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Die fünfte Schweiz will endlich ins Parlament

Im Nationalratssaal möchten die Auslandschweizer und -schweizerinnen ihre Interessen künftig direkt vertreten. Keystone

Die Auslandschweizer unternehmen grosse Anstrengungen, mindestens einen Sitz im Schweizerischen Parlament zu erringen.

Nicht weniger als 16 Kandidaten und Kandidatinnen treten zu den bevorstehenden Wahlen an. Das sind so viele wie noch nie.

Seit elf Jahren besitzen die Auslandschweizerinnen und –schweizer das briefliche Stimm- und Wahlrecht. In dieser Zeit versuchten 14 Kandidatinnen und Kandidaten den Sprung in den Nationalrat – allesamt ohne Erfolg.

Dies soll sich nun ändern: Mindestens 16 Kandidierende wollen in den Nationalrat im Berner Bundeshaus einziehen. Die ASO hat im letzten Herbst- und Winter Kontakt zu allen grösseren Parteien aufgenommen und sie aufgefordert, Auslandschweizer auf ihre Wahllisten aufzunehmen. Diesen Aufruf hat sich die SVP offenbar am meisten zu Herzen genommen.

Im Baselbiet präsentiert die SVP sogar eine eigene Auslandschweizer-Liste mit sieben Kandidatinnen und Kandidaten. Das ist eine Schweizer Premiere.

Die Auslandschweizer Organisation (ASO) gibt bekannt, dass auch im Kanton Bern ein SVP-Kandidat ins Rennen gestiegen ist. Die rechte Auslandschweizer-Union ist mit vier Kandidaten auf einer Zürcher SVP-Liste vertreten. Weiter meldet die ASO drei freisinnige Kandidaten sowie eine im Elsass wohnende Frau, die auf der Liste der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) figuriert.

Noch keine Kandidaturen angemeldet haben die Sozialdemokraten und die CVP. Dies kann sich allerdings noch ändern, da in einigen Kantonen die Anmeldungsfristen für die Nationalratslisten noch laufen.

«Wahlchancen intakt»

Die Wahlchancen der Auslandschweizer sind laut ASO-Chef Georg Stucky intakt. Allerdings hätten sie unter ungünstigeren Bedingungen zu kämpfen. Bei den Wahlen 1999 erzielte der SP-Kandidat Pierre-Alain Bolomey aus Brüssel mehr als einen Achtungserfolg. Zur Wahl fehlten ihm letztlich nur 2000 Stimmen.

Für Stucky ist die fehlende Bekanntheit ein Haupthindernis, um gewählt zu werden. Wenn die Kandidaten schon längere Zeit im Ausland lebten, fehlten ihnen in ihrem Wahlkanton oftmals Netzwerke wie Interessens-, Berufs- oder Sportverbände. Auch müssten sie ihre Kampagnen vom Ausland aus lenken, was dazu führe, dass diese oft auf ihre Ferien beschränkt blieben. Zudem liessen die Reisespesen den finanziellen Aufwand stark ansteigen.

Die grössten Chancen bei den kommenden Wahlen hat laut Stucky der in Südafrika wirkende Unternehmer Rolf Schudel. Stucky wünscht dem SVP-Kandidaten Erfolg – trotz politischer Differenzen. Es sei wichtig, endlich jemanden im Rat zu haben, der die Interessen der Auslandschweizer direkt vertrete.

Schudel selbst sagt, er kämpfe mehr für die Partei als für sich selbst und wolle mit seinen Stimmen zu einem Wahlerfolg der SVP beitragen. Die SVP erhofft sich von Schudels Kandidatur einen Effekt, der über die Wahlen hinausgeht.

Dass die SVP im Vergleich zu ihrer Stärke in der Heimat im Ausland noch Boden gut zu machen hat, zeigt eine im vergangenen Juni veröffentlichte Studie des GfS-Forschungsinstitutes: Demnach wählen 31% der Auslandschweizer und –schweizerinnen SP, 18% FDP, Grüne und SVP je 15% und CVP 8%.

Umstrittene fixe Plätze

Unter Auslandschweizern ist die Frage umstritten, ob für sie im Nationalrat fixe Plätze reserviert werden sollten. SVP-Kandidat Rolf Schudel hat dieses schon ältere Polstulat wieder aufgenommen und verlangt für die Ausgewanderten einen eigenen Wahlkreis.

Schudel möchte, dass den Auslandschweizern ein quasi «eigener Kanton» mit fixem Kontingent an Nationalratssitzen zugeteilt würde und sie dann ihre eigenen Abgeordneten wählen könnten.

Heute werden die Auslandschweizer wie die hiesigen Kandidaten in den Kantonen gewählt. Sie können also einander nur wählen, wenn sie im gleichen Kanton registriert sind.



Schudels Vorschlag stösst beim Präsidenten der ASO, Georg Stucky, auf Ablehnung: Dies würde zu einer «Foto-Wahl» führen, denn ein Auslandschweizer aus Argentinien kenne einen Auslandschweizer aus Russland unter Umständen noch viel weniger, als dies die Stimmbevölkerung in seinem Heimatkanton tue. Nur noch ein Bild würde dann entscheiden.

Umstritten sei auch die Frage, wie die Sitzzahl festgelegt werden solle. Aufgrund ihrer Zahl hätten die rund 83’000 im Stimmregister eingetragenen Auslandschweizer und –schweizerinnen laut Stucky Anrecht auf fünf Nationalratsmandate. Kämen gar alle Auslandschweizer unabhängig vom Stimmregistereintrag zum Zug, so müssten ihnen bis zu 15 Sitze zugeteilt werden.

Für Stucky ist beides illusorisch: «Einen virtuellen 27. Kanton zu machen, hat politisch keine Zukunft.»

swissinfo und Agenturen

Mindestens 16 Auslandschweizer und -schweizerinnen kandidieren bis jetzt für den Nationalrat. Davon gehören
12 zur SVP
3 zur FDP
1 zur EDU

Noch sind nicht alle Kantonslisten bei der Bundeskanzlei eingereicht worden.

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