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Vom Entlebuch ins costaricanische Hochland

Im costaricanischen Hochland, wo die Wickis leben. Valerie Koller

Ansgar Karl Wicki und Ruth Emenegger aus dem schweizerischen Entlebuch haben sich vor 18 Jahren am Fuss des Vulkans Irazú auf 1700 m.ü.M. niedergelassen. Hier, mitten im Hochland von Costa Rica, führt die Schweizer Familie einen Landwirtschaftsbetrieb.

Nach einer zwanzigminütigen Busfahrt von Cartago, der früheren Hauptstadt Costa Ricas, erreicht man den Landwirtschaftsbetrieb der Familie Wicki-Emenegger.

Etwas ausserhalb des Örtchens Cot haben Ansgar und Ruth im Jahr 1991 ein Haus gebaut, wo sie jetzt mit ihren drei Töchtern leben.

Andrea, Daniela und Salome sind zwischen acht und vierzehn Jahre alt. Sie gehen in Cartago in eine zweisprachige Schule.

Da der Schulbus der Privatschule nicht bis zum Haus der Schweizer Familie hinauf fährt, führt Mutter Ruth die Mädchen jeden Tag die dreizehn Kilometer ins Tal hinunter. Manchmal übernimmt auch die Nachbarin diesen Dienst.

Töchter sind Costaricanerinnen

Ansgar Wicki und Ruth Emenegger besitzen nur den Schweizer Pass. “Mehr brauchen wir gar nicht”, meint Ruth. Die Töchter besitzen aber beide Nationalitäten. Spanisch ist ihre Muttersprache, später lernten sie in der Schule Englisch. Deutsch sprechen sie nicht, sie verstehen es nur.

“Mit meiner ältesten Tochter konnte ich noch Deutsch sprechen. Aber sobald Daniela zu reden begann, sprachen die Schwestern Spanisch miteinander, und schon war ich ausgeschlossen. Da musste ich mich anpassen”, erzählt Ruth.

Ihre Töchter fühlen sich hundertprozentig als Ticas. “Das merkt man schon am Kleidergeschmack”, schmunzelt Ruth. “Ich bin noch schweizerisch orientiert. Sie aber stehen eher auf feine, mädchenhafte Kleidung.”

Abenteuerlicher Anfang

Vor 20 Jahren zogen der junge Forstwart Ansgar und die Primarlehrerin Ruth nach Costa Rica. Zuerst lebten sie ein Jahr lang auf der Peninsula de Osa, einer Halbinsel im Südwesten des Landes. Dort wohnten sie in einem Haus fernab der Zivilisation. “Das war ein Abenteuer. Aber zum Leben und für eine Familie war das nichts”, erinnert sich Ruth Emenegger.

Ansgar war vor der Entscheidung, nach Costa Rica auszuwandern, schon mehrere Monate in Mittel- und Südamerika unterwegs gewesen. Dabei hatte ihm Costa Rica besonders gut gefallen. Die Leute seien offen und freundlich, das Klima bekömmlich, und die Natur habe viel zu bieten.

Letzteres ist der Familie besonders wichtig. Am Liebsten verbringen sie ihre Zeit draussen an der frischen Luft.

Costa Rica bietet viel

“Man hat in Costa Rica auch viele Möglichkeiten”, sagt Ansgar. Costa Rica ist ein Entwicklungsland, und genau wegen dieses Entwicklungsprozesses lasse sich hier fast jede Idee verwirklichen. “Nicht wie in der Schweiz, wo es alles schon gibt und wo viele Gesetze die Kreativität einschränken.”

Trotzdem ist Costa Rica ein Land mit vergleichbar gutem Gesundheitssystem, und die Infrastruktur im dicht besiedelten Hochland ist auch weit entwickelt. “Das war uns wichtig, um hier eine Familie zu gründen.”

Ruth und Ansgar kennen sich seit der Primarschule. Die Idee, zusammen in einem anderen Land zu leben, hat nach und nach Form angenommen. Bei ihren Schweizer Freunden stiess die Entscheidung des Paares zunächst auf Unverständnis.

Ansgar, früher ein passionierter Bergsteiger, erinnert sich: “Meine Kollegen fragten mich, ob man dort klettern könne. Nein, sagte ich. “Ja, was machst du denn dort?”, fragten sie.

