Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Die hohen Löhne der Kader beim IKRK drücken auf die Stimmung

Yves Daccord hat die Hand am Mund.
Bei seinem Stellenantritt 2010 erhielt Yves Daccord ein Gehalt von 300'000 Franken. Keystone / Salvatore Di Nolfi

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz erlebt eine nie dagewesene Krise und muss 1800 seiner insgesamt 22'700 Angestellten entlassen. In diesem angespannten Klima ist die Kritik an den Kadern zahlreich. Das öffentlich-rechtliche RTS hat sich die Vorteile angeschaut, welche die obersten Führungskräfte der Organisation haben.

Die Zahlen, die intern kursieren, stammen aus den Daten der US-Steuerbehörde, die alle Gehälter und andere finanzielle Vorteile für hohe Kader enthalten. Das IKRK muss diese Informationen wie jede andere Wohltätigkeitsorganisation, die in den USA von der Steuer befreit werden will, zur Verfügung stellen.

Die öffentlich zugänglich gemachten Steuerdaten enden vorerst im Jahr 2021. Wenn man die Dollar in Schweizer Franken umrechnet, stellt man fest, dass bei den Gehältern in den 2010er-Jahren Rekordwerte erreicht wurden, den Jahren unter dem früheren Präsidenten Peter Maurer. Der Schweizer verdiente bis zu 437’000 Franken pro Jahr. Der ehemalige Generaldirektor Yves Daccord wiederum kam auf 330’000 Franken.

Mehr

Vom IKRK bestätigt

Das IKRK bestätigte diese Zahlen gegenüber RTS und erklärte sich bereit, die Entwicklung zu erläutern: Der ehemalige Staatssekretär Peter Maurer wurde 2012 mit einem Anfangsgehalt von 390’000 Franken ernannt, das in der Folge um mehr als 40’000 Franken erhöht wurde.

Traditionell verdient der Generaldirektors etwas weniger. Bei seinem Antritt im Jahr 2010 erhielt Yves Daccord 300’000 Franken. Später wurde sein Salär ebenfalls erhöht.

Der Aufwärtstrend erfährt derzeit einen Knick: Die aktuelle IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric erhält 390’000 Franken und Generaldirektor Robert Mardini kommt auf ein Grundgehalt von 320’000 Franken.

Mehr

Nach Angaben der US-Steuerbehörde haben die höchsten Führungskräfte zudem Anspruch auf eine jährliche Aufwandsentschädigung zwischen 18’000 und 24’000 Franken. Im Jahr 2021 erhielten die sechs anderen Mitglieder der Geschäftsleitung Gehälter zwischen 250’000 und 290’000 Franken.

Ein weiteres Spitzengehalt ist jenes von Gilles Carbonnier, Vizepräsident des IKRK. Dieser kommt auf rund 290’000 Franken im Jahr.

Die grossen UNO-Organisationen als Massstab

Diese Vergütungen für die Mitglieder der Direktion sind durch eine Gehaltstabelle geregelt, während die Gehälter von Vorsitz und Generaldirektor vom IKRK-Vorstand und einer Kommission festgelegt werden. Die Vorzeigeorganisation des internationalen Genf verteidigt die Höhe der Vergütungen, die ihren höchsten Führungskräften angeboten werden, wie HR-Verantwortliche Claire Sperandio gegenüber RTS erklärt hat: “Es ist eine Organisation, die sich enorm professionalisiert hat, mit mehr als 20’000 Angestellten und einem Budget von mehr als zwei Milliarden Franken. Wir brauchen daher die besten Talente in unseren Führungspositionen. Um dies zu erreichen, müssen wir attraktiv und wettbewerbsfähig sein, das Gehalt gehört dazu.”

Die HR-Verantwortliche präzisiert, dass “das IKRK im Durchschnitt 20% unter den anderen Akteuren der Branche liegt”, wie aus regelmässig durchgeführten Vergleichen, insbesondere mit den grossen UNO-Agenturen, hervorgeht.

Grünen-Nationalrat Nicolas Walder (Genf), selbst ehemaliger IKRK-Mitarbeiter, kritisiert diese Haltung: “Das IKRK sollte bei seinen Gehältern bescheidener sein und sich besser an den NGOs als an den UNO-Agenturen orientieren. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Organisation, die mehr denn je auf die Unterstützung der Schweiz angewiesen ist.

Hohe Abgangsentschädigungen

Ein weiterer finanzieller Anreiz nährt die Kritik am “Rolls Royce der humanitären Hilfe”, wie in Genf manche das IKRK nennen: Dabei handelt es sich um ein an das Dienstalter gekoppeltes System von Abfindungszahlungen, das für Mitglieder der Geschäftsleitung gilt, wenn ihre Amtszeit endet. Die Daten der US-Steuerbehörde weisen im Jahr 2021 eine Zahlung von mehr als 300’000 Franken an Yves Daccord aus, obwohl er im Juni 2020 als Generaldirektor zurückgetreten war.

Das IKRK sagt gegenüber RTS, dass es sich um eine “völlig normale und vorschriftsmässige” Zahlung handle, die einer Abgangsentschädigung von 12 Monatsgehältern entspreche, dem Höchstbetrag. Dieser ist vorgesehen, wenn man mehr als 16 Jahre im Dienst des IKRK gestanden hat – was bei Yves Daccord der Fall war. Er ging jedoch aus freien Stücken.

Ursprünglich wurde das System für die Unterstützung bei der Reorientierung nach langen Auslandeinsätzen eingeführt. Später wurde diese Vergütung auf alle Mitarbeiter:innen ausgeweitet, deren Verträge ausgelaufen oder nicht verlängert worden sind. Wie rechtfertigt das IKRK diese Ausweitung?

Nach Angaben des IKRK ist der Fall der Mitglieder der Geschäftsleitung anders gelagert, weil sie ein vierjähriges Mandat haben, das verlängert oder nicht verlängert werden kann. “Sie müssen in der Lage sein, sich bis zum letzten Tag auf ihr Mandat zu konzentrieren und nicht darüber nachzudenken, was danach kommt”, erklärt die HR-Chefin Claire Sperandio, “Die Abfindungszahlungen sind Teil eines Angebots, das wir attraktiv und wettbewerbsfähig gestalten wollen.”

Dieses System hat das IKRK viel Geld gekostet, weil die Organisation in den letzten drei Jahren seine gesamte Führungsebene ausgewechselt hat. Neben dem Generaldirektor sind sechs weitere Mitglieder der Geschäftsleitung gegangen. Das IKRK weigerte sich, RTS die Gesamthöhe der Abgangsentschädigungen offenzulegen: “Wir betrachten die genauen Gehälter unserer Mitarbeiter generell als privat und vertraulich”.

Die Zahlen werden also erst mit den nächsten Veröffentlichungen der US-Steuerbehörde bekannt. Nach Einschätzung von RTS erfüllten fünf der sechs Mitglieder der Geschäftsleitung die Kriterien für die maximale Abfindung von zwölf Monatsgehältern. Insgesamt könnte dies Abfindungen in einer Höhe von über einer Million Franken bedeuten.

Übertragung aus dem Französischen: Benjamin von Wyl

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft