Sind Superreiche Fluch oder Segen für die Schweiz?

Die Schweiz gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Doch das Geld ist sehr ungleich verteilt: Das reichste Prozent besitzt mit 45 Prozent fast die Hälfte des gesamten Vermögens. Zugleich bezahlen die Reichen einen Grossteil der Steuern. Unsere Kolleginnen und Kollegen von SRF haben das Thema unter die Lupe genommen.
Welche Bedeutung haben die Reichen für die Schweiz? Was ist ihre Verantwortung? Und gefährdet die ungleiche Verteilung den sozialen Frieden? Weltweit und auch in der Schweiz nimmt der Druck auf die Reichen zu. Doch ab welchem Betrag gilt man als «reich»?
Reichtum ist ein relativer Begriff. Im weltweiten Vergleich gelten wohl die meisten Schweizerinnen und Schweizer als reich. Dennoch gibt es in der Schweiz gemäss Caritas 700’000 Armutsbetroffene, die zu wenig Geld haben für Krankenkasse, angemessenen Wohnraum oder Gesundheitskosten. Eine klare Definition von «reich» gibt es nicht.
>> Sehen Sie hier die TV-Reportage von SRF:
Ungleiche Verteilung des Wohlstands in der Schweiz
Bei vielen Banken gelten Kundinnen und Kunden ab einem Nettovermögen von einer Million Franken als vermögend. Fast 400’000 Steuerpflichtige gehören zur Gruppe der «Millionäre». Um zum reichsten Prozent der Bevölkerung zu gehören, braucht man indes gut acht Millionen Franken.
Von insgesamt über fünf Millionen Steuerpflichtigen gehören nur gut 40’000 zum reichsten Prozent. Sie besitzen zusammen fast die Hälfte (45%) aller Vermögen, während sich am anderen Ende der Skala knapp zwei Drittel (62%) der Steuerpflichtigen nur rund 3% des Vermögens teilen.
Wer zum reichsten Prozent gehört, hat im Schnitt ein Vermögen von 20 Millionen Franken. Das unterste Fünftel (22 %) hat dagegen gar kein Vermögen.
Ökonomin Isabel Martinez, Expertin für Verteilungsfragen, sagt dazu: «Das Vermögen ist in der Schweiz im internationalen Vergleich sehr ungleich verteilt.» Diese Entwicklung habe sich in den letzten Jahren nochmals verschärft, da die höchsten Vermögen sehr stark gewachsen seien.
Was tun die Reichen für die Schweiz?
Die Reichen tragen erheblich zum Staatshaushalt bei. Die reichsten 10% der Vermögenden zahlen rund 86% der Vermögenssteuer, und die 10% der Bestverdienenden stellen 53% der Einkommenssteuer, was 31.6 Milliarden Franken im Jahr 2020 ausmacht – etwa ein Viertel aller Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden.
«In einem progressiven Steuersystem zahlen die Reichen mehr Steuern als die Armen», sagt Isabel Martinez. «Das ist ein Verfassungsgrundsatz, der so gewollt ist.» Es sei aber auch Ausdruck der ungleichen Verteilung: Je stärker sich Einkommen und Vermögen bei einer kleinen Gruppe konzentrieren, desto konzentrierter sei auch die Steuerlast.
Reiche Unternehmerinnen und Unternehmer schaffen Arbeitsplätze, fördern Innovation und investieren in zukunftsweisende Projekte. Zudem ist die Schweiz ein führender Stiftungsstandort: Über 13’000 gemeinnützige Stiftungen verwalten 140 Milliarden und schütten jährlich rund drei Milliarden Franken aus.
Manche Reiche engagieren sich als Mäzene mit Direktspenden an Kultur, Wissenschaft, Bildung und Sportvereine. Genaue Zahlen dieser Spenden gibt es nicht, Experten schätzen den Wert auf mindestens eine Milliarde pro Jahr.

Wie viel Geld sollen Superreiche an den Staat abgeben?
Der Druck auf Vermögende nimmt zu – international werden die Forderungen nach einer höheren Besteuerung lauter. Auch in der Schweiz: Eine Initiative der Jungsozialisten nimmt reiche Erbinnen und Erben ins Visier.

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