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Swiss-Reaktionen: Betroffenheit und Wut

Mit den beschlossenen Massnahmen will die Swiss einem Teil ihrer Flugzeuge weiterhin zum Abheben verhelfen. Keystone

Der Bundesrat und der Kanton Zürich können für die Restrukturierungs-Massnahmen der Swiss ein gewisses Verständnis aufbringen.

Die Entscheidungen sind aber sowohl bei politischen Parteien wie Gewerkschaften ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.

Bundesrat Joseph Deiss zeigte sich am Dienstag schockiert über die Rettungsmassnahmen der Fluggesellschaft Swiss. Die Reorganisation sei “drastisch und schmerzhaft”. Deiss und sein Wirtschaftsdepartement wollen Massnahmen vorbereiten, um soziale Härtefälle zu vermeiden.

Deiss begrüsst den Mut der Swiss, mit einem strengen Kostensenkungsprogramm das Überleben zu sichern. Beiträge aus der Bundeskasse an einen Sozialplan kommen für Deiss aber nicht in Frage.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) ist dabei, in Zusammenarbeit mit Zürich, Basel, Genf und Lugano sozialen Härtefällen wegen der Neuordnung der Swiss vorzubeugen, sagt Jean-Luc Nordmann von der Direktion für Arbeit im seco.

Bundesrats-Ausschuss: Verständnis

Der Ausschuss “Rahmenbedingungen Swiss” des Bundesrates, bestehend aus den Bundesräten Moritz Leuenberger (Leitung), Kaspar Villiger und Joseph Deiss, zeigt Verständnis für die beschlossenen Restrukturierungs-Massnahmen.

Noch nicht bewerten kann der Ausschuss, wie sich das kürzlich gefällte Basler Schiedgerichtsurteil zum Pilotenstreit auf die Umsetzung der Restrukturierung auswirkt.

Unique Airport gefasst

Gemäss Andreas Siegenthaler, Pressesprecher Unique Airport Zürich, hat die Flughafenbetreiberin bereits Anfang Juni Massnahmen zur Reduktion der Betriebskosten bekannt gegeben. Darunter fällt auch die Kürzung der Löhne um bis zu 3%.

“Bis Mitte nächsten Jahres werden wir 30 Stellen abbauen. Aufgrund der heute bekannt gegebenen Massnahmen der Swiss sehen wir keinen Grund, unser Massnahmenpaket abzuändern”, sagte Siegenthaler gegenüber swissinfo.

Erzürnte Gewerkschaften

Der Vizepräsident der Pilotenvereinigung Aeropers, Ben Bosshardt, hat Konsequenzen bei der Swiss gefordert. Die Manager, die das Debakel zu verantworten hätten, müssten die Konsequenzen ziehen.

Die Gewerkschaften des Bodenpersonals sind erzürnt über den angekündigten Kahlschlag bei der Swiss. Sie werfen dem Management Unfähigkeit vor und weisen die Schuld an einem allfälligen Niedergang der Airline zurück.

“Die Sanierung der Swiss kann mit der angekündigten Flottenreduktion nicht gelingen”, hält der vpod Luftverkehr in einem Communiqué fest.

Widerstand angekündigt

Die Gewerkschaft GATA/SEV, die nach eigenen Angaben mehr als 60 Prozent des gewerkschaftlich organisierten Swiss-Bodenpersonals vertritt, ruft die Angestellten zum Widerstand auf.

Laut dem Kaufmännischen Verband der Schweiz (KV) seien die Rettungsmassnahmen seit der Swiss-Gründung immer zu spät an die Hand genommen worden. Der im Februar 2003 angekündigte Flottenabbau sei im Minimum ein Jahr zu spät eingeleitet worden.

Für die Gewerkschaft Kommunikation, welche die Fluglotsen vertritt, entbehrt der “kopflose Entscheid” jeglicher Perspektive für Unternehmen und Personal. Es gehe nicht an, dass die “Unfähigkeit des Managements” zu Stellenabbau und Lohnkürzungen führe.

Harsche Kritik an Lohnreduktion

Mit harscher Kritik und Widerstands-Ankündigungen reagierten die Gewerkschaften auf die beabsichtigte generelle Lohnkürzung von 10 Prozent beim Bodenpersonal sowie die angestrebte Kostenreduktion von 30 Prozent bei den Zulieferbetrieben.

Lohnreduktionen von 10 Prozent seien für das Bodenpersonal mit Monatslöhnen zwischen 3000 und 5000 Franken “schlicht unzumutbar”, kritisieren die Gewerkschaften vpod Luftverkehr, GATA/SEV und KV Schweiz.

Die flugnahen Zulieferbetriebe müssten wegen der Flottenreduktion ihre eigenen Kapazitäten abbauen und somit laut Gewerkschaftsangaben rund 2000 Arbeitsplätze streichen.

Die im Bereich Bodenabfertigung tätige Swissport erbringt auf den Flughäfen Zürich, Basel und Genf mit rund 3000 Mitarbeitenden Ground-Services für 80 Kunden. Swissport befürchtet einen Abbau von rund 350 Stellen.

Vorwürfe beider Basel

Die Regierungen von Basel-Stadt und Basel-Landschaft kritisieren die Abbaupläne der Swiss und werfen der Swiss-Führung eine irreführende Informationspolitik vor. Der absehbare Abbau führe zu einem “Kahlschlag” am EuroAirport Basel und stehe im Widerspruch zum Bundesbeschluss über die Finanzierung des Swiss-Aufbaus.

Verständnis aus Zürich

Die Zürcher Regierung beurteilt die Neupositionierung der Swiss als richtig und notwendig. Der Abbau sei zwar bedauerlich, gleichzeitig aber unumgänglich.

Der Kanton sei aber auf die Situation vorbereitet. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit werde am Flughafen einen Help Desk zur Beratung der betroffenen Angestellten einrichten.

Rügende politische Parteien

Die Swiss soll laut FDP, SVP und CVP keinerlei weiteres Bundesgeld mehr erhalten: FDP und SVP winken auch bei der Exportrisikogarantie ab. Die SP fordert Sozialpläne für die Entlassenen.

Für die SPS geht es ums Überleben der Swiss und die Anbindung der Schweiz an den internationalen Luftverkehr. Die Restrukturierung sei darum notwendig und überfällig. Der Swiss-Führung wirft die SP Fehler vor. Einer der gravierendsten sei die Ablehnung des Luftlärm-Staatsvertrags mit Deutschland.

Die FDP hält die Restrukturierung ebenfalls für unumgänglich. Der Schritt erfolge jedoch zu spät. Alle Betroffenen, besonders die Gewerkschaften, müssten für das Überleben des Unternehmens jetzt an einem Strick ziehen.

“Swiss-Lüge” aufgeflogen

Die SVP ist der Anbsicht, die “Swiss-Lüge von FDP, SP und CVP” sei aufgeflogen. Diese Parteien hätten dem Volk weis gemacht, mit 2 Mrd. Franken lasse sich ein radikaler Schnitt im Flugverkehr verhindern. Die SVP erhalte nun mit ihrer Ablehnung der Swiss-Kredite Recht.

Sie habe schon lange die Ausrichtung auf Rentabilität gefordert, meint die CVP. Das Management habe zu lange gewartet. Vom Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) verlangt die CVP mehr Führung in der Zivilluftfahrt.

Prinzip Hoffnung

Die Schutzvereinigung Schweizer Anleger (SVSA) bezeichnet die angekündigte Restrukturierungen bei der Swiss ernüchternd. Zu viel basiere auf dem Prinzip Hoffnung. Der Verwaltungsrat habe die Freiheit seines Handelns fahrlässig verloren.

swissinfo und Agenturen

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