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Bundesrat will keine obligatorische Selbstdeklaration

Der Bundesrat vertraut den Banken die Ausarbeitung von Sorgfaltspflichten an. RDB

Die Banken sollen künftig sicherstellen müssen, dass Gelder, die sie annehmen, versteuert sind. Eine schriftliche Erklärung des Kunden, er habe das Geld versteuert, müssen sie aber nicht zwingend verlangen: Der Bundesrat will keine Selbstdeklarationspflicht einführen.

Mit der Finanzplatz-Strategie will der Bundesrat verhindern, dass unversteuerte Gelder auf den Schweizer Finanzplatz fliessen. Erstmals angekündigt hatte der Bundesrat einen Ausbau der Sorgfaltspflichten im vergangenen Februar.

Wie die Banken genau vorgehen müssen, steht noch nicht fest. Der Bundesrat hat erst einige Vorentscheide zur Finanzplatzstrategie gefällt, wie Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Freitag vor den Medien sagte.

Konkret hat die Landesregierung entschieden, die Grundsätze zu den neuen Sorgfaltspflichten der Banken auf Gesetzesebene zu regeln. Anhand der gesetzlichen Eckwerte müssen die Banken sich dann selbst regulieren: Sie legen fest, wie sie unversteuertes Geld erkennen wollen. Sind Gelder nicht versteuert, muss die Bank diese ablehnen.

Ob die Massnahmen genügen, entscheidet die Finanzmarktaufsicht (Finma). Sie muss die Lösung der Banken genehmigen. Ausserdem muss die Finma prüfen, ob die Banken diese umsetzen.

“Die Banken haben nicht gewonnen”, sagte Widmer-Schlumpf auf eine entsprechende Frage. Sie hätten nämlich eine Selbstregulierung ohne gesetzlichen Rahmen und ohne Überwachung gewollt. Die Banken hatten sich im Vorfeld vor allem gegen eine systematische Deklarationspflicht für ihre Kunden gewehrt. Eine solche Pflicht fordert die Linke.

Der Bundesrat habe eine flächendeckende Selbstdeklaration geprüft, sei aber davon abgekommen, sagte die Finanzministerin dazu. Die Selbstdeklaration sei nur einer der möglichen Anhaltspunkte dafür, dass Gelder versteuert seien.

Verzögerung wegen Geldwäschereigesetz

Der Bundesrat wird den Bericht zur Finanzplatz-Strategie voraussichtlich am 19. Dezember verabschieden. Anfang 2013 soll das Finanzdepartement dann eine Vernehmlassungs-Vorlage vorlegen. “Wir möchten eine glaubwürdige, funktionierende, umsetzbare Regelung”, versicherte Widmer-Schlumpf.

Der Bundesrat will – wie er bereits angekündigt hatte – gleichzeitig das Geldwäschereigesetz anpassen. Schwere Steuerdelikte sollen künftig als Vortaten zur Geldwäscherei gelten. Die Banken sollen bei Verdacht also auch solche Fälle der Meldestelle für Geldwäscherei melden müssen. Dies hatten internationale Gremien empfohlen. Die Vorlage zu den Sorgfaltspflichten der Banken hatte sich wegen der Verbindung mit dem Geldwäschereigesetz verzögert.

Der Bundesrat (Landesregierung) will mit dieser Strategie Massnahmen ergreifen für einen glaubwürdigen, steuerlich konformen und wettbewerbsfähigen Finanzplatz Schweiz.

Auf einer ersten Ebene sollen steuerliche Probleme der Vergangenheit geregelt werden, namentlich Fälle von im Ausland wohnhaften Kunden, die Vermögenswerte nicht korrekt versteuert haben.

Auf einer zweiten Ebene sollen die internationale Kooperation und die künftige Besteuerung von Kapitalerträgen und -gewinnen sichergestellt werden.

Das Ziel des Bundesrates ist es, für den Schweizer Finanzplatz gute Rahmenbedingungen zu schaffen, die seine Wettbewerbsfähigkeit fördern und gleichzeitig weltweite Akzeptanz finden. Missbräuche des Bankgeheimnisses sollen so weit wie möglich verhindert werden.

(Quelle: Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF)

Expertengruppe

Angesichts der andauernden Turbulenzen rund um den Finanzplatz hat die Finanzministerin ferner entschieden, eine Expertengruppe einzusetzen. Der Bundesrat nahm am Freitag davon Kenntnis. Die Gruppe soll die internationalen Entwicklungen verfolgen, die Lage analysieren und dem Bund Vorschläge für das weitere Vorgehen unterbreiten.

“Die Entwicklung geht schneller als ein Bericht entstehen kann”, stellte Widmer-Schlumpf fest. Die Gruppe werde sich etwa mit der Entwicklung des OECD-Standards bei der Amtshilfe oder mit der Umsetzung des Abkommens zum US-Steuergesetz FATCA befassen.

Geleitet wird die Gruppe von Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti, dem ehemaligen Chefökonom des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Weiter gehören der Gruppe Vertreter von Nationalbank, der Finma und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) an. Mitglied ist laut Widmer-Schlumpf auch Staatssekretär Michael Ambühl, Leiter des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF).

Für die Regularisierung des unversteuerten Geldes, das sich bereits auf Schweizer Bankkonten befindet, setzt der Bundesrat nach wie vor auf die Abgeltungssteuer, obwohl das entsprechende Steuerabkommen mit Deutschland gescheitert ist, wie Widmer-Schlumpf auf eine entsprechende Frage bekräftigte.

Parteien reagieren unterschiedlich

Der Grundsatzentscheid des Bundesrats wird von den Parteien unterschiedlich aufgenommen. Für die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) steht mit der freiwilligen Selbstdeklarationspflicht die Finma in der Verantwortung. Laut Parteipräsident Christophe Darbellay ist die vom Bundesrat gewählte Option “eine Lösung der Banker”.

Schwer enttäuscht zeigte sich die Sozialdemokratische Partei (SP): “Von Weissgeldstrategie kann so keine Rede sein”, sagte SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Vielmehr sei ersichtlich, dass das Lobbying der Bankenbranche, namentlich der Bankiervereinigung, zu einer “halbschlauen Erklärung” geführt habe.

Für Nationalrat Hans Kaufmann von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ist der Grundsatzentscheid “halbwegs akzeptabel”. Kein Land auf der Welt habe eine Selbstdeklarationspflicht. Also brauche sie auch die Schweiz nicht. “Eine Weissgeldstrategie mit einer solchen Deklarationspflicht taugt nichts”, sagte er.

Bankiers und Aufsicht zufrieden

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) unterstützt die Finanzplatzstrategie des Bundesrates grundsätzlich und will daran mitarbeiten. Sie begrüsste am Freitag, dass die Regierung keine systematische Pflicht zur Selbstdeklaration vorsieht.

Die SBVg hatte sich schon während längerer Zeit energisch gegen eine systematische Selbstdeklaration der Kunden gewehrt, wonach die eingebrachten Einlagen versteuert sind. Eine systematische Steuerdeklaration stelle die Kunden unter Generalverdacht und sei weder umsetzbar, glaubwürdig noch international zu verankern, schreibt der Verband.

Auch die Finma sprach sich gegen eine flächendeckende Selbstdeklarationspflicht aus. Ihr Direktor Patrick Raaflaub sagte in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung vom Freitag, seine Behörde und die Banken sollten keine unerfüllbaren Aufgaben erhalten.

Zudem hält er eine flächendeckende Selbstdeklaration für “nicht besonders wirkungsvoll”. Sie wäre nur dann glaubwürdig, wenn eine umfassende Kontrolle durch Banken und Behörden nachgeschaltet würde – “und das wäre gar nicht möglich”.

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