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China und USA prellen die UNO um Geld – Zeit, sie zu stoppen

Phil Lynch

Seit Jahren profitieren China und die Vereinigten Staaten stillschweigend von ihrem Status bei den Vereinten Nationen. Der Rest der Welt brauche eine starke, reaktionsfähige UNO. Sie müsse alle dazu bringen, Geld zu zahlen, meint Phil Lynch, Geschäftsführer des International Service for Human Rights (ISHR).

Stellen Sie sich vor, Sie betreiben ein Restaurant, in dem regelmässig zwei «Gäste» auftauchen, Ihr Essen verzehren, nichts für die anderen Gäste übriglassen, sich dann weigern, zu bezahlen, und Ihnen mit der Schliessung Ihres Lokals drohen, wenn Sie protestieren.

Für alle, die bei oder mit den Vereinten Nationen arbeiten, klingt diese Geschichte wahrscheinlich vertraut. Die UNO ist unser globales Restaurant und die beiden tyrannischen Gäste sind die Vereinigten Staaten und China.

Zusammen schulden sie der UNO über 1,5 Milliarden Dollar (1,2 Milliarden Franken) an regulären Budgetbeiträgen und über 3,2 Milliarden Dollar für FriedenssicherungseinsätzeExterner Link.

Wie ein neuer Bericht des ISHRExterner Link zeigt, sind sie zusammen mit Israel und Russland auch die Staaten, die am häufigsten versuchen, ihren Einfluss geltend zu machen, um die UNO-Menschenrechtsmechanismen zu unterlaufen.

Sie tun dies, indem sie die Verfahren der technischen Gremien kapern, die mit der Berechnung und Zuweisung des Budgets der Organisation beauftragt sind.

Die UNO befindet sich in einer Finanzierungskrise, die in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass eine Reihe von Staaten – vor allem die USA und China – die Vorteile ihrer Mitgliedschaft nutzen, indem sie beispielsweise ihr Veto im Sicherheitsrat ausüben, um sich und ihre Verbündeten vor kritischer Prüfung zu schützen, sich aber gleichzeitig weigern, ihren gerechten Anteil zu zahlen.

Dies tun sie, indem sie ihre zugewiesenen Beiträge ganz oder teilweise zurückhalten oder sie erst zu spät zahlen.

Dadurch können die Vereinten Nationen das Geld nicht mehr ausgeben – sie sind verpflichtet, nicht verwendete Mittel an die Staaten zurückzuzahlen, wenn diese nicht innerhalb eines Kalenderjahres verwendet werden konnten.

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Dies zwingt die UNO zu weitreichenden Kürzungen und Einschnitten bei der Förderung von Menschenrechten, Frieden und Entwicklung. Am stärksten betroffenExterner Link dürfte davon der ohnehin schon chronisch unterfinanzierte Bereich des Menschenrechtssystems der UNO sein.

So unvollkommen die UNO auch sein mag: Diese einschneidenden Kürzungen könnten zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen.

Noch nie war eine wirksame multilaterale Zusammenarbeit zur Bewältigung globaler Herausforderungen so dringend notwendig wie heute: vom Klimanotstand über die Folgen der Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz bis hin zu Konflikten auf der ganzen Welt.

Noch nie war die Nachfrage nach einem glaubwürdigen und zugänglichen System der internationalen Justiz so gross: Aktivistinnen und Aktivisten, Opfer und Überlebende schwerer Menschenrechtsverletzungen aus allen Regionen wenden sich in noch nie dagewesener Zahl an die UNOExterner Link, um Rechenschaft, Solidarität und Schutz zu suchen, die ihnen in ihren Heimatländern verwehrt bleiben.

Die Kürzung der Mittel für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen hat auf nationaler Ebene sehr reale menschliche Kosten zur Folge.

Eine Reihe von Kürzungen, die im September vorgeschlagen wurden, belaufen sich auf mehr als 15% des ohnehin knappen Menschenrechtsbudgets der Vereinten Nationen.

Nur ein Prozent dieses Budgets reicht aus, um die Arbeit von vier unabhängigen Menschenrechtsfachpersonen der Vereinten Nationen für ein Jahr zu finanzieren.

Lesen Sie mehr über die Finanzkrise bei den Vereinten Nationen, die erhebliche Auswirkungen auf deren Aktivitäten in Genf hat:

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In den letzten zehn Jahren haben diese Expertinnen und Experten wesentlich zu bedeutenden Fortschritten im Bereich der Menschenrechte in Ländern aller Regionen beigetragen.

Ihre Arbeit beeinflusste und unterstützte Initiativen wie die Entkriminalisierung der Abtreibung in Argentinien, den sichereren Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen in der Mongolei oder die Freilassung willkürlich inhaftierter Menschenrechtsverteidigerinnen und Journalisten in Bangladesch, Burundi, Ägypten, Guatemala, Saudi-Arabien, Tansania und vielen anderen Ländern massgeblich.

Die bereits umgesetzten Kürzungen haben die Kapazitäten der vom UNO-Menschenrechtsrat beauftragten Mechanismen zur Untersuchung von Verstössen, unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo, Russland, der Ukraine und VenezuelaExterner Link, erheblich eingeschränkt.

Davon betroffen ist auch ein Mechanismus zur Rechenschaftspflicht in Myanmar, der seine speziellen Kapazitäten zur Untersuchung sexueller Gewalt verlieren soll.

Auf die Finanzierungslücke zurückzuführen sind auch die Verkürzung der Sitzungszeit des Menschenrechtsrats und der Einstellungsstopp im Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR).

Beides führt dazu, dass weniger Aktivistinnen und Aktivisten, Opfer und betroffene Gemeinschaften mit den Vereinten Nationen in Kontakt treten und für ihre Anliegen eintreten oder diese sichtbar machen können.

Solche Kürzungen verweigern den Opfern Gerechtigkeit und ermöglichen die Straflosigkeit der Täterinnen und Täter von Gräueltaten auf allen Kontinenten.

Die Kürzungen scheinen überwiegend vorgeschlagen worden zu sein, ohne strategische Vision oder Analyse dessen, was erforderlich ist, damit die UNO reaktionsfähig, effektiv und effizient sein kann.

Ein solch undifferenzierter Ansatz versäumt es, Bereiche der Ineffizienz oder potenziellen Einsparungen, wie die Gehälter und Sozialleistungen der UNO-Mitarbeitenden, angemessen anzugehen.

Paradoxerweise könnte er auch die allgemeine Effektivität der Organisation beeinträchtigen, weil das Ignorieren von Menschenrechtskrisen ebenfalls kein fruchtbarer Boden für Friedens- oder Entwicklungsinitiativen ist.

Viel wahrscheinlicher ist es, dass erhöhte Investitionen in die Menschenrechtsmechanismen und -initiativen der UNO erhebliche Erträge in Bezug auf Frieden, Sicherheit, Konfliktprävention und nachhaltige Entwicklung bringen und mehr Effizienz erzielen als blind vorgenommene Budgetkürzungen.

In den kommenden Wochen verhandeln die Mitgliedstaaten auf der 18. Sitzung des wenig bekannten, aber äusserst einflussreichen Fünften Ausschusses der GeneralversammlungExterner Link über den UNO-Haushalt.

Die Staaten sollten die vorgeschlagenen Kürzungen im Bereich der Menschenrechte unmissverständlich ablehnen. Stattdessen sollten sie sicherstellen, dass dieser Bereich die zusätzlichen Mittel erhält, die für seine Nachhaltigkeit und Wirksamkeit erforderlich sind.

Sie sollten auch darauf hinwirken, dass die UN80-InitiativeExterner Link – angeblich ins Leben gerufen, um die UNO reaktionsfähiger und wirkungsvoller zu machen – nicht zu einer reinen Kostensenkungsmassnahme verkommt.

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Staaten, die erkennen, dass ihre individuellen und kollektiven Interessen am besten durch ein glaubwürdiges multilaterales System vertreten werden, müssen handeln, um zu verhindern, dass die UNO durch Gesetzlosigkeit und zynischen Transaktionalismus regiert wird.

Während der gesamten Haushaltsverhandlungen und des UN80-Reformprozesses ist es ausserdem unerlässlich, dass sich Staaten und UNO-Organisationen beraten und die sinnvolle Beteiligung einer unabhängigen Zivilgesellschaft gewährleisten.

So wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte eine Reaktion auf massive Verletzungen der Grundrechte war und die Einrichtung des OHCHR von Menschenrechtsverteidigenden aus allen Regionen vorangetrieben wurde, muss auch die moderne UNO-Reform auf die Bedürfnisse und Forderungen reagieren und die Erfahrungen und das Fachwissen von Verteidigerinnen, Verteidigern und betroffenen Gemeinschaften weltweit nutzen.

Wenn die UNO dieses globale Restaurant überleben, sich anpassen und den Hunger der Welt nach Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit stillen soll, dann müssen alle Restaurantgäste ihre Rechnungen bezahlen.

Diejenigen, die dazu in der Lage sind, sollten ihre Trinkgelder oder freiwilligen Beiträge sofort erhöhen. Und denen, welche nicht zahlen wollen, sollte ein Platz am Tisch verweigert werden.

Editiert von Virginie Mangin/ts, Übertragung aus dem Englischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub

Die vom Autor geäusserten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten von Swissinfo wider.

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