
Schweizer Juden erhoffen von Kadima Frieden

Nach dem Sieg von Ehud Olmerts Kadima denken Juden und Palästinenser in der Schweiz, Israel ziele weiter auf eine einseitige Grenzlegung hin.
Die Stimmbeteiligung war die tiefste in der Geschichte Israels, und die Wähler wandten sich vermehrt den kleineren Parteien zu. Eine Koalition ist unausweichlich.
Das Schweizer Aussenministerium gab nach der Wahl seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Konfliktparteien im veränderten politischen Umfeld den Weg des Dialogs beschreiten.
Die erste Stellungnahme des amtierenden Regierungschefs Ehud Olmert, in der dieser Gesprächsbereitschaft gegenüber den Palästinensern signalisiert habe, sei ein ermutigendes Zeichen, erklärte Ministeriumssprecher Lars Knuchel gegenüber swissinfo.
SIG sieht positive Entwicklung
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) sieht im Sieg von Kadima bei den israelischen Parlamentswahlen eine «positive Entwicklung». Die Bevölkerung sei zu weiteren Schritten hin zu einem Frieden mit den Palästinensern bereit.
Die Politik der vergangenen Jahre mit dem schrittweisen Rückzug aus einigen der besetzten Gebiete könne nun fortgeführt werden, erklärte SIG-Präsident Alfred Donath am Mittwoch. Das Wahlresultat belege «Realismus und Pragmatismus».
«Ich kann nicht für alle Schweizer Juden sprechen, denn sie bilden keinen einheitlichen Block, wenn es um Israel geht. Aber ich denke doch, dass sie hoffen, ein friedlicher Weg im Nahem Osten könne gefunden werden.»
Das Wahlresultat scheine zu zeigen, dass sich die meisten Israelis vom Traum eines Gross-Israels verabschiedeten, sagte Donath. «Die Niederlage der rechten Likud- Partei zeigt, dass die Nationalisten in Israel an Einfluss verloren haben.»
Keine Wende
Daniel Vischer, Präsident der Gesellschaft Schweiz-Palästina (GSP) erkennt dagegen keine Trendwende in der israelischen Politik: «Und das ist schlecht», sagte er. Der amtierende Premier und Wahlsieger Ehud Olmert setze auf einseitiges Vorgehen wie sein Vorgänger Ariel Scharon.
Vischer äusserte die Hoffnung, dass Olmert nach dem Wahlsieg mutiger werde. Er sieht in einer israelischen Führung, die der Konfrontation mit Teilen des eigenen Volkes und den Siedlern nicht ausweicht, die Voraussetzung für einen Friedensschluss.
Die Gesellschaft Schweiz-Palästina betonte die völkerrechtlichen Verpflichtungen Israels. Frieden könne es nur geben, wenn sich Israel auf die festgelegten Grenzen von 1967 zurückziehe, erklärte Vischer.
Schwierige Koalition
Der Schweizer Nahost-Experte Erich Gysling vertritt ebenfalls die Meinung, die meisten Israelis hätten die heutige Situation satt und wünschten eine klare Lösung.
«Kadimas Sondierungsgespräche für eine Koalition werden schwierig werden», sagte Gysling gegenüber swissinfo. «Eine Lösung wäre eine Koalition mit der Arbeiterpartei von Amir Perez zusammen mit kleineren Parteien des progressiven oder linken Flügels, so etwa Merez.
Den Palästinensern bot Olmert Verhandlungen über eine endgültige Lösung des Nahost-Konflikts an. Sollten sie aber dazu nicht bereit sein, «wird Israel sein Schicksal in die Hand nehmen, die Zeit ist gekommen zu handeln», so der Regierungschef.
Donath äusserte sich pragmatisch dazu: «Ich denken, es ist vermutlich besser, mit den Palästinensern zu verhandeln, als – wie in Gaza – eine einseitige Lösung zu treffen. Doch bis zur Stunde gibt es niemanden, mit dem man sprechen könnte.»
Hamas gefordert
«Olmert müsste mit jemandem von Hamas verhandeln. Die aber müsste zuerst auf die Zerstörung des Staates Israel verzichten», sagte Donath.
Gysling ist etwas optimistischer: «Likud hat immer gesagt, es werde nicht mit den Palästinensern verhandelt. So gesehen, sieht die Sache heute etwas hoffnungsvoller aus.»
Auch für die diversen internationalen Bemühungen für einen Frieden in Nahost, die Genfer Initiative der Schweizer Regierung inbegriffen, sieht Gyling mehr Spielraum.
«Die Genfer-Initiative ist eine interessante und faire Formel für einen Frieden, doch wird sie weder von den Israelis noch von den Palästinensern akzeptiert. Sie ist lediglich eine Denkvorlage», sagte Gysling.
EDA: Kein Kommentar
Das Schweizer Aussenministerium (EDA) sagte gegenüber swissinfo, das EDA habe Kenntnis genommen von den Resultaten der vorgezogenen Parlamentswahlen in Israel. Es kommentiere diese Resultate nicht.
Weiter sei man überzeugt, dass eine umfassende, realistische und dauerhafte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts nur auf dem Verhandlungsweg zu erzielen sei.
«Die erste Stellungnahme des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert nach der Wahl, in welcher er Gesprächsbereitschaft gegenüber den Palästinensern signalisierte, ist ein ermutigendes Zeichen», hiess es im EDA.
swissinfo und Agenturen
Die Schweizer Unterstützung in den von Israel besetzten Gebieten besteht vor allem aus Entwicklungshilfe für die Palästinenser.
Sie wird durch nicht-staatliche und andere internationale Organisationen geleistet. Die offizielle Schweiz leistet keine Finanzhilfe, ausser für das Statistische Amt.
Ein von der Schweiz entwickelter Friedensplan – die Genfer Initiative – ist bis jetzt gescheitert und hat keine politische Unterstützung von den beiden Kontrahenten erhalten.
Israel hat 4,6 Mio. Stimmberechtigte auf rund 6,8 Mio. Einwohner.
Drei Viertel sind Juden.
Stimmbeteiligung: 63,2%
Abgeordnete im 120-köpfigen Knesset:
Kadima: 28 Sitze
Arbeitspartei: 20 Sitze
Schas: 13 Sitze
Jisrael Beitenu: 12 Sitze
Arabische Parteien: 10 Sitze
Nationalreligiöse: 9 Sitze
Rentnerpartei: 7 Sitze
Tora-Judentum: 6 Sitze
Merez: 4 Sitze

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch