas Mann, der einige Anlaufzeit brauchte, bis er dezidiert Stellung gegen den Nationalsozialismus nahm, schrieb 1936 seinen berühmten offenen Brief an Eduard Korrodi.

Korrodi, Redaktor und Literaturkritiker der NZZ hatte Mann durch seinen gegen das literarische Exil gerichteten Artikel im Emigrantenspiegel aufgebracht. In der Folge wird Mann ausgebürgert, die Titel werden ihm aberkannt. Auf das Verdikt reagiert Mann mit einem weiteren Brief.

Mutiger Verleger, grosser Mensch

Oprecht erkennt in diesem Brief ein Zeugnis der Humanität gegen die Barbarei und lässt ihn umgehend drucken. Die ersten 10’000 Exemplare sind in wenigen Tagen ausverkauft. Der Text wird in fast alle europäischen Sprachen übersetzt und gelangt in sogenannten Tarnausgaben (“Briefe deutscher Klassiker”) auch nach Deutschland.

Emil Oprecht war ein Mann der Tat. In einer Zeit, als etliche Eidgenossen und etliche Teile der offiziellen Schweiz schwiegen, sich duckten, teilweise sogar hetzten, handelten er und seine Frau mutig und kompromisslos. Sie lebten die Zivilcourage, wurden deswegen oft heftig angefeindet, offiziell verwarnt, zeitweise mit dem Tode bedroht.

Eindrückliche Zeugnisse

Die Zentralbibliothek beherbergt das Archiv und die 30’000 Bände umfassende Privatbibliothek Oprechts. In den fünfzehn Vitrinen der Ausstellung sind Fotografien, Ausweise, Briefe, Verlagsprospekte und viele Bücher ausgestellt.

Ignazio Silone, Else Lasker-Schüler, Ernst Bloch, Max Horkheimer, das sind längst nicht alle Autoren, die Oprecht verlegte. Und damit sorgte er dafür, dass sie nicht verstummten. Nebst seiner Verleger-Tätigkeit beschaffte der engagierte Sozialdemokrat auch Visas und Pässe, versteckte Verfolgte.

Das gleiche Engagement galt auch dem Schauspielhaus Zürich, dessen Verwaltungsratspräsident der Neuen Schauspiel AG er war. Er stellte sich vor die Leitung des Hauses, wies die Vorwürfe der Frontisten bezüglich Überfremdung von sich, steuerte das Theater durch seine wohl schwierigste Zeit.

Wie schrieb Peter Stahlberg in seiner Doktorarbeit über Emil Oprecht 1970: “Oprechts Einsatz war getragen von einem tiefen Idealismus, von der Überzeugung für die Sache des Sozialismus, von einem angeborenen Bedürfnis, mithelfen zu müssen, wenn man nicht mitschuldig werden wollte.”

swissinfo, Brigitta Javurek

30-er Jahre: Oprecht präsentierte Bücher, die auf dem Nazi-Index standen
1933: Zum Verlag Oprecht und Helbling kommt der Europa-Verlag dazu
1938: Ableger des Europa-Verlags in New York

Der Mai 1933 war für den Schweizer Buchhändler und Verleger Emil Oprecht ein Fanal. Während die Nazis Bücher verbrannten, präsentierte er im Schaufenster seiner Buchhandlung in Zürich jene Bücher, die in Deutschland auf dem Index standen. Gleichzeitig weitete Oprecht seine Buchproduktion aus.

In einer Zeit, als etliche Schweizer und auch Teile der offiziellen Schweiz schwiegen oder teilweise sogar hetzten, bewiesen Oprecht und seine Frau trotz heftigen Anfeindungen und Drohungen Zivilcourage.

Die Zentralbibliothek in Zürich beherbergt das Archiv und die 30’000 Bände umfassende Privatbibliothek Oprechts.

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