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Die Fünfte Schweiz spricht über den Finanzplatz

Aufmerksames Publikum aus der Fünften Schweiz. Das Bild stammt vom vergangenen Kongress in Davos. Keystone

Bis zum 31. August findet in Crans-Montana der Kongress der Auslandschweizer statt. Zentrales Thema ist der Finanzplatz Schweiz.

Der 81. Jahreskongress ist aber auch ein geselliger Anlass, um wieder einmal über «Gott und die Schweiz» zu sprechen.

Jeweils traditionell besucht auch ein Mitglied der Landesregierung den Auslandschweizer-Kongress. In Crans-Montana im Wallis wird Pascal Couchepin, der Walliser Bundespräsident, am Samstag zu den Landsleuten aus dem Ausland sprechen.

Zählt man auf der diesjährigen Teilnehmerliste nach, dann unterscheidet sich der 81. Auslandschweizer-Kongress punkto Besucherzahl nicht wesentlich von den früheren Kongressen.

In Crans-Montana erwartet man rund 500 Personen. Davon sind rund 350 «echte» Landsleute, die im Ausland leben.

«Es ist somit kein Rekordkongress», sagt Rudolf Wyder, der Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO), welche den Kongress organisiert, gegenüber swissinfo.

Es sei auch nicht das Thema Finanzplatz Schweiz, das weniger interessiere als andere zuvor, denkt Wyder. Eher schon gehe es um den Zeitpunkt des Kongresses. «Viele Auslandschweizer haben uns gesagt, dass das Datum Ende August etwas gar spät sei.»

Auslandschweizer von Finanzplatz-Cliché betroffen

Das Thema am jeweiligen Auslandschweizer-Kongress bestimmt der Auslandschweizer-Rat (ASR), der als eine Art «Parlament» der Landsleute im Ausland gilt.

Für den Kongress in Crans-Montana entschied der Rat, über den allgegenwärtigen Finanzplatz Schweiz zu reden.

Dieses Thema dränge sich auf, «weil die Auslandschweizer direkt davon betroffen sind», wie Wyder sagt. Sie würden in ihren Ländern ständig darauf angesprochen und bekämen auch immer wieder all die zahlreichen Clichés zu hören. «Das Bedürfnis ist deshalb gross, einmal kompetent darüber informiert zu werden.»

Der Kongress-Samstag ist denn fast vollständig diesem Thema gewidmet. Der Finanzplatz wird von allen Seiten beleuchtet. So spricht zum Beispiel Hugo Bohny, Bankier aus Feldmeilen, von der «herausragenden Bedeutung des Finanzplatzes für die schweizerische Wirtschaft».

Auf der andern Meinungsseite wird auch die Entwicklungs-Organisation «Erklärung von Bern» (EvB) zu Wort kommen. Sie wird dafür plädieren, die «Profiteure der Globalisierung» zu besteuern und erklären: «Ungefähr die Hälfte des Welthandels scheint durch Steueroasen zu führen.»

Wachsendes politisches Gewicht

Neben der Wirtschaft soll auch die Politik in Crans-Montana nicht zu kurz kommen: In den Wandelhallen des Kongresszentrums «Le Régent» sind sämtliche Regierungsparteien sowie die Liberale Partei der Schweiz mit Infoständen präsent.

Dies gilt als ein klares Zeichen, dass die knapp 600’000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland politisches Gewicht aufweisen. Stimm- und wahlberechtigt sind sie seit 1992 und gut 80’000 machen davon Gebrauch.

Für Georg Stucky, Präsident der Auslandschweizer-Organisation, sind diese Stimmabgaben aus dem Ausland inzwischen zu einem «politischen Faktor» geworden. So liegt für Stucky auf der Hand, dass es die Auslandschweizer waren, die mit ihren Stimmen dafür gesorgt haben, dass die Asylmissbrauchs-Initiative abgelehnt wurde.

Deshalb verwundert es nicht, wenn die anwesenden politischen Parteien im Podiumsgespräch in Crans-Montana mit Blick auf die Parlamentswahlen im Herbst ihre Positionen auch der Fünften Schweiz darlegen wollen.

Der virtuelle Kanton

«Dann wird auch wieder die Idee vom 27. Kanton zur Sprache kommen», ist ASO-Direktor Wyder überzeugt. Bis jetzt werden die Stimmen aus dem Ausland in der vom Auslandschweizer gewählten Gemeinde abgegeben. Einige Kantone besitzen bereits ein zentrales Stimmregister für Auslandschweizer.

Dennoch finden viele, man sollte die Auslandschweizer zusammenfassen und einen «Auslandschweizer-Kanton» gründen. Nur so könne ihr politisches Potenzial ausgeschöpft werden.

Dieser Idee kann Wyder nichts abgewinnen. «Wer das ernsthaft prüft, kommt zum Schluss, dass es unrealistisch und nicht wünschbar ist.»

Der Direktor der ASO verweist auf eine Volksabstimmung, die im Inland – mit Ständemehr – gewonnen werden müsste, um den virtuellen Kanton zu gründen. Dazu gehörte im Vorfeld auch das Führen eines Abstimmungskampfs.

Weiter müsste der «virtuelle Kanton ohne Territorium» Ständeräte wählen. Er hätte auch ein Anrecht auf rund ein Dutzend Nationalräte. «Die müssten wir dem Inland wegnehmen», präzisiert er.

Wahlen, Argentinien und Auslandschweizer-Info

Im Auslandschweizerrat (ASR), der jeweils am Freitag vor dem Jahreskongress tagt, bestimmen deshalb andere Themen die Traktandenliste. Allen voran die kommenden Wahlen.

Dazu erläutert der Politologe Claude Longchamp seine im Auftrag der Auslandschweizer-Organisation und swissinfo durchgeführte Online-Befragung über das Abstimmungsverhalten der Auslandschweizer. Diese hat ergeben, dass die Fünfte Schweiz eher links wählt.

Weiter debattiert der Rat über die Situation der Schweizerinnen und Schweizer in Argentinien, über Flüchtlingsfragen oder auch über die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes.

Hier geht es darum, wie die Auslandschweizer künftig über das Geschehen in der Schweiz orientiert werden, nachdem die Kurzwelle von swissinfo/Schweizer Radio International Ende 2004 endgültig verstummt und dem reinen Internet-Auftritt von swissinfo.org Platz macht.

Aussenministerin und Doppelbürgerin

Botschafter Peter Sutter, der Chef des Auslandschweizer-Dienstes, wird zudem über den konsularischen Schutz der Auslandschweizer orientieren. Das wird grosses Interesse wecken, musste doch jüngst ein Krisenstab in der Affäre rund um die Sahara-Geiseln aktiv werden. «Auch darüber wird Sutter sprechen», sagt Rudolf Wyder.

Ausserdem wird ein illustrer Gast an der Sitzung des ASR teilnehmen: Direkt nach der Unterredung mit der Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey wird die Aussenministerin von El Salvador, Maria Eugenia Brizuela de Avila, im Auslandschweizerrat dabei sein.

Das auf eigenen Wunsch: Die Politikerin ist Doppelbürgerin und hat «mütterliche Wurzeln» in die Schweiz.

swissinfo, Urs Maurer

2001 zählte man insgesamt 591’660 im Ausland niedergelassene Schweizerinnen und Schweizer.

Davon lebten 366’780 in Europa, 157’077 in Amerika (Nord und Süd) und 17’495 in Afrika.

Von den Schweizern im Ausland waren 177’006 Schweizer Bürger ohne weitere Nationalität, der Rest Doppelbürger.

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