Kühe und Peperoni

Ansgar und Ruth verwalten rund 25 Hektar Land, von dem sie immer wieder Teile an Private verkaufen. Ihre Hauptbeschäftigung ist aber die Viehwirtschaft und der Anbau von Peperoni. Zusammen mit insgesamt 19 Angestellten kümmern sie sich um 230 Kühe und 60’000 Peperoni-Pflanzen.

“Um zu überleben, muss man den Betrieb jedes Jahr um zehn Prozent vergrössern”, erklärt Ansgar ihre Strategie.

Aber die Auslandschweizer-Familie muss sich auch dem Markt anpassen. Die frühere Blumenproduktion der Wickis war zu gross für den nationalen Markt, der internationalen Nachfrage konnten sie aber wiederum nicht gerecht werden.

Der Peperoni-Anbau sei im Moment aber eine gute Lösung. “Das Essen hier ist einfacher, rustikaler. Peperoni, oder chile dulce wie man sie hier nennt, haben einen festen Platz in der costaricanischen Küche.”

Guter Boden, gutes Klima

Das Land, das zum Betrieb gehört, ist fruchtbar. Im Jahr 1963 war der Hausvulkan Irazú zum letzen Mal ausgebrochen. Seither verhält er sich ruhig.

Trotzdem ist er zusammen mit einem anderen (aktiven) Vulkan in der Nähe dafür verantwortlich, dass der Boden der Region einer der besten im Land ist. Rund 80 cm Humus bildet die oberste Schicht der Erde um Wickis Betrieb. Weiter oben am Vulkan können es bis zu zwei Meter sein.

So günstig der Boden ist, so wenig werden die Bauern in Costa Rica von der Regierung subventioniert. Die einzige Unterstützung ist zurzeit die Erhaltung der hohen Einfuhrzölle, welche die Milchwirtschaft schützen sollen.

Wicki-Emeneggers geben die Milch der Dos Pinos ab, dem national grössten Milchkonzern. Die Peperoni werden mehrmals wöchentlich von einer grossen Supermarktkette abgeholt.

Kontakt zur Schweiz und Schweizern

Viel Zeit für Ferien bleibt bei all dieser Arbeit nicht. Etwa alle zwei bis drei Jahre reist die Familie in die alte Heimat. “Aber mit drei Kindern in schulpflichtigem Alter kann man nicht einfach die Koffer packen und gehen, wann immer man will.“ 

So sei der Kontakt zur Schweiz schon schwierig, sagt Ansgar. “Obwohl sich das mit den modernen Kommunikationsmedien enorm vereinfacht hat in den letzten Jahren.” Kontakt zu anderen Schweizern in Costa Rica hat die Familie nie gesucht.

“Die meisten von ihnen führen ein Hotel an irgendeinem Strand. Das ist eine ganz andere Arbeit und ein anderer Lebensstil als wir führen. Wir haben mit ihnen nicht so viel gemeinsam”, so Ansgar. Die Freunde der Familie sind deshalb vor allem Einheimische. An einem anderen Ort zu leben, kann sich zurzeit niemand der Familie Wicki-Emenegger vorstellen.

Die kleine Republik Costa Rica gehört zu Mittelamerika und liegt zwischen dem Pazifik und dem Atlantik.

An der dünnsten Stelle des Landes trennt eine nur gerade 110 km breite Landmasse die beiden Ozeane.

Das Valle Central, das zentrale Hochtal, liegt zwischen bis zu 3800 m hohen Bergen und Vulkanen.

Hier befinden sich die Hauptstadt San José und alle anderen grossen Städte, wo die Mehrheit der costaricanischen Bevölkerung lebt.

Als Kolumbus 1502 an den Küsten Costa Ricas landete, erwartete er im Landesinneren grosse Goldvorkommen. Daher der Name “Reiche Küste”.

Auf nur 51‘000 km2 bietet Costa Rica zwar keine Edelmetalle, dafür tropischen Regenwald, kilometerlange Strände und eine Vielzahl von Vulkanen.

Weniger berühmt sind die savannenähnlichen Ebenen im Norden und das grüne Hochland, das den Schweizer Voralpen verwechselnd ähnlich sieht.

Costa Rica wird auch deshalb als Schweiz Lateinamerikas bezeichnet.

Seit 1948 besitzt das Land keine Armee mehr. Eine Tatsache, auf die jeder Costaricaner stolz ist.

